Bei manchen Lebenskrisen in Buchwelt flüchten?
Ich lese sehr gerne und auch viel. Ich habe dann immer das Gefühl, dass ich durch die Bücher eben in andere Welten abtauchen kann und meine Alltagsprobleme mal für einen Moment vergessen kann. Normalerweise konzentriert man sich ja auf den Inhalt und die Geschichte. Ich denke aber, dass es auch nur bei bestimmten Sorgen und Problemen möglich ist. Manchmal kann man da ja auch gar nicht abschalten und lesen hat dann keinen Sinnen, weil man das Gelesene gar nicht wirklich aufnehmen kann. Ich merke es dann daran, dass ich einen Satz zig mal lesen kann, ohne das ich verstehe, was dort eigentlich steht.
Mich lenkt es oft ab, wenn ich ein Buch lese und mich in die Geschichte vertiefe und vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich eben gerne lese. Flüchtet ihr euch bei manchen Krisen oder Problemen in die Welt der Bücher? Könnte ihr dann dadurch mal abschalten und alle um euch vergessen? Klappt das nur, wenn die Sorgen nicht so gravierend sind? Hilft es euch da, wenn ihr ein Buch lest, bei dem die Geschichte fesselnd ist?
Nelchen hat geschrieben:Klappt das nur, wenn die Sorgen nicht so gravierend sind?
Das würde ich aber auf jeden Fall genauso unterschreiben. Wenn die Luft brennt oder man ernsthafte Sorgen um sich oder seine Liebsten hat, kann auch das spannendste Buch nicht helfen. Wie soll man sich da auch konzentrieren? Meiner Meinung nach hilft das Versinken in den Welten von Büchern allenfalls bei einer trotzigen "Alle und alles doof" Stimmung.
Gravierende Sorgen, körperliche Krankheiten, psychische Krankheiten wie Depressionen oder ähnliches, existentiell bedrohliche sonstige Zustände sind alle nicht dafür angedacht, mit Hilfe von Büchern kleiner gemacht zu werden. Ich habe zum Beispiel noch nie von jemandem mit echten Depressionen gehört, dass er überhaupt noch in der Lage sei, ein Buch verstehend zu lesen.
Ich würde auch sagen, dass das nur klappen kann, wenn man sich zwar vielleicht schon Sorgen macht, diese aber nicht wirklich groß sind. Wenn ich wirklich ernste Sorgen und Probleme habe, dann kann ich gar nicht lesen. Dann lese ich vielleicht mal, weil ich versuche, mich abzulenken, aber dann bekomme ich es spätestens nach dem ersten Umblättern mit, dass ich zwar gelesen habe, aber nichts davon aufnehmen konnte, was da stand.
Darum würde ich sagen, dass das einfach nichts bringt, wenn ich in einer solchen Situation versuche zu lesen. Wenn die Sorgen aber nicht so belastend sind und ich merke, dass mir eine Ablenkung gut tun könnte, dann mag ich das schon sehr, mich dann in ein Buch zu flüchten und eine Zeit lang Abstand gewinnen zu können von dem, was mich belastet.
Ich mache mir bei Problemen und Konflikten sehr schnell Sorgen und gerate darüber in Grübeleien, die mich geistig voll und ganz einnehmen. In einer ernsten Situation wäre ich also überhaupt nicht in der Lage, ein Buch zu lesen, denn ich könnte meine Gedanken nie und nimmer ausschalten und mich auf den Inhalt konzentrieren.
Vermutlich würde ich dann ein paar Minuten lang versuchen, die Seite anzustarren und ein paar Worte aufzunehmen, aber dann würde ich das Werk wieder weglegen, weil ich merken würde, dass sowieso nichts in meinen Kopf hineingeht. Auch hätte ich überhaupt keine große Lust, mit Lesen anzufangen, solange mich etwas belastet. Mir ist es dann lieber, das Problem möglichst schnell zu lösen, sodass ich mich danach wieder anderen Dingen zuwenden kann.
Generell bin ich kein Freund von Strategien, mit denen man dem Unvermeidlichen nur aus dem Weg geht und sich ablenkt. Bei mir macht das alles durch die Verzögerung nur noch schlimmer. Natürlich gibt es manchmal auch Situationen, die man selber einfach nur bedingt bis gar nicht beeinflussen kann und wo es objektiv keinen Sinn macht, andauernd Gedanken an Konsequenzen und den weiteren Verlauf zu verschwenden, weil man sich dadurch nur verrückt macht und am Ende doch nichts ausrichten kann; aber auch in solchen Fällen fällt es mir dann sehr schwer, das zu akzeptieren und mich mit etwas völlig anderem zu beschäftigen.
So gravierend und belastend können die Probleme und Sorgen einer gelangweilten Hausfrau ja nicht sein, wenn sie es dennoch schafft, sich regelmäßig in irgendwelche Phantasie-Welten zu flüchten und in Bücher zu vertiefen, sodass man alles um sich herum vergisst. Wenn man ernsthafte Sorgen und Probleme hat, dann ist man zu gar nichts im Stande bis das Problem ausradiert ist.
Also ich kann dann nicht mal lesen, was ich ansonsten gerne mache, ich kann mich dann nicht mal auf eine Serie oder einen Film konzentrieren. Ich bin dann sogar beim Kochen abgelenkt und nicht ganz bei der Sache. Solche "leichten" Probleme kann ich daher nicht wirklich Ernst nehmen, wenn man trotzdem alles im Alltag kann und sich problemlos ablenken kann.
Täubchen hat geschrieben:So gravierend und belastend können die Probleme und Sorgen einer gelangweilten Hausfrau ja nicht sein, wenn sie es dennoch schafft, sich regelmäßig in irgendwelche Phantasie-Welten zu flüchten und in Bücher zu vertiefen, sodass man alles um sich herum vergisst. Wenn man ernsthafte Sorgen und Probleme hat, dann ist man zu gar nichts im Stande bis das Problem ausradiert ist.
Was hat denn der gewählte Lebensstil damit zu tun, wie schwerwiegend Probleme sind? Nehmen Hausfrauen Todesfälle, Krankheit, Beziehungskrisen, Streit, Belastungen durch Pflege generell leichter als Angestellte oder Selbstständige? Gibt es gar einen Unterschied zwischen gelangweilten und nicht gelangweilten Hausfrauen? Sind Arbeiter weniger betroffen als Akademiker?
Ich kann immer lesen. Es gibt kein Problem, dass so groß ist, dass ich es nicht zeitweise bei Seite schieben kann. Anzunehmen, dass jeder zu gar nichts imstande ist, bis ein Problem ausradiert ist, das ist ein Trugschluss. Ich kann das und ich bin bestimmt nicht einzigartig. Ich kann ein Buch lesen, auch wenn gerade die Beziehung scheitert. Das ist für mich ein guter Weg, um zeitweise abzuschalten. Warum sollte ich beispielsweise die Gedanken ständig um den Partner kreisen lassen, wenn man gerade nichts klären kann? Ein gutes Buch schenkt mir eine willkommene Auszeit.
Ich kann aber auch lesen oder arbeiten, wenn ich auf das Ergebnis einer Operation oder auf Nachrichten über einen akut schwer erkrankten Angehörigen warte. Und nein, das geht mir alles nicht am Popo vorbei. Ich kann so etwas nur zeitweise ausblenden. Als meine Mutter bei uns im Haus gestorben ist, habe ich die Deadline für einen Auftrag in gewohnter Qualität gehalten, während ich auf den Notarzt zur Todesfeststellung gewartet habe. So etwas kann man oder man kann es nicht. Wer es kann, hat aber nicht weniger große Probleme oder weniger Emotionen.
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