Bei Krankheiten immer übertreiben, wie reagieren?
Mein Partner und seine Mutter haben wirklich das gleiche Problem, beide übertreiben immer wenn sie krank sind. Sind sie erkältet, wird immer gleich spekuliert ob es nicht doch eine Lungenentzündung oder vielleicht eine Entzündung des Zwerchfells sein könnte. Immer ist es sofort etwas schlimmeres, auch wenn es nicht so ist. Ich weiß auch gar nicht, wie man so etwas abtrainiert bekommt, ernst kann ich sie nicht nehmen.
Ich arbeite ja im Gesundheitswesen und deshalb finde ich das ganze Getue auch sehr respektlos, gegenüber wirklich kranken Menschen. Genauso wie sich meine Schwiegermutter als behindert bezeichnet. Da schlage ich die Köpfe über dem Kopf zusammen. Sie geht ab und zu mal am Rollator, wenn sie sich nicht gut fühlt, aber sich deshalb als behindert zu bezeichnen?! Und ihr Sohn springt natürlich auf jeden Zug mit auf.
Wie würdet ihr reagieren? Wir haben halt immer Krach, wenn ich meine ehrliche Meinung zum Thema sage.
Ich glaube dass das auch einem psychischen Krankheitsbild entsprechen kann. Deswegen würde ich da gar nicht so jedes Wort auf die Goldwaage legen. Dein Partner hat ja auch nichts anderes erlebt in seiner Kindheit und sich damit dann so ein Verhalten angewöhnt.
Ich würde das nicht zu übertrieben bewerten. Machen wirst du da wohl nichts können und natürlich ärgert dich das, aber manchmal muss man die Menschen einfach so nehmen wie sie sind. Mit logischen Argumenten kommt man da auch nicht wirklich weiter und am Ende hat man dann nur Streit, deswegen würde ich die beiden so akzeptieren und es nicht als Angriff deine Person betreffend sehen, sondern einfach nur als charakterliche Eigenart.
Was definierst du als wirklich krank? Es gibt viele Erkrankungen, die man nicht sieht. Mir wird mittlerweile auch nachgetragen, dass ich übertreiben würde, man würde mir ja die ballernden Kopfschmerzen ja nicht ansehen, also hätte ich keine. Dass ich sie in Wahrheit unterdrücke, damit niemand wirklich mitbekommt, wie schlecht es mir geht, das sieht niemand.
Oder anderes Beispiel: Ich habe Morbus Crohn, sieht man nicht, riecht man nicht und ich muss nicht häufiger als andere auf die Toilette. Also wird darauf geschlossen, dass es mir super geht und keine Probleme habe. Dass ich aber bei jedem Toilettengang die Dameneinlage wechsele, dass ich Angst habe, dass beim Pupsen was daneben geht, dass ich mich immer mal reinige, damit man wirklich nichts riecht und dass ich schon manchmal in die Hose mache, sieht keiner, also bin ich gesund.
Bei deinem Partner und seiner Mutter scheint es ja was Psychisches zu sein, vielleicht gab es in der Vergangenheit ja mal eine Erkältungskrankheit, die schlimmer ausgeartet ist, zum Beispiel als dein Partner klein war und die Mutter bekam es wirklich mit der Angst zu tun? Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass ich als kleines Kind nur noch schwach geatmet haben soll, die Lippen sind angeblich blau gewesen und sie hat mich nur ins Auto gepackt und ist mit mir ins Krankenhaus. Vielleicht war damals ein solches Erlebnis ja auch der Auslöser für das Problem mit deinem Partner und seiner Mutter? Versuche sie doch einfach zu beruhigen und ein wenig abzuholen. Mehr wirst du da nicht machen können.
Sie geht ab und zu am Rollator? Kann sie nicht mehr gut laufen? Hat sie vielleicht Schmerzen? Das kann schon behindernd sein, denn sie kann sich nicht mehr so frei bewegen, wie sie es gerne möchte. Das kann auch schon eine Behinderung sein, wenn wirklich etwas vorhanden sein sollte. Auch psychische Probleme können dich in den Rollstuhl verfrachten. Eine Bekannte von mir sitzt aufgrund ihrer PTBS im Rollstuhl, sie kann einfach nicht mehr laufen. Nicht weil sie es so toll findet, oder weil sie simuliert. Ihre Psyche hat die Erkrankung auf ihre Beine übertragen und sie kann wirklich nur noch wenige Schritte alleine gehen.
Versuche deine Schwiegermutter ein wenig abzuholen und halte ihr bloß nicht vor, dass es anderen schlimmer geht. Denn das habe ich mir auch lange eingeredet, jetzt sitze ich teilweise hilflos da und versuche meine Schmerzen kleinzureden. Nimm sie ernst, rede mit ihr und deinem Partner und hol sie ab. Augen rollen kannst du dann immer noch, wenn du die Tür hinter dir zugemacht hast.
In meiner Familie musste man immer mit dem Kopf unter dem Arm daherkommen und/oder Blut husten, damit etwas als "Krankheit" zählte. Mal wegen banalem Halsweh einen Tag von der Schule daheim bleiben - keine Chance! Vermutlich auch dadurch habe ich ebenfalls eine gewisse hypochondrische Ader entwickelt und mache mir durchaus hin und wieder Sorgen, dass an sich banale Symptome etwas "Schlimmeres" sein könnten. Ich meine, bei meiner Mutter hat es auch mit Appetitlosigkeit angefangen, und ein Jahr später haben wir sie beerdigt.
Von daher kann ich schon mal sagen, dass "Stell dich nicht so an!" noch niemandem geholfen hat. Nichts wird besser, wenn man den Menschen dahinter nicht ernst nimmt. Gerade im "Gesundheitswesen" müsste sich doch auch herumgesprochen haben, dass es nicht nur Diagnosen gibt, sondern dass dahinter auch lebende Menschen mit all ihren Vorgeschichten stecken. Mir hilft es immer, wenn die Fantasie davongaloppiert, wenn mir jemand zuhört, ohne meine Macken ins Lächerliche zu ziehen, und meine Ängste logisch entkräftet.
Und ich finde es auch reichlich anmaßend, bestimmen zu wollen, wann andere Leute als "behindert" zählen. Wenn man zumindest zeitweise einen Rollator braucht, ist man landläufig gesehen mindestens leicht gehbehindert. Klar, andere Leute haben beide Beine amputiert, oder werden beatmet oder was auch immer. Aber nur weil es immer noch schlimmer kommen kann, heißt das ja nicht, dass alles unter Tuberkulose im Endstadium, Querschnittslähmung Hals abwärts oder Wachkoma gesund und munter ist und sich nur "anstellt".
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