Bei jedem Arzttermin einen Notfall daraus machen?

vom 24.03.2018, 11:19 Uhr

Mitunter wartet man ja wirklich einige Wochen auf einen Arzttermin und diesen Zustand finde ich schon meistens nicht akzeptabel. Nun hat mir mal jemand gesagt, man müsse bei einer Terminabsprache nur einen Notfall daraus machen oder gleich bei der jeweiligen Klinik einfallen und dann würde es sofort oder zumindest viel schneller mit einer Behandlung klappen. Habt ihr das auch schon mal ausprobiert und wo klappt eurer Erfahrung nach, so eine Notfalltaktik besonders gut und wo vielleicht weniger?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich finde nicht, dass man aus jedem Arzttermin einen Notfall machen sollte. Ich habe durchaus schon einen Notfall aus einem Termin gemacht, aber dann war es meistens so, dass ich direkt vor Ort aufgetaucht bin und dass irgendein Körperteil absolut nicht mehr so funktioniert hat, wie es funktionieren sollte. Sprich ich konnte nicht mehr laufen oder Ähnliches.

Mit einem Schnupfen oder einer Erkältung käme ich niemals auf die Idee einen Notfall daraus zu machen. Ich finde, dass diese Taktik auch nicht immer aufgeht. Meine Schwester ist schwerbehindert und sie hatte sich mal aufgrund eines Sturzes einen Arm angeschlagen und dadurch geblutet und geschrien wie am Spieß.

Meine Mutter hat das blutverschmierte Tuch dann mit ins Krankenhaus genommen und auf die Wunde gehalten, so kam sie schneller an die Reihe. Aber da verstehe ich es halt noch, ein schwerbehindertes Kind versteht nicht unbedingt, dass es eine solche Verletzung hat, auch wenn sie harmlos war und mehrere Stunden Geschrei im Wartebereich, das ist auch zermürbend.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12585 » Talkpoints: 9,82 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Wie willst du denn einen "Notfall machen"? Die Behauptung "ich bin aber ein Notfall" reicht mit Sicherheit nicht aus, denn das hört man in dem Job wahrscheinlich mehrmals täglich. Und wenn du in der Notaufnahme aufschlägst, wirst du ja inzwischen erst mal befragt und dann entsprechend eingeordnet und wenn sich dann herausstellt, dass dein "Notfall" nur ein Schnupfen ist wirst du gar nicht erst in die Notaufnahme gelassen.

Natürlich könntest du den Arzt, der die Aufnahme macht, dann anlügen und aus deinem Schnupfen eine schwere Grippe machen, aber was bringt dir das? Das fliegt entweder auf wenn du mit dem Notarzt sprichst, oder du wirst falsch behandelt.

Was bei mir aber schon funktioniert ist erst mal zu meinem Hausarzt zu gehen und mir von ihm dann einen Termin bei einem Facharzt machen zu lassen. Ich glaube nicht, dass er aus mir einen "Notfall macht", aber wenn eine Arztpraxis anruft und einen Termin will erscheint das wahrscheinlich schon dringlicher als wenn man selber anruft. Jedenfalls klappt das mit den Terminen so immer schneller.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



mikado* hat geschrieben:Mitunter wartet man ja wirklich einige Wochen auf einen Arzttermin und diesen Zustand finde ich schon meistens nicht akzeptabel.

Und warum genau ist das nicht akzeptabel? Ich meine bei deiner Autowerkstatt rufst du doch auch rechtzeitig an um beim Wechsel auf Sommerreifen nicht ewig warten zu müssen. Und Handwerker muss man zur Zeit auch Monate im Voraus buchen. Die Landschaftsbauer hier bei uns in der Region haben mittlerweile eine Vorlaufzeit von mehr als 1 Jahr.

Warum genau muss da ein Arzt jetzt anders sein? Wir haben doch in Deutschland ein sehr gut funktionierendes Gesundheitssystem. Für tatsächliche Notfälle stehen über das gesamte Bundesgebiet verteilt über 1600 Notaufnahmen zur Verfügung, die ein Grundspektrum anbieten und hunderte von Ihnen die eine Maximalversorgung anbieten. Für alles andere gibt es zehntausende Haus- und Fachärzte. Und wenn man keinen Notfall hat, warum soll es denn beim Arzt anders laufen als im restlichen Leben.

Entweder man kümmert sich rechtzeitig um seinen Termin, wenn man etwas plant. Oder man setzt sich halt als ungeplanter Patient ein paar Stunden in eine Praxis. Wenn mein Auto plötzlich kaputt ist, dann muss ich auch mal ein paar Stunden oder gar Tage ohne Auto auskommen. Oder wenn ich zu Hause akut einen Techniker brauche, dann springt der auch nicht gleich um die Ecke.

Vielmehr noch. In allen anderen Bereichen des täglichen Lebens muss man für eine Notfallversorgung meist noch gehörige Zuschläge berappen. Ruf mal Sonntagabend den Schlüsseldienst an oder den Klempner, wenn das Klo verstopft ist. Aber wehe man soll mal ein paar Wochen auf den Arzt warten oder alternativ in Selbstzahlersprechstunden mal 100 Euro auf den Tisch legen. Dafür fährt der Schlüsseldienst nicht mal los.

Also irgendwo sollte man vielleicht auch mal die Relationen waren. Zumal es ja wie ich finde glücklicherweise auch in mehr Kliniken und Notaufnahmen mittlerweile ein Aussieben gibt, wo auch solche Pseudonotfallpatienten kategorisiert werden und dann auch mal stundenlang warten dürfen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich würde mich auch nicht als Notfall darstellen, wenn es keiner wäre. Wenn das jeder macht, bleiben die richtigen Notfälle sicherlich auf der Strecke. Ich hatte mal Beschwerden und sollte vom Hausarzt direkt zu einem Facharzt fahren. Das habe ich auch gemacht. Aber dort in der Praxis wurde ich dann richtig angemacht, warum denn nicht vorher angerufen wurden und das ich doch nicht einfach vorbei kommen könnte. Da war ich dann auch zum ersten und letzten Mal.

Ich hätte kein gutes Gefühl, wenn ich etwas als Notfall schildere, was keiner ist. Bei manchen Beschwerden kann man sicherlich auch gar keinen Notfall draus machen. Vor allem muss man sich dich blöd vorkommen, wenn man dann in die Praxis kommt und erklären muss, wo denn genau der Notfall sein soll.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Erstens kann ich mir nicht vorstellen, dass das wirklich funktioniert einen Notfall "vorzuspielen" und das eben glaubhaft und so, dass man schneller drankommen würden. Das Personal ist doch eigentlich entsprechend geschult, dass die das doch erkennen müssten.

Zweitens, selbst wenn es durch Glück oder Zufall doch klappen sollte, könnte ich damit nicht leben. Denn in der Zeit, wo man sich um mich (eindeutig keinem Notfall) kümmern, kann das Personal nicht für einen echten Notfall da sein und das überlebt die andere Person vielleicht nicht unbedingt und das finde ich schon traurig und würde das nicht verantworten wollen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich kann es mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass das immer wieder so funktioniert, dass man einen Notfall vorspielt, wo keiner ist. Gerade dann, wenn man das beim Hausarzt so macht, dann wird das das Vertrauensverhältnis sicher nicht stärken, wenn man das macht und der Arzt dann das Gefühl hat, dass man ihm den Notfall nur vorspielt.

Außerdem muss ich auch sagen, dass ich in einem solchen Fall ein total schlechtes Gewissen hätte, wenn ich nur so tun würde, als wäre mein Termin dringend und andere Menschen müssen dann warten, bei denen es wirklich ein Notfall ist, wegen dem sie zum Arzt gegangen sind. Das kann es doch nicht sein und darum würde ich das auch sicher nicht so machen.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Täubchen hat geschrieben:Denn in der Zeit, wo man sich um mich (eindeutig keinem Notfall) kümmern, kann das Personal nicht für einen echten Notfall da sein und das überlebt die andere Person vielleicht nicht unbedingt und das finde ich schon traurig und würde das nicht verantworten wollen.

So funktioniert das aber eigentlich nicht. Ich lag schon in der Notaufnahme als echter Notfall mit Pneumothorax und musste relativ lange auf einen Arzt warten. Ich hing an der Überwachung und da meine Werte stabil waren, war das Unfallopfer mit der gequetschten Lunge wichtiger. Wahrscheinlich haben sie in der Notaufnahme auch keine Skrupel einen Facharzt mitten aus einer Untersuchung zu holen wenn ein Notfall, der akuter ist, rein kommt.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Cloudy24 hat geschrieben: Wahrscheinlich haben sie in der Notaufnahme auch keine Skrupel einen Facharzt mitten aus einer Untersuchung zu holen wenn ein Notfall, der akuter ist, rein kommt.

Nein hat man auch absolut nicht. Warum sollte ich mir einen geprellten Zeh von vor 5 Tagen anschauen und fertig behandeln, wenn gerade ein Polytrauma in die Notaufnahme kommt? Bei diesen eindeutigen Fällen, stellt sich weder die Frage, noch ist es da ein Problem die Prioritäten richtig zu setzen.

Das Dilemma ist ja, dass man diese echten Notfälle erst einmal erkennen muss. Wenn der Notarzt mit einem Herzinfarkt oder einem beatmeten Patienten, den er gerade aus dem Auto gezogen hat, nachdem es sich bei 150km/h viermal überschlagen hat, kommt ist alles einfach. Da weiß man die Patienten schon richtig einzuschätzen. Problematisch sind dagegen die, die von alleine kommen und nicht einmal wissen, dass sie gerade ein Notfall sind.

Da gibt es die stummen Herzinfarkte, den nicht eindeutigen Schlaganfall, die Bauchschmerzen, die sich als Aortendissektion herausstellen, den Schmerz hinterm Schulterblatt, der eigentlich ein riesiger Spontanpneumothorax ist, der Kopfschmerz durch ein gerade rupturiertes Aneurysma im Gehirn entstanden ist. All diese Leute können auch mal von ganz allein zu Fuß kommen, aber bei falscher Triagierung im Wartezimmer kollabieren und unter Umständen ihr Leben verlieren oder zumindest schwere Folgeschäden davon tragen, weil sie zu spät angeguckt und behandelt wurden.

Um sowas zu erkennen braucht man etwas Zeit, schon allein um die Patienten überhaupt richtig einzusortieren und sie eben am besten trotz vermeintlich einfacher Symptome nicht lange warten zu lassen. Genauso braucht auch der Arzt für diese Patienten etwas Zeit um eben herauszufinden, dass es den vermeintlich guten Patienten doch viel schlechter geht, als es den Eindruck macht. Um genau diese Patientengruppe muss man sich am meisten Sorgen machen.

Wer mit dem Rettungsdienst oder sogar Notarzt kommt, der hat meistens schon irgendeine Art Erstversorgung bekommen, viel wichtiger aber, bei diesem Patienten hatten Retter und Notarzt auf dem Transport genug Zeit in hinsichtlich seiner Erkrankungsschwere und Behandlungsdringlichkeit einzuschätzen.

Und bei der Einschätzung geht es jetzt nicht darum, was ist ein Notfall und was nicht, sondern einzig und allein erstmal darum, wie lange kann auch der Notfall erstmal unbehandelt liegen bleiben ohne dass zusätzlicher Schaden entsteht. So kann eben auch der Pneumothorax mal 2 Stunden liegen oder er muss eben auch mal ganz dringend notentlastet werden.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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