Bei Gesichtsblindheit eigene Mutter nicht wiedererkennen?

vom 01.04.2017, 16:03 Uhr

Eine Freundin von mir leidet seitdem sie denken kann an der sogenannten Gesichtsblindheit, einer Krankheit, bei der es ihr schwer fällt, Menschen wieder zu erkennen.

Erst vor einigen Tagen klärte sie mich darüber auf und erzählte mir ihr Leiden. So sagt sie auch, dass es ihr manchmal sogar schwer falle, ihre eigene Mutter wieder zu erkennen, da diese auf sie in manchen Situationen fremd und wie ausgetauscht wirke. Das finde ich doch schon ziemlich extrem. Ich glaube mittlerweile, dass es von ihr als Scherz gemeint war, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass man den Menschen, der von Kindesbeinen an um einen herum ist, nicht mehr wiedererkennen kann.

Haltet ihr es für logisch, dass man bei Gesichtsblindheit seine eigenen Familienmitglieder nicht mehr wiedererkennt?

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich möchte dich nicht beleidigen, aber wieso sollte sie damit einen Scherz machen? Das wäre doch bescheuert. Wenn sie Gesichtsblindheit hat, dann erkennt sie ihre Mutter an anderen Dingen, eben nicht am Gesicht, denn da kann sie Menschen nicht unterscheiden. Sie kann also beispielsweise jemand an einem Armband erkennen oder einer Frisur. Es ist sicherlich sehr schwer, wenn man die eigene Mutter erkennt und deswegen sollte man da keine Scherze machend das hat sie auch nicht.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Warum sollte das ein Scherz sein? Da verhält sich die eigene Familie auch nicht anders wie ein Freund oder ein Bekannter. Man macht diesen an anderen Dingen aus als am Gesicht, denn auch so behelfen sich diese Menschen mit ihrem Makel umzugehen. Solch eine Kollegin hatte ich auch, und sie hat z.B. viele an den Haaren oder am Geruch erkannt, oder auch alleine die Stimme. Da brauchte man kein Gesicht dazu zu sehen. Anders hat sich das bei ihrer eigenen Familie auch nicht verhalten.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Die Frage ist hier also mehr oder weniger: Glaubt man an Gesichtsblindheit als Krankheit oder nicht? Ich kenne niemanden mit Gesichtsblindheit, aber ich kenne auch niemanden, der "einfach so" blind ist, und an der Existenz dieser Beeinträchtigung zweifelt ja auch niemand. Deshalb kann ich mir auch vorstellen, dass man, wenn man ganz extrem betroffen ist, auch die eigene Mutter oder den Partner nicht am Gesicht erkennt. Und das ist bestimmt nicht lustig, da Gesichter eine wichtige Rolle für unser Sozialverhalten spielen.

Ich selber kann mir Gesichter auch nur ganz schwer merken und muss mich tatsächlich aktiv konzentrieren, um beispielsweise meine Schwester oder meinen Partner in einer Menschenmenge nicht zu verlieren bzw. aus der Masse heraus sofort zu identifizieren. Schwester hin oder her, sie ist dennoch eine durchschnittliche Mitteleuropäerin um die 30 mit halblangen Haaren, Jeans und T-Shirt. Da muss ich schon genauer hinschauen. Und wenn dann noch eine Wahrnehmungsstörung dazukommt, finde ich es so absurd nicht, dass manche Leute gar keine Gesichter erkennen können.

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Ich selber kann mir Gesichter auch nur ganz schwer merken und muss mich tatsächlich aktiv konzentrieren, um beispielsweise meine Schwester oder meinen Partner in einer Menschenmenge nicht zu verlieren bzw. aus der Masse heraus sofort zu identifizieren.

Eine Menschenmenge ist noch einmal etwas anderes in meinen Augen. Denn wenn man dann noch das Pech hat, eher "durchschnittlich" auszusehen und drumherum stehen alle möglichen Leute mit ähnlicher Größe, Figur und Haarfarbe und man ist dann noch etwas weiter weg, dass man Details wie Grübchen, Augenfarbe oder Sommersprossen, Narben oder Muttermale nicht erkennen kann, ist es doch logisch und nachvollziehbar, dass man sich eben stärker konzentrieren muss.

Ich bin selbst gesichtsblind und ich fühle mich nicht irgendwie "krank" oder so. Meine Wahrnehmung ist einfach nur anders, sonst nichts. So habe ich teilweise auch Probleme, enge Angehörige immer zu erkennen. Meine Mutter zu erkennen ist gar nicht so schwer, da sie charakteristische Muttermale im Gesicht hat. Also selbst wenn sie einen mir nicht vertrauten Blick aufsetzt, erkenne ich sie trotzdem immer wieder. Problematisch wird es dann bei Gesichtern, die so nach "aller Welt" aussehen und die sich kaum durch besondere Merkmale von anderen abheben.

Ich bin zum Beispiel schon sehr viele Jahre mit meinem Partner zusammen, dennoch erkenne ich ihn eigentlich nur dadurch wieder, wie er auf mich reagiert. Er kriegt dann so einen ganz bestimmten Glanz in den Augen, wenn er mich sieht und durch die Art, wie jemand mich ansieht, weiß ich eben, dass ich diese Person kennen muss. Man sieht ja bekannte Menschen grundsätzlich anders an als wildfremde Menschen, die man kaum wahrnimmt und für die man praktisch blind ist.

Ich habe vor einiger Zeit ein Foto von meinem Partner gesehen, das für den Personalausweis aufgenommen worden ist und biometrisch ist. Auf diesem Bild erkenne ich meinen Partner überhaupt nicht wieder, weil der Blick so ganz anders ist als ich das eben kenne und die Merkmale im Gesicht ansonsten komplett gleich sind. Auf diesem Bild ist er für mich ein wildfremder Mensch, den ich noch nie gesehen habe, dabei wohnen wir schon viele Jahre zusammen und sehen uns tagtäglich.

Da merke ich dann besonders mein Handicap und dass ich eben Probleme habe, dieselbe Person immer zweifelsfrei identifizieren zu können. Ich kann das im Alltag aber sehr gut überspielen durch diverse Tricks und Kniffe und in der Regel merkt mein Umfeld auch nichts davon, wenn ich das nicht von vorne herein offen sage und darauf hinweise.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^