Bei Frust Alkohol brauchen, um runter zu kommen?

vom 12.07.2016, 23:31 Uhr

In meinem Freundeskreis fiel mir seit längeren auf, dass irgendwie manch einer eine seltene Art hat, mit Frust, Traurigkeit, Bosheit & Co umzugehen hat. Ich rede von Menschen,die ihren Kummer ertränken, obwohl sie guten Wissens sind, dass morgen alles beim alten sein wird, aber an dem Tag müssen sie den Kummer ertränken.

Beispiel 1: Person A hat einen geliebten Menschen verloren und die ganze Nacht nicht geschlafen. Um 12:00Uhr gehen wir an einem Kiosk vorbei, weil wir von den wichtigen Gängen wie Krankenhaus & Co nach Hause kamen und dann folgte der Satz "ich brauche jetzt ein kühles Bier".

Person A nahm sich dann vier Bierflaschen mit und zu Hause gab es ja noch Schnaps. An diesem Tag wurde dann ein altbekanntes Frustsaufen gestartet. Sowas tut Person A nicht immer, aber sehr häufig, wenn Dinge geschehen sind, die ihn stressen, traurig, sauer usw. machen.

Beispiel 2:Person B trinkt nicht regelmäßig, sondern auch nur dann, wenn sie sauer und gestresst ist. Auch nach der Arbeit kann dann durchaus mal eine Flasche Wein drauf gehen. Denn nach dem ersten Glas kommt die Aussage, ach das schmeckt heute aber gut und tut mir gut. Seelenbalsam.

Nun beobachte ich dieses Verhalten durchaus bei vielen Menschen. Sie sind aber offenbar nicht alkoholkrank, aber meine befreundete Psychologin sagt, dass solch ein Verhalten durchaus nahe des Alkoholmissbrauchs kommt, aber nicht mit einer Sucht vergleichbar ist.

Nun kenne ich auch aus der Jugend dieses Verhalten immer öfters. Ich sehe das sehr häufig und weiß selber, das ich das als Jugendliche auch gemacht habe. Kennt Ihr dieses Trinken aus Frust, Stress usw. um runter zu kommen und wie beurteilt ihr das?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich sehe so ein Verhalten eher kritisch. Mir ist durchaus bewusst, dass ein Missbrauch von Alkohol nicht automatisch zu einer Sucht führt, aber ich denke, dass es nicht mehr weit bis dahin ist, wenn man aus Frust und negativen Gefühlen damit anfängt. Dann müsste man ja theoretisch bei der nächsten Frust-Phase (zum Beispiel Beziehung vorbei, Auto schrott, gesundheitliche Probleme, Kündigung im Job) ja total am Ende sein und durch den Alkohol gar nicht mehr aus diesem Loch herauskommen.

Ich finde eher, dass man seine Energie in eine komplett andere Richtung lenken sollte als Alkohol, wenn man frustriert ist. Was einem am meisten hilft, sieht jeder Mensch anders und ist auch vom Individuum abhängig. Was mir am besten hilft, kann bei anderen schon kontraproduktiv sein, sodass ich da keine konkreten Hinweise geben möchte. Das muss man eben selbst herausfinden.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich beurteile so ein Verhalten auch kritisch und habe den Eindruck, dass sich durchaus etliche Leute ihr nicht mehr ganz kontrolliertes Trinkverhalten dadurch schönreden, dass sie nur deswegen jetzt ein Viertele Wodka auf ex brauchen, weil sie ja so frustriert oder traurig sind, und nicht etwa, weil ihnen sonst die Hände zittern. :wink:

Manchmal stellt man auch fest, dass die Ursachen, die für den emotionalen Ausnahmezustand, den man nur mit Alkohol überhaupt irgendwie bewältigen kann, in keinem Verhältnis zur Reaktion stehen. Wenn man beispielsweise schon eine Flasche Wein "braucht", nur weil man in der Arbeit arbeiten(!) musste oder auf dem Heimweg zehn Minuten lang Stau war, ist dies in meinen Augen kein unproblematischer Umgang mit Alkohol.

Persönlich bin ich sowieso der Meinung, dass ein nicht-süchtiger Mensch Alkohol zur Bewältigung von Gefühlen nicht "braucht". Ich habe auch schon enge Angehörige verloren und ihr könnt mir glauben, ein "kühles Bier" macht auch nichts besser, außer dass die Hemmschwelle sinkt, sich seinen Gefühlen hinzugeben und zu einer mitleiderregenden Pfütze zu zerfließen. Früher oder später muss man seine Gefühle verarbeiten, und dabei kann Alkohol einem nicht helfen. Sich etwas anderes einzureden ist Selbstbetrug.

Ich selber trinke vielleicht einmal im Quartal einen Cider nach Feierabend. Mir ist also die entspannende Wirkung von Alkohol durchaus vertraut, und ich verurteile auch niemanden, der hin und wieder ein Glas Wein trinkt, um etwa einem aufreibenden Tag einen versöhnlichen Abschluss zu geben. Man kann nicht immer Yoga machen.

Aber gezielt Gefühle weg zu trinken habe ich noch nie versucht und halte "Frustsaufen" auch weder gesundheitlich für ratsam noch für eine seelisch reife Art, Emotionen zu verarbeiten. In meinen Augen muss man somit kein körperlich abhängiger Voll-Alkoholiker sein, um ein Problem im Umgang mit Alkohol zu haben.

» Gerbera » Beiträge: 11317 » Talkpoints: 49,13 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich trinke seit 1,5 Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr und ich habe gemerkt, dass das auch nichts ist, was man braucht. Ich meine ich war schwanger und hatte auch nicht das Verlangen danach etwas zu trinken, aber selbst bei Gelegenheiten, in denen ich mal etwas getrunken habe, hatte ich nicht das Verlangen danach, auch nach der Geburt nicht mehr.

Ich finde es schon sehr bedenklich, wenn man aus dem Stress heraus Alkohol trinkt und für mich hat das dann auch schon Suchtcharakter, selbst wenn man nicht jeden Tag trinkt. Das sind alles so Dinge, die eine Sucht begünstigen und wenn man dann in einer schlechten Lebensphase ist, kann man durchaus auch süchtig werden.

Ich kenne durchaus einige Alkoholiker, die aber alle ihr Suchtverhalten mittlerweile im Griff haben. Das fängt oftmals mit dem Bier gegen Frust an und endet bei einer Wodkaflasche, Wein und Bier. Irgendwann entwickelt man dann eben immer mehr Suchtverhalten.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich kenne auch diverse Leute, bei denen so ein Verhalten nach und nach schleichend entgleist ist. Am Anfang ist das einfach nur ein ungutes Verhalten. Wenn das aber zur Gewohnheit wird, verlangt dann irgend wann der Körper bei jeglichem Gefühl des Unwohlseins nach Alkohol.

Dann trinken solche Menschen teils schon nach dem Aufstehen das erste Gläschen zum Aufmuntern, weil heute ist ja der Tag, an dem vor drei Jahren der Lieblingshund gestorben ist oder irgend ein anderer irrelevanter Grund findet sich als Rechtfertigung dann täglich. Und wenn der Alkohol erst mal dem Gehirn als Tröster angewöhnt wird, wird es schwieriger sich das abzugewöhnen.

Klar kann man nicht immer Yoga machen. Aber es gibt doch so viele Wege, Frust zu bewältigen. Spazieren gehen, ein gutes Buch lesen, Nägel lackieren, ein Vollbad nehmen, etwas basteln, singen, mit der besten Freundin telefonieren und und und. Ich denke schon, dass sich jeder bewusst machen sollte, dass er oder sie ein Risiko eingeht, wenn man Alkohol mehr und mehr als Tröster zulässt. Es gibt im Leben so viele Anlässe für Frust, dass die Leber das irgendwann nicht mehr aushält.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich kenne auch diverse Leute, die sich irgendwelchen Konsumgütern bedienen, wenn sie Stress haben und runterkommen wollen. Dies ist absolut ungesund und zeugt davon, dass man kein gesundes Verhalten und keinen gesunden Umgang mit Stress hat. Wenn dies so wäre, dann würde man so klarkommen und müsste nicht zu Alkohol oder Drogen oder Zigaretten greifen.

In meinem Freundeskreis ist es eher so, dass dann zur Zigarette gegriffen wird. Alkohol ist da eher untypisch, wahrscheinlich auch, weil man danach nicht mehr Auto fahren kann etc, mit einer Zigarette allerdings schon noch (die kann man ja sogar noch während des Fahrens konsumieren :wall: ).

Ich selbst neige dazu zu essen, wenn es mir schlecht geht. Auch dies ist keine gute Lösung, weil es auf Dauer zu Übergewicht führt, wovon ich schon reichlich habe, aber ich habe bisher noch keine Alternative dazu gefunden, was sehr schade ist.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich denke, dass das ganz viele machen, gerade Männer. Schon öfters habe ich von anderen gehört, dass sie das Feierabendbier zum Entspannen brauchen oder eben bei Frust auch trinken. Diese Menschen sehen sich meistens nicht als Alkoholiker. Ich denke auch, dass das nicht unbedingt eine Sucht ist, denn insofern man das nicht jeden Tag macht und keine Entzugssymptome ohne Alkohol hat, kann man ja strenggenommen nicht von einer Sucht sprechen.

Aber gesund ist es natürlich dennoch nicht. Nur was will man machen? Wie kann man das jemandem abgewöhnen? Da fehlen wirklich andere Strategien zur Problemlösung. Und wenn die jemand nicht besitzt, kann er die dann wirklich lernen? Vielleicht sind manche Menschen einfach generell nicht in der Lage, Stress angemessen zu bewältigen, weil die sich dann immer gleich überfordert fühlen?

Man könnte ja sagen, dass man demjenigen beisteht. Aber man kann auch nicht immer da sein. Man müsste ja für jemanden, der zu so einem Verhalten neigt, ständig erreichbar sein, damit der sich bei Stress aussprechen kann anstatt zu trinken. Aber das ist gar nicht machbar.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich kann solch ein Verhalten gar nicht nachvollziehen und verstehe auch niemanden, der mir erzählen möchte das man durch ein Bier oder einen Wein hinterher weniger Stress hat und einfacher runter kommen kann. Denn der Genuss von Alkohol beflügelt erst einmal das komplette Kreislaufsystem, Puls und Blutdruck steigen hat. Von runter kommen hat man da rein gar nichts, erst wenn die Nachwirkungen und Nebenwirkungen eintreten, dann kann man davon sprechen.

Alkohol senkt nach einer ersten Steigerung den Blutzucker um einiges, damit gehen auch Blutdruck und Puls nach unten. Zeitgleich dämpft es verschiedene Rezeptoren im Gehirn die auch für Emotionen notwendig sind. Damit ist es aber mit einem Bier nicht getan, damit man diese Wirkung erreicht als gewohnter Trinker wird es immer mehr. Und schon steckt man mitten drinnen und kann nicht mehr aufhören, da sich das ganze natürlich auch manifestiert und der Körper danach schreit, wenn die letzte Pulle zu lange her ist.

Ich selbst kann das aus meiner Sicht nicht beurteilen, da ich seit über einem Jahrzehnt keinen Alkohol trinke. In meinem Leben hatte ich genau einmal einen Vollrausch und das hat mir gereicht um mich hinterher komplett vom Alkohol fern zu halten. Denn ich mag keinen Verlust der Kontrolle und genau das ist in diesem Moment mit mir geschehen. Ich habe das für mich Analysiert, durchdacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich keinen Alkohol brauche. Egal in welcher Situation ich bin, der Griff zur Flasche steht jedenfalls nicht an erster Stelle. Um runter zu kommen habe ich meine eigenen Mittel und Techniken die aber nicht mit einem Kontrollverlust einhergehen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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