Ausbildung für Hauptschüler anspruchslos finden?
Ein Bekannter von mir hat die These aufgestellt, dass der Anspruch und das Niveau einer Ausbildung von dem geforderten Schulabschluss abhängig wären. Da für eine Arzthelferin beispielsweise meist nur ein Hauptschulabschluss verlangt würde, wäre seiner Ansicht nach ein Abiturient mit dieser Ausbildung endlos unterfordert und würde sich chronisch langweilen.
Meint ihr, mein Bekannter hat in diesem Sinne recht? Oder ist das zu einfach gedacht? Ist das nicht eher eine Typfrage und vom Charakter abhängig? Eine Arzthelferin arbeitet ja auch viel praktisch zum Beispiel, durch Blutabnehmen, Urinproben analysieren und dergleichen. Es kann doch auch sein, dass ein eher praktisch veranlagter Mensch sich da wohlfühlt oder seht ihr das anders? Kann man in dieser Hinsicht pauschalisieren?
Ich finde das definitiv zu einfach gedacht. Nicht jeder Abiturient will am Ende unbedingt studieren oder hat hoch ambitionierte Ziele. Natürlich bietet sich das an, aber ob man auf das Gymnasium will, muss man relativ früh entscheiden und bis man fertig ist, können sich Pläne wieder geändert haben.
Ich bezweifel, dass der Beruf einer Arzthelferin anspruchslos ist und das jemand mit höherer Schulbildung darin keine Herausforderung sieht. Eine bekannte wollte Lehrerin werden und hat nach weniger als einem halben Jahr das Studium geschmissen, nachdem sie keine guten Fortschritte machte. Mittlerweile arbeitet sie seit zwei Jahren selbst in einer Arztpraxis und der Beruf gefällt ihr.
Ich denke schon, dass man sich als Abiturient bei vielen Ausbildungsberufen unterfordert fühlt. Der geforderte Bildungsabschluss zeigt deutlich auf, wie viel Eigenleistung da von einem erwartet wird. Eine Arzthelferin muss im Grunde ja nicht selbst denken. Meist wird ja nur ein Stäbchen in den Urin gehalten und das Ergebnis für den Arzt notiert. Sie macht Termine aus und nimmt Blut ab. Da hört es doch meist auch schon auf.
Je höher der verlangte Bildungsabschluss, desto fordernder ist auch der Job. Man erwartet mehr Eigenleistung, mehr Denkvermögen. Von einem Hauptschüler würde ich nicht zwingend erwarten, dass er sich in neue und komplexe Themenbereiche einarbeiten kann. Solche Menschen setzt man eher für Aufgaben ein, die immer den selben, sich wiederholenden Ablauf haben.
Ich würde auch nicht auf die Idee kommen, dass Hauptschüler mehr für praktische Arbeiten geeignet sind, als andere Menschen. Als Chemiker musst du auch Abitur machen und studieren. Je nachdem welchen Job du später wählst, stehst du auch nach dem Studium noch lange im Labor und arbeitest viel praktisch. Aber es ist eben nicht immer der gleiche simple Ablauf, wie das bei einer Arzthelferin der Fall ist.
Ich habe ja nun eine Ausbildung gemacht, bevor ich studiert habe. Und dazu wäre auch nur ein Hauptschulabschluss nötig gewesen. Aber wie die Arbeit dann ist, das hängt bei solchen Berufen stark vom jeweiligen betrieb ab. Das einzige, was tatsächlich zutrifft, der Unterricht in der Berufsschule ist in einigen Fächern öde.
Ich fand Mathe (eher kaufmännisches Rechnen) und SoWi ziemlich öde. Bei Rechnungswesen, Fachkunde, Labor und so weiter sah es mit den Anforderungen schon ganz anders aus. Meine Klasse bestand zur Hälfte aus Hauptschülern und Gymnasiasten. In den bereichen haben die meisten Hauptschüler echt geschwitzt und die Abiturienten hatten gut zu tun.
Dann wären da noch die Unterschiede im Betrieb. Einige mussten sozusagen nur putzen, die Anmeldung machen und assistieren. DAS ist auf Dauer ziemlich öde. Das sah bei mir im Betrieb ganz anders aus. Das gesamte Klinikmanagement lag in der Hand der Helferinnen. Terminplanung incl. Vortragsreisen, doppelte Buchführung, Mahnwesen, sämtliche Bestellungen, Labor. OP, die Bearbeitung von laufenden Studien, die Versorgung stationärer Tiere und noch einiges mehr musste komplett eigenverantwortlich geleistet werden. Der Chef erwartete, dass der Laden läuft.
Ich war in dem Jahr Nummer 7 auf dem Ausbildungsplatz. Überlebt haben da in den ganzen Jahren fast nur Abiturienten. Denn die Aufgaben waren eigentlich zu viel für das knappe Personal und du hast komplett eigene Bereiche gehabt, für die du allein verantwortlich bist. Noch innerhalb der Probezeit hatte ich beispielsweise das gesamte Labor allein. Und das leistete erheblich mehr, als die typischen Labore in kleinen Praxen. Bei meinem Lieblingstierarzt dagegen hätte ich nie angefangen. Der ist supernett und man hat wenig Stress, aber man ist oft auch nur als Dekoration da.
@Crispin: Toll, was du wieder für Vorurteile hast. Nur weil du dir einen Job so leicht vorstellst, ist er nicht unbedingt so einfach.
Crispin hat geschrieben:Ich denke schon, dass man sich als Abiturient bei vielen Ausbildungsberufen unterfordert fühlt. Der geforderte Bildungsabschluss zeigt deutlich auf, wie viel Eigenleistung da von einem erwartet wird.
Woran willst du da die Eigenleistung festmachen? Abitur ist auch nur das vorgekaute was man dann auf verlangen wieder bricht, ist im Endeffekt auch nichts anderes wie ein Hauptschulabschluss. Und es gibt genug mit Abitur die bei den Berufen die nur einen Hauptschulabschluss fordern versagen. Oder versagen diese deiner Meinung nach nur, weil diese so unterfordert sind?
Abitur ist auch nicht gleich Abitur. Ich kenne die Prüfungen aus Bayern die wir als Übung bekommen haben für die Vorbereitung auf die Mittlere Reife. Die aus Bayern hast du damit nicht geschafft, dagegen die anderen Bundesländer (mit Ausnahme von Bayern noch Baden Württemberg) waren alle so lächerlich, dass man die Abiturprüfung mit dem Wissen der 8. Klasse Realschule locker bestanden hat, wenn man in Bayern auf die Schule gegangen ist. Ein Witz darunter sind Abiturprüfungen aus Thüringen, Sachen und Sachsen Anhalt, wer da durch fällt oder meint etwas besseres zu sein als ein Realschüler bzw. Hauptschüler, da kann ich nur lachen. Aber diese sind dann unterfordert mit einem einfachen Beruf wie Arzthelferin?
So ich habe ein Praktikum bei einem Konditor gemacht vor gut 15 Jahren. Dieser hat nur Azubis mit Abitur eingestellt. Was meinst du wie viele von den 3 Azubis dort in der Lage waren das Rezept auf eine größere Menge korrekt und ohne Taschenrechner zu rechnen? Keiner von denen. Die einfachsten Dinge haben diese nicht geschissen bekommen in der Theorie schon nicht, von der Praxis mal zu schweigen. Welcher Depp kommt auf die Idee, dass man ein Backblech was aus einem 300 Grad Ofen kommt ohne Handschuhe anfassen kann? Physik nicht aufgepasst kann ich nur sagen und keine Lebenserfahrung. Von diesen drein ist nicht einer zur Gesellenprüfung angetreten, er hat sich von allen vorher getrennt da sie zu dumm für den Job waren. Mit Unterforderung hat das nichts zu tun und Eigenleistung auch nicht vorhanden, ansonsten hätten die werten Herrschaften ihren Hintern hingesetzt und das addieren und multiplizieren Nachmittags geübt oder sich zumindest mal belesen, wie man ein Blech aus dem Ofen holt.
Vorurteile sind super und es gibt genug mit Abitur, die zu blöd sind für ihr Studium und sich dort durchmogeln und alles andere als super abschließen. Da muss man nicht lange suchen sondern muss sich nur mal umsehen. Medizin ist ein einfaches Studium wenn man in der Lage ist auswendig zu lernen und auf verlangen die Begriffe zu kotzen. Was hat das mit Eigenleistung, Eignung und Verständnis zu tun? Meinst du es ist ein super Arzt, weil er hinterher auf verlangen im Tiefschlaf dir die Lehrbuchmeinung kotzen kann aber sobald der Fall vom Standard abweicht, schreiend im Kreis rennt? Glaub mir, in meinen knapp 15 Jahren Rettungsdienst habe ich jede Woche mindestens einen solchen Dr. Med. getroffen, Tendenz stark Zunehmend.
Apotheker? Da muss ich nicht weit gucken sondern nur zu meiner Schwiegermutter. Meine Schwiegermutter hat Pharmazie studiert, ewig und wurde nicht fertig. Die Prüfung hat sie nach eigener Aussage nur bestanden, weil sie zugesichert hat nie eine eigene Apotheke zu eröffnen und jede Fortbildung besucht bis an ihr Lebensende. Beraten kann sie dich super zu jedem Furz den die Apotheke im Bereich Kosmetik vertreibt, dazu noch in den 0815 Medikamenten die man jedem 2. Verkauft. Wird es spezieller oder jemand fragt mehr nach, dann kommt da rein gar nichts und rennt dann lieber zu ihren PTA die das ihr erklären, damit sie dann stille Post zum Kunden macht oder schickt die PTA direkt zum Kunden und steht doof daneben. Voll geeignet, auch ein Studium was auf dem puren Auswendig lernen basiert.
Brauchst du noch weitere Beispiele? Studieren ist nicht gleich studieren und das auswendig lernen von etwas und eine Arbeit schreiben die man in den meisten Teilen von anderen Quellen abschreiben kann und seinen eigenen Hirnfurz dazu ablässt, dass macht einen nicht besser geeignet und Qualifizierter als jemanden, der sein Thema verstanden hat und auch beherrscht in jeder Lebenslage nicht nur aus dem Lehrbuch, aber eben nur eine Ausbildung mit einem geforderten Hauptschulabschluss ist.
Achja, gestern habe ich einem Steuerberater seinen Job erklärt, der auch geprahlt hat wie toll es war als er den gehobenen Dienst vom Finanzamt studiert hat aber dann umgeschwenkt ist. Scheint so erfolgreich gewesen zu sein, dass er nicht mal §3 des Steuerberatergesetzes kennt, was regelt wer hier beraten darf und wer nicht. Wusste er nicht, studierter Fachidiot wie 80% aller derer, die studiert haben und meinen die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben und dabei die Nase so hoch tragen wie du. Ich weiß warum ich in meinem Unternehmen lieber jemand einstelle, der den Umweg über Ausbildung, Berufserfahrung und dann erst Studium gegangen ist - diese haben fachlich, praktisch und theoretisch mehr auf der Pfanne, als ein Vollzeitstudent der auf seinem Schimmel daher kommt.
Das klingt so als würde man jedem Menschen mit einer Ausbildung unterstellen dämlich zu sein. Natürlich ist eine Ausbildung kein Studium, aber dennoch hat es seine Berechtigung und wenn man sich in seinem Job anstrengt und sich weiterbildet, dann wird man auch eine gewisse Anstrengung haben.
Ob ein Abiturient unterfordert ist mag ich zu bezweifeln, denn dieser hat das vorher auch nicht gelernt und macht es zum ersten Mal. Da wird man auch nicht perfekt sein, aber vielleicht fällt es einem leichter, weil man gewisse Vorkenntnisse schon hat.
Letztendlich ist aber fast jede Ausbildung auch für Hauptschüler geeignet und man muss dies ja auch so auslegen, da ein Hauptschüler sonst keine Arbeit annehmen könnte und dennoch heißt das ja nicht, dass das alles anspruchslos wäre und man das mit entsprechender Bildung alles sofort bestehen könnte.
Hier spricht doch nur die unverfälschte Arroganz eines überbehüteten Wohlstandsbalgs. Natürlich sind die Leute unterschiedlich begabt und nicht jeder kann Caesar übersetzen, ebensowenig wie jeder einen Nagel in die Wand schlagen kann. Aber der Schulabschluss hängt meines Erachtens sowieso weniger von der Intelligenz als von der sozialen Schicht und Herkunft der Eltern ab.
Man kann noch so ein cleveres Kerlchen sein, wenn man nur in eine Brennpunktschule gehen kann, die Eltern selber kaum lesen und schreiben können und die ganzen Fördermöglichkeiten vom Bücherregal im Kinderzimmer über den Zugang zum Internet bis hin zu Musik, Sport und Kultur einfach nicht stattfinden, nützt dir dein cleveres Köpfchen wenig. Ebenso sind mir schon etliche höhere Söhne und Töchter begegnet, die nur sehr trübe Leuchten waren, aber man kann so ein Abitur und einen entsprechenden Abschluss durchaus kaufen. Entweder direkt oder über irgendein Schweizer Mädchenpensionat, wo man nicht reinkommt, weil man so klug ist.
Von daher wäre ich mit dem Urteil "anspruchslos" eher vorsichtig. Unabhängig von "Urinproben" läuft es sprichwörtlich darauf hinaus, dass Menschen unterschiedliche Begabungen haben und die Unterteilung in "wertvolle" und weniger wertvolle Tätigkeiten bestenfalls kulturell bedingt ist. Wie sonst kann es sein, dass junge Männer mit Ballspielen Millionäre werden, während die Leute, die sich um die verletzlicheren Mitmenschen kümmern, sich finanziell gerade so über Wasser halten?
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