Auf Arbeit immer beschäftigt aussehen wollen?

Ich habe mich vor kurzem an ein Pflichtpraktikum erinnert, das ich als Schülerin habe absolvieren müssen. Das Praktikum an sich war schon ziemlich langweilig, weil eben nicht so viel zu tun war und als Schüler darf man natürlich auch nicht immer alles machen. Zwischendurch war eine Azubine für mich zuständig, wobei sie die Zeit eher genutzt hat, diese mit mir zu vertrödeln und zu quatschen statt zu arbeiten. Sie war dann aber auch so, dass sie ganz viele Programme auf dem Rechner geöffnet hatte und eben dafür gesorgt hat, dass der Bildschirmschoner nicht angeht, damit sie immer voll beschäftigt aussieht.

Auch später habe ich ab und an Menschen getroffen, die das ähnlich in ihren Bürojobs gehandhabt haben und die sehr darauf bedacht waren möglichst beschäftigt auszusehen, auch wenn sie gerade faul waren. Kennt ihr so ein Verhalten auch aus eurem Job? Wie handhabt ihr das? Könnt ihr nachvollziehen, dass man das macht? Welche Gründe sprechen für so ein Verhalten und welche dagegen?

Ich weiß ja nicht, wie andere Chefs und Kollegen so drauf sind, aber mir ist bisher noch kein Job untergekommen, in dem mit mildem Lächeln toleriert wurde, wenn die Mitarbeiter offensichtlich erkennbar gar nichts getan haben. Glücklicherweise hatten meine diversen Chefs und Chefinnen genügend Berufserfahrung und gesunden Menschenverstand, um zu verstehen, dass es auch Tage gibt, an denen man nicht die ganze Zeit rotieren muss, und wenn sich die Mitarbeiter 10 Minuten über das Wochenende unterhalten, ist das natürlich auch in Ordnung.

Aber man muss eben auch der Tatsache ins Auge sehen, dass nicht jeder Arbeitsplatz mit dem Aufenthalt in einer Tagesstätte für gelangweilte Erwachsene gleichzusetzen ist und manchmal der Tätigkeit, für die man bezahlt wird, der Vorrang zu geben ist vor Quatschen und am Handy herumdrücken. Deswegen sollte tunlichst nicht der Eindruck entstehen, man sei nur deswegen am Arbeitsplatz anwesend, weil das Fernsehprogramm untertags Mist ist.

Ich selber versuche daher die Waage zu halten zwischen "beschäftigt wirken" und "auch mal mit der Kaffeetasse ertappt werden". Chefs sind nämlich auch nicht blöd und merken genau, wer das fleißige Bienchen nur mimt, solange jemand Vorgesetztes in der Nähe ist und sofort den Hammer fallen lässt, wenn man ihn nicht aktiv in den Hintern tritt. Wenn man mal beschäftigt und mal etwas entspannter wirkt, entsteht im Idealfall der Eindruck einer ausreichenden Arbeitslast und der einer Mitarbeiterin, die sich die Zeit gut einteilen kann und stets den Überblick behält. Wenn man faul und gelangweilt wirkt, passiert es eher, dass man mit Zusatzarbeit überhäuft wird, und wenn man nur hektisch durch die Gegend brettert, wirkt man schnell unprofessionell und lächerlich.

In meiner Ausbildung gab es wieder Tage und Phasen in denen nichts zu tun war. Ich habe mir dann immer irgendwas gesucht, dass ich tun konnte, um die Zeiten eben irgendwie um zu bekommen. Ich habe dann meist etwas sortiert oder geputzt. Einfach nur herum stehen, wäre auch gegangen, aber das wird sicherlich nicht gerne gesehen.

Wir hätten dort kein Smartphone oder ähnliches nutzen dürfen, um uns dann anderweitig zu beschäftigen. Das wäre dann auch direkt aufgefallen. Auch Quatschen wäre so gar nicht möglich gewesen. Ich denke, dass es doch irgendwann heraus kommt, dass jemand nur so tut, als wäre er sehr beschäftigt und ist in Wirklichkeit nur faul.

Ich will nicht immer beschäftigt aussehen und glücklicherweise muss ich das auch nicht. Ich sitze auch manchmal nur am Straßenrand mit den Herren aus der Obdachlosenszene, Quatsche ein wenig usw. Mein Job wirkt auf den ersten Blick eh immer so, als habe ich viel Freizeit, lockere Umgangsformen draußen und mehr. Das dahinter trotzdem viel Leid, harte Arbeit um zu Helfen steckt usw. das sieht doch kaum jemand, weil offensichtlich der Beruf des Streetworkers als larifari gilt. Schade eigentlich, dass man es sich da so einfach macht.

Manchmal bekomme ich auch von meinen Ladys ein Sekt angeboten. Das ist jetzt nichts, was meine Chefin mir generell verbietet, aber nicht betrinken. Es geht eben darum, auch bei neuen Damen, die meine Hilfe ersuchen, das Eis zu brechen, locker zu wirken und nicht spießig wie vom Staat bestellt oder so. Ich sehe also weniger beschäftigt aus, wie andere und lache auch viel, gleichwohl es um Hilfe und Leid geht.

Doch das Leben hat auch in meinem Beruf viele Facetten, sodass ich entsprechend lustig bin, witzig, mal ernst, mal böse und schimpfend wirke etc. Wie es die Situationen eben benötigen und darauf achte ich dann am Ende natürlich. Ich schaue also nicht, dass ich einfach nur beschäftigt aussehe, weil das ist mir wahrlich egal. Ich achte darauf, dass ich meine Arbeit gewissenhaft und gut ausübe, wie ich dabei aussehe, ist letzten Endes scheiß egal.

Ich arbeite nicht in einem Büro, so dass ich das nicht machen kann, dass ich einfach ganz viele Programme am Rechner starte und trotzdem nichts damit mache. Ich hatte aber mal eine Kollegin, die immer den Eindruck machen wollte, dass sie beschäftigt und total fleißig ist. Sie stand immer vor dem PC und hat irgendetwas geklickt. Wenn man aber mal hinter ihr stand und sie das nicht bemerkt hat, dann sah man, dass sie eigentlich gar nichts gemacht hat.

Das hat natürlich auch mein Chef mitbekommen und er hat selber gesagt, wie blödsinnig er das findet. Wenn nichts zu tun ist, dann stehen wir bei uns auf der Arbeit auch schon mal einfach herum und unterhalten uns. Der Chef stellt sich dann auch gerne dazu und quatscht mit. Es ist doch auch dem Chef klar, dass nicht immer etwas zu tun ist und somit finde ich es auch blödsinnig, immer beschäftigt aussehen zu wollen.