Auch über negative Erfahrungen im Leben dankbar sein?

vom 27.11.2017, 09:50 Uhr

Sicherlich macht niemand besonders gerne negative Erfahrungen. Es ist natürlich schöner, wenn alles so läuft, wie man es sich vorstellt und man nicht mit unangenehmen oder sogar schmerzhaften Situationen konfrontiert wird. Allerdings sind negative Erfahrungen in gewisser Weise ja auch wichtig - man lernt daraus und kann letztendlich aus vielem auch etwas Positives ziehen.

Ich muss aber sagen, dass es mir trotzdem schwer fällt, dankbar über negative Erfahrungen zu sein, die ich gemacht habe. Das kann ich höchstens dann, wenn sie ganz eindeutig dazu geführt haben, dass mir etwas Besseres passiert ist - dass ich beispielsweise eine Absage irgendwo bekommen habe, nur um kurze Zeit später eine viel bessere Zusage von woanders zu bekommen. Könnt ihr über negative Erfahrungen im Leben dankbar sein?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Zuerst ist wohl niemand über eine negative Erfahrung dankbar. Wenn eine gewisse Zeit danach vergangen ist und man die Situation verarbeitet hat kann man vielleicht einen Nutzen daraus ziehen. Allerdings wird man ohne jeglichen positiven Aspekt auch über eine negative Situation nie dankbar sein können. Warum auch?

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich bin ein Mensch, der praktisch und effizient veranlagt ist und dementsprechend reagiert. Hinzu kommt, dass ich sehr viel nachdenke und laufend Situationen, Personen aber auch mich selbst analysiere, reflektiere und bewerte, um daraus einen Nutzen zu ziehen. So schaue ich immer, wo man etwas optimieren oder verbessern kann, gerade wenn es einem höheren Nutzen dient.

Daher machen mir Rückschläge überhaupt nichts aus. Ich hatte in diesem Jahr einen gewaltigen Rückschlag, aber das war mir so ziemlich egal. Ich klopfe dann direkt den Staub von der Kleidung, suche eine Hintertür und nehme Anlauf, um das Ziel doch noch zu erreichen.

Ich denke, dass vieles davon abhängt, mit welcher Einstellung man an die Sache rangeht. So hat mir meine Mutter schon beigebracht, dass alles zum Guten dient, egal was passiert. So habe ich gelernt, selbst negative Ereignisse sofort positiv aufzufassen und zu interpretieren. Eine derartige Erziehung und Einstellung der Eltern prägt das ganze Leben.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Leider habe ich sehr viele negative Erfahrungen in meinem Leben sammeln müssen und das schon zu meiner frühsten Kindheit. Ob ich für alles dankbar sein sollte? Das wage ich ausnahmsweise mal anzuzweifeln, weil ich es nicht für lehrreich empfinde, von einem Familienmitglied sexuell schwerst missbraucht zu werden. Das hat mir höchsten gelehrt, dass ich ich trotz familiärer Verwandtschaft nicht jedem trauen kann.

Was hat mich dieses Szenario, welches nur eines von vielen ist, sonst gelehrt? Vielleicht, dass man seinen Kindern oder Neffen/Nichten das glauben sollte, wenn sie es sagen, weil nicht ständig alles an den Haaren herbeigezogen ist. Ich habe meinen Patenkindern & Co immer gesagt, wenn etwas ist, dann meldet euch, ich werde euch glauben, auch wenn niemand anderes es tut. Gerade, was dieses Thema angeht!

Ansonsten kann ich nicht direkt dankbar für meine Kindheit sein! Auch nicht unmittelbar für meine Jugend. Nichts davon ist geil gewesen, außer die Zeit mit meinen Freunden & Co! Das war toll und all das Negative hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Was bin ich? Ein offener sehr ehrlicher und direkter Mensch. Egal, wem ich damit auf die Füße trete und ich bin eben nicht so blauäugig, wie etliche andere, die Milieu, Drogen, Junkies, Zuhälterei, Menschenhandel, Missbrauch in der Familie, Straftaten & Co nur aus dem TV kennen oder sich dann eine Meinung bilden.

Das ist vielleicht eines der wenigen Dinge, dass ich nicht so mit Scheuklappen durch die Welt laufe und glaube, ich bin gut behütet etc. und das ist alles weltfremd. Soll kein Angriff auf einige sein, aber ich sehe diese Vorverurteilungen in meinem privaten Umfeld aus allen Schichten immer wieder. Die Wahrheit will niemand kennen und wenn ich sie dann mal faktisch auf den Tisch knalle, ist das ja dann auch so ein Dingen.

Mich haben negative Erfahrungen zumindest geprägt. Alles. Mein Berufsfeld natürlich nochmals oben drauf und ich bin weniger der Mensch, der Leute vorverurteilt. Ich rede nicht von Menschen, die vergewaltigen oder sowas. Da gibt es auch bei mir Vorverurteilungen, weil da gibt es keine Ausreden für oder für Leute wie Marcel Heße, der den Jaden da brutal getötet hat und noch seinen guten Kumpel - so etwas ist was ganz anderes.

Doch all die anderen menschlichen Abgründe? Die kenne ich teilweise schon am eigenen Leib und habe genug in meiner Umgebung gesehen, um das positiv zu nutzen und einigen wenigen auch helfen zu können.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich kann mit dem Wort "dankbar" in diesem Kontext nichts anfangen. Ich würde mich jedenfalls nicht bei dem Ex-Freund bedanken, der mich verarscht hat, obwohl diese Erfahrung zu einer Trennung geführt hat, die schließlich dazu geführt hat, dass ich frei war, als mir mein Traummann begegnet ist.

Ich halte mich aber nicht lange mit negativen Erfahrungen auf und hake die meisten einfach als "wichtige Erfahrungen" ab. Oft braucht man ja auch einen gewissen Abstand um das Positive sehen zu können. Und mit noch mehr Abstand erkennt man auch irgendwann, das deine negative Erfahrungen zu dem gehören, was dich als Person ausmacht.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Lustigerweise sehe ich das genau so wie es Cloudy24 nicht sieht. Ich bin dankbar dafür, dass gewisse Dinge so gelaufen sind, da mir sonst andere Dinge, die ich jetzt habe, überhaupt nicht passiert wären. Alles im Leben hat seinen Grund und ich denke auch, dass ein gewisser Teil unsere Erfahrungen auch vorher bestimmt sind.

Also dass wir so einen großen Einfluss haben, wie er im Film "Butterfly Effekt" beschrieben wird, das nehme ich nicht an. Es steht natürlich jedem frei zu glauben, was er dazu meint, da die Dinge ja noch nicht gänzlich erforscht sind. Es gibt ja viele verschiedene Theorien zu Zufall und Vorherbestimmung.

Jedenfalls beruhige ich mich immer mit dem Gedanken, dass es einen Grund hat, wenn mir etwas negatives passiert. Außerdem kann ja, wenn alles positiv läuft nur noch negatives passieren. Und ich finde es langweilig, wenn immer alles glatt läuft. Ein wenig ein auf und ein ab im Leben möchte ich schon haben.

Es klingt für manche überhaupt nicht nachvollziehbar, aber ja, ich bin dankbar für die Dinge, die ich erleben durfte, auch wenn sie nicht immer einfach für mich waren und auch wenn mir die positiven Erfahrungen im Endeffekt besser gefallen haben. Aber es ist eben so, dass jeder das bekommt, was er verdient. Da glaube ich ganz fest daran, dass man auch ein Stück weit selber an seinem eigenen Schicksal Schuld hat.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Man sagt ja immer das man aus Fehlern lernen soll und dahingehend auch froh drum sein sollte. Bei mir klappt das aber auch nicht so recht, besonders nicht bei richtig doofen Fehlern. Mein Freund sagt mir beispielsweise immer ich soll den Schlüssel in der Tür stecken lassen, damit ich ihn beim rausgehen in der Hand habe und nicht in der Wohnung vergessen kann.

Das mache ich aber meist nicht. Nun habe ich mich neulich wirklich ausgesperrt und musste den Schlüsseldienst rufen. Mein Freund fand das lustig und meinte, ich würde schon daraus lernen. Ich ärgere mich nur über die Kosten die wir jetzt haben und habe nicht den Eindruck von irgendeinem Lerneffekt.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Meinst du nicht, dass du an die Episode mit dem Schlüsseldienst denkst bevor du die Tür hinter dir zuziehst? Mir ist das in meiner alten Mietwohnung nämlich auch mal passiert und seither schaue ich wirklich jedes Mal ob ich den Schlüssel auch dabei habe, obwohl ich für meine Haustür inzwischen mehrere Ersatzschlüssel deponiert habe, die ich bei Bedarf abholen oder bringen lassen könnte.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Mich überzeugen diese kitschigen Kalendergeschichtchen immer nicht wirklich, wenn sich Leute mehr oder weniger hinstellen und behaupten, dankbar für irgend etwas zu sein, was objektiv gesehen mindestens Arbeit und Ärger bis hin zu jahrelangem Kämpfen und Leiden gebracht hat. Solche Anekdoten kommen einfach besser an und lösen bei den Zuhörern wohligere Gefühle aus als wenn jemand ehrlich sagt: Multiple Sklerose ist Mist und sonst gar nichts!

Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, das dieses Gewäsch wirkliche Schicksalsschläge noch schwerer macht, weil man ja vermittelt bekommt, sogar "falsch" zu leiden. Wieso ärgerst du dich oder bist traurig? Sei doch dankbar, dass der Typ dich betrogen hat! Wer weiß, wozu die Gehbehinderung gut ist! Eine Bekannte hat auch Brustkrebs und die strahlt nur so vor Lebensfreude! Das setzt nur noch zusätzlich unter Druck und beweist, dass Empathie bei vielen Mitmenschen reine Glückssache ist.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


nordseekrabbe hat geschrieben:Aber es ist eben so, dass jeder das bekommt, was er verdient. Da glaube ich ganz fest daran, dass man auch ein Stück weit selber an seinem eigenen Schicksal Schuld hat.

Habe ich und meine Eltern es verdient und sind selber daran Schuld, dass meine kleine Schwester mit acht Jahren an Leukämie gestorben ist? Hat mein Neffe es verdient, dass er an MS erkrankt ist? Hat meine Mutter ihren Magenkrebs verdient? Haben es die Mädchen in Afghanistan verdient oder sind selber daran Schuld, dass sie unter den Taliban wahrscheinlich nicht mehr in die Schule gehen können und mit zwölf verheiratet werden? Hatten die Mütter früher Schuld, dass sie an Kindbettfieber gestorben sind? Solche Ansichten kann ich nicht nachvollziehen.

Klar gibt es negative Erfahrungen, die einen etwas lehren und aufgrund derer man spätere noch negativere Erfahrungen abwenden kann. Ich laufe keine Treppe mehr hinunter, um eine S-Bahn zu erwischen. Ich stolperte und stürzte, hatte aber Glück im Unglück. Ohne daraus zu lernen, hätte ich mir beim nächsten Mal vielleicht die Wirbelsäule gebrochen. Solche Erfahrungen, die letztendlich gut gegangen sind, sind vielleicht hilfreich. Trotzdem glaube ich nicht, dass ich den Treppensturz verdient habe. Schuld war ich vielleicht, aber nicht in dem Sinn, dass ich etwas Böses getan habe.

Ich könnte auf die meisten negativen Dinge in meinem Leben verzichten. Das Glück ist nicht gleich verteilt. Ich gehöre Gott sei Dank zu den Menschen, die bisher mehr Glück als Unglück hatten. Aber das erachte ich nicht als meinen Verdienst. Wenn ich vor zweihundert Jahren gelebt hätte, wäre ich bei der Geburt meines ersten Sohnes sicherlich gestorben. Ich glaube, dass es damals noch keine Saugglocken gab. Das wäre aber nicht abzuwenden gewesen und auch nicht meine Schuld.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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