Arbeitslose viel mehr gestresst als Menschen mit Job?

vom 11.01.2018, 10:06 Uhr

Die höchsten Stresswerte die wohl je ermittelt worden sind, sind bei Langzeitarbeitslosen gemessen worden. Mich hat das doch gewundert, da man doch eher davon ausgeht, dass Menschen mehr gestresst sind, die eine Arbeitsstelle haben. Da kommt eben der Arbeitsstress und vielleicht auch noch weiterer, wenn man sich mit dem Chef und den Kollegen nicht so gut versteht. Das ist für mich alles durchaus nachvollziehbar.

Bei Arbeitslosen denkt man ja oft, dass sie ein entspanntes Leben haben und morgens ausschlafen können und den Tag eben so gestalten können, wie sie möchten. Aber sicherlich ist es auch durchaus stressig, wenn man mit wenig Geld auskommen muss und oftmals keine richtige Tagesaufgabe hat. Könnt ihr nachvollziehen, dass Arbeitslose gestresster sind als Menschen mit Job? Meint ihr, dass da wirklich etwas dran ist? Habt ihr diese Erfahrung schon selbst gemacht? Wie erklärt ihr euch das?

Benutzeravatar

» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Es ist wirklich ein Phänomen für sich, aber entspricht der Wahrheit. Wenn man mit dem Job Center gemeinsam die Akten der Arbeitslosen sowie Langzeitarbeitslosen durchforsten würde, stellt man fest, wie viele psychisch bereits belastet sind. Das mag jemand mit einem Job nicht verstehen, weil man sich immer sehr naiv und erhaben denkt, die tun ja den ganzen Tag nichts, aber genau das ist häufig das Problem sowie gesellschaftliche und soziale Abgründe.

Jemand, der aus welchen Gründen auch immer, keinen Job kriegt, verliert in der Regel auf die Dauer einfach seinen geregelten Tagesablauf. Irgendwann fragen sich die Leute, wozu aufstehen, wenn keine Aufgabe? Haushalt? Kann man eben auch danach machen und so geht langsam ein Kreislauf zwischen Unmotiviertheit bei vielen los, Langeweile, nicht geregelt aufstehen, essen usw. Das ist schon einmal ein Problem an sich.

Andere wiederum verlieren durch den Geldmangel auch ihre sonst so geliebten Freizeitaktivitäten wie den Sportverein, mal ein Kinobesuch oder Fußballspiel dort. Das kann auch dazu führen, dass der soziale Alltag gestresst ist und die Personen noch mehr unter Druck setzt.

Dann nicht zu vergessen, dass die Gesellschaft es drauf hat, jedem Arbeitslosen immer eine gewisse Faulheit zu unterstellen oder mit Sprüchen kommt wie, wer Arbeit will, der findet. Und ganz aktuell kann ich das beneinen. Ich suche gerade seit 4 Wochen für einen Bekannten ( einen jungen Burschen ) einen Job! Keine besondere Richtung, sondern einfach nur etwas, wo er Kohle verdienen kann.

Bewerbungen bei Penny, REWE, Aldi, Technik Jobs etc. überall schon versucht und obwohl sie suchen, wurde er abgelehnt. Auch bei einem Postunternehmen, wo es darum ging für 450 Euro Post zu sortieren wurde er abgelehnt, weil mind. 2 Jahre Berufserfahrung. Es ist lächerlich und er fällt auch langsam in ein dauer gestressten Zustand sowie eine Art Lethargie. Wundert mich nicht!

Es ist durchaus aus vielen Gründen möglich, dass sich Arbeitslose auch selber stressen und dann durch viele Einwirkungen so wirken, als seien sie dauer gestresst und man versteht als Arbeiter nicht immer, wieso. Doch man muss da wirklich mal genauer auch die psychologische Ursache berücksichtigen.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Wie naiv muss man eigentlich sein, um zu glauben, dass Arbeitslosigkeit quasi mit einem Leben auf der faulen Haut gleichzusetzen ist? Ja, man kann bestimmt öfter "ausschlafen" - aber mal ganz ehrlich: Ist es wirklich so geil, gesellschaftlich ausgegrenzt, im Regelfall sackpleite und tagaus, tagein mit der Erkenntnis konfrontiert zu sein, dass alles, was man weiß und kann, im Endeffekt nicht das Schwarze unter dem Fingernagel wert ist, weil kein bezahlter Job dabei rausspringt, sondern vielleicht Beschäftigungsmaßnahmen aus Mitleid.

Ich habe schon den Stress der Arbeitslosigkeit und den der Berufstätigkeit erlebt, und ich muss sagen, dass ich erheblich besser damit zurecht komme, dass mich der Chef vielleicht mal anpampt oder der Zug Verspätung hat, solange ich weiß, wie ich meine Rechnungen bezahlen kann und dass ich genügend auf der hohen Kante habe, um auch mal ein paar Sonderzahlungen abfedern zu können. Außerdem kann ich nach Feierabend geistig den Hammer fallen lassen und am Wochenende und im Urlaub Dinge tun, die mir Spaß machen.

Arbeitslose kennen keinen Urlaub und kein Wochenende, auch wenn sie sich darum bemühen, weil der Stress immer latent im Hintergrund mitschwingt. Und jeder "frivol" augegebene Euro muss sorgfältig kalkuliert werden und verursacht ein schlechtes Gewissen. Außerdem ist es sauschwer und anstrengend, auch noch nach Monaten der erfolglosen Bemühungen immer noch die Hoffnung und die Motivation aufrecht zu halten und sich nicht der Resignation zu ergeben. Wenn das ein stressfreies Leben sein soll, weiß ich auch nicht weiter.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Stress ist subjektiv und hat mit Arbeit nur bedingt etwas zu tun. Schon mal was von Freizeitstress gehört? Oder, dass auch Unterforderung zu einer Art Burnout führen kann?

Außerdem musst du mal schauen, was für Leute dauerhaft arbeitslos sind. Wenn das Leute wären, die in der Lage wären ihren Tag selber zu strukturieren, sich selber Aufgaben zu suchen und das beste aus ihrer Situation zu machen wären die sehr wahrscheinlich nicht so lange arbeitslos.

Und du vergisst natürlich, dass arbeitslos sein nicht unbedingt bedeutet, dass man lang schlafen kann und in den Tag hinein leben kann. Alleinerziehende sind eine Gruppe, die auf dem Arbeitsmarkt nicht gerade gute Chancen hat und du kannst dir vielleicht vorstellen, dass Kinder in ärmlichen Verhältnissen groß ziehen nicht besonders entspannt ist.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Auch ich kann es bestätigen, dass es viel mehr Stress ist, wenn man keine Arbeit hat. Den geregelten Tagesablauf kann man sich selbst vorgeben, das ist nicht das Problem. Aber zum einen macht einem das Arbeitsamt bzw. die netten Leute vom Sozialamt das Leben unnötig schwer. Die Schikanen von dort sind keine Einzelfälle, sondern die Regel! Und ständig begleitet einen die Angst, welchen Brief von denen man heute im Briefkasten findet!

Um mal kurz ein paar Beispiele zu nennen: Nach dem Zusammenzug mit meinem Freund wurden wir nicht auf das normale Maß für eine Bedarfsgemeinschaft gekürzt, sondern zurückgestuft als erwachsene Kinder im elterlichen Haushalt. Anstatt dass jeder also einen Abzug von 10% hatte, hatte jeder gleich mal 20% weniger! Wir sind sofort wieder hin und durften uns vom Sachbearbeiter anhören, dass er recht hätte! Das sei so üblich und wir hätten nicht zu jammern! Der Widerspruch hatte letztendlich Erfolg, aber man hat erst einmal auf unbestimmte Zeit weniger Geld zur Verfügung.

Dazu kommt immer jede Menge Papierkram, den jede erdenkliche Stelle haben will wie etwa auch die Krankenkasse, Rentenversicherung etc. Und als Arbeitsloser hat man auch nicht mal eben einen Kopierer zu Hause und/oder kann sich mal für ein paar Euro die Bescheinigung XY vom Amt oder Arzt holen.

Dazu kommen immer noch blöde Bemerkungen von den Sachbearbeitern, wenn man irgendwelche Anträge stellt oder ihnen sagt, dass man die Bescheinigung nicht einfach so besorgen kann. Auch die stehen nämlich auf dem Standpunkt, dass man als Arbeitsloser nur faul ist und jede Menge Zeit und Geld hat! Und wenn keine Bemerkungen kommen, sind es zumindest die abschätzigen Blicke!

Der Befreiungsantrag von der Krankenkasse für die Zuzahlungen hört sich etwa auch erst einmal toll an - praktisch haben es einige Krankenkassen jedoch so geregelt, dass man den nicht bekommt, sondern sich erst am Ende des Jahres den überzahlten Betrag erstatten lassen kann. Dass man innerhalb des Jahres dann trotzdem kein Geld zum Leben hat, ist denen wurscht! Und wenn dann die Überzahlung erstattet wird, kommt erst einmal das Amt und kürzt den Regelsatz, weil man ja "Einnahmen" gehabt hätte! Also auch dagegen Widerspruch einlegen! Gleiches passiert, wenn man vom Stromanbieter etwas wieder bekommt.

Und so geht es weiter. Im Endeffekt dreht sich ständig alle Gedanken um Anträge, Widersprüche und das liebe Geld, wie man sich das am besten einteilt. Dazu kommen solche Diskussionen wie etwa um die CO2-Steuer. Hört sich erst einmal notwendig an. Doch wenn es dann wieder darum geht, dass es den Leuten ja erstattet wird über Steuern oder dergleichen, dann gucken Arbeitslose wie es scheint auch erst einmal in die Röhre, denn von den Erstattungen haben sie nichts, weil etwa keine Steuern bezahlt werden.

Genauso sind etwa Kindergelderhöhungen, um weniger arme Kinder zu haben, nicht zuende gedacht. Sind die Eltern arbeitslos, wird den Kindern das Kindergeld als Einnahme angerechnet und ihr Regelsatz insoweit gekürzt - die Kinder haben nach einer Erhöhung genauso wenig Geld wie vorher! Dafür darf man sich dann anhören, dass man doch nicht jammern soll und dem Kind nun auch mal was Gutes gönnen kann!

Im Endeffekt ist Arbeitslosigkeit ein riesiger Stress. Die Arbeitssuche ist ja auch kein Zuckerschlecken, dazu die immer wieder deprimierenden Erfahrungen. Und man kann es eben nicht auffangen durch einen schönen Urlaub oder mal einem entspannten Tag in irgendeinem Freizeitpark, Wellnesstempel oder auch nur Kino, denn dafür ist einfach kein Geld da!

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Nachvollziehen kann ich das nicht. Ich bin selber seit 5 Jahren ohne Job und habe jetzt viel weniger Stress als vorher im Beruf. Allerdings habe ich jetzt nicht weniger Geld, sogar noch etwas mehr und ich habe eben eine einschränkende Krankheit, wodurch die Arbeit für mich wahrscheinlich doppelt stressig war als für andere Menschen.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^