Angehende Ärztin macht sich über psychisch Erkrankte lustig?
Eine Bekannte, welche sich gerade im Medizinstudium befindet, hat mir heute von einem Praktikum erzählt, welche sie in einer psychiatrischen Klinik gemacht hat. Dabei hat sie sich regelrecht über die Patienten lustig gemacht. Sie seien ja alle “verrückt”, “komisch”, man müsse teilweise Angst haben, wenn man mit ihnen alleine in einem Raum ist, usw.
Ich war so schockiert über diese respektlosen, arroganten und (meiner Meinung nach) geschmacklosen Äußerungen, dass ich gar nicht wusste, was ich da nun am besten erwidere. Gerade als zukünftige Ärztin sollte man doch nicht so auf Menschen hinab blicken. Reagiere ich über, oder wie seht ihr das? Habt ihr schon ähnliche Erfahrungen gemacht?
Deine Empfindung verstehe und teile ich natürlich. Aber formal betrachtet sind ja auch einige der Patienten zu einem großen Teil im klassischen Sinn "verrückt" (psychotisch) und ohne Erfahrung tut man sicher erstmal gut daran, ein gewisses Maß an Respekt vor manchen Insassen einer psychiatrischen Station zu haben. Die akut Psychotischen, die Dementen oder Leute auf Entzug sitzen nicht immer nur friedlich in der Ecke und basteln an ihren Körbchen. Es kann immer mal vorkommen, dass jemand völlig ausrastet und auch aggressiv und gewalttätig wird, und sei es nur, dass ein Stuhl durch die Station fliegt. Wer so etwas vorher noch nie gesehen oder erlebt hat, der ist sicher erstmal emotional beeindruckt, weil es im klassischen Sinne "verrückt" ist.
Gerade wenn man jung und unerfahren ist und dazu noch vermutlich keinerlei Ambitionen hat, auf diesem Gebiet arbeiten zu wollen, muss man erstmal einen Umgang finden, auch wenn der sicher nicht so nett wirkt, das stimmt schon. Aber es ist nun wirklich bei weitem nicht so, dass jeder, der im medizinischen Feld arbeitet, sei es als Ärztin oder als Pfleger, auch von Natur aus durch und durch hilfsbereit und altruistisch ist. Die Motivationen, sich so einen Job zu erwählen, sind eben nicht immer hehr, da sitzt man einer Idealvorstellung auf.
Hinter den Kulissen, wenn die Türen zu und die Patienten außer Reichweite sind, wird auch mal vom Leder gezogen und nicht so nette Worte fallen. Bei manchen ist das sicher nur ein Kompensationsmechanismus, aber bei anderen steckt regelrechtes Burnout oder schlichte Menschenverachtung dahinter.
Von Bewältigungsstrategien scheinst du ja noch nichts gehört zu haben oder? Für mich persönlich ist es schon ein gewaltiger Unterschied, ob man sich vor den (in diesem Fall) Patienten respektlos verhält oder ob man nur eine derbe Form von Humor hat, um psychisch mit den erlebten Eindrücken klarzukommen. Es gibt auch genug Pathologen, die einen gewissen Galgenhumor entwickelt haben, weil sie psychisch sonst nur schwer mit den Inhalten ihres Berufs klarkommen würden. Was soll so falsch daran sein?
Ich kann Täubchens Meinung da nicht so ganz verstehen und finde es auch eher geschmacklos, wenn man so über Patienten spricht, gerade als angehende Ärztin. Man sollte da doch andere Mittel und Wege entwickeln, um mit dem Stress oder der Belastung klar zu kommen. Ich kenne keinen Arzt, der so schlecht über Patienten spricht oder sich gar lustig macht. Wenn sich das herum sprechen würde, hätte der Arzt dann sicherlich kaum noch Patienten.
Selbst wenn das eine Methode von Galgenhumor sein soll, finde ich das wirklich daneben. Egal welche Erkrankungen ein Mensch hat, sollte man sich nicht lustig machen. Immerhin leidet dieser vielleicht und schämt sich selbst vielleicht auch dafür. In meinen Augen ist das gerade für eine angehende Ärztin sehr respektlos.
Nelchen hat geschrieben:Ich kenne keinen Arzt, der so schlecht über Patienten spricht oder sich gar lustig macht.
Und wie viele Ärzte, Pfleger, Schwestern, Therapeuten und Sozialarbeiter kennst du privat und näher? Was glaubst du denn, wie viele Leute es gibt, die als medizinisches Personal auf nicht-psychiatrischen Stationen arbeiten und überhaupt nicht mit psychischen Erkrankungen, gerade aktiven Psychosen, umgehen können? Da gibt es dann vom hilflos-ängstlichen über den mitfühlenden bis zum bemüht-professionellen die ganze Bandbreite menschlichen Verhaltens, wenn es um schwere psychische Krankheiten geht. Natürlich machen die meisten sich nicht lustig, aber es kommt eben auch mal vor.
Nelchen hat geschrieben:Ich kenne keinen Arzt, der so schlecht über Patienten spricht oder sich gar lustig macht.
Wie viele Ärzte kennst du näher? Dir scheint nicht klar zu sein, dass das eher unter den Insidern so gehandhabt wird und in der Regel nicht so, dass das die Patienten mitbekommen können. Ich kenne sehr viele Mediziner und auch Medizinstudenten näher und habe engen Kontakt und je stärker die Belastung durch das Gesehene ist, desto eher neigt man zu Galgenhumor, damit man nicht durchdreht.
Dann muss ich ehrlich sagen, dass ich das Gefühl habe, dass du nicht viel medizinisches Personal persönlich kennst. Selbst als ich noch im medizinischen Bereich tätig war, war der Galgenhumor eine Bewältigungsstrategie. Auch heute, wenn ich freizeitmäßig unterwegs bin, kommt der Humor zum Einsatz. Natürlich zieht man nicht vorm Patienten vom Leder, aber im stillen Kämmerchen geht es dann doch mal derber zu.
Bei uns hießen Menschen, die durch einen Zug in ihre Bestandteile zerlegt wurden, zum Beispiel Gulasch. Das mindert aber nicht den Respekt dem Menschen gegenüber, sondern ist tatsächlich nur eine Möglichkeit mit dem Gesehenen klarzukommen. Ich habe mich am Anfang auch schwer getan, die Begriffe zu nutzen, aber sie schaffen tatsächlich eine Distanz, die unheimlich wichtig ist, um nicht selbst daran kaputt zu gehen.
Außenstehende verstehen den Humor oftmals nicht und betonen, dass er respektlos wäre. Aber dieser Galgenhumor ist teilweise sehr wichtig, um Distanz zwischen Patient und medizinischem Personal zu schaffen. Für mich hat jeder Mensch Respekt verdient, aber Selbstschutz ist auch notwendig. Aber es gibt für mich eine Regel: Niemals vor dem Patienten solche Sprüche ablassen. Der Patient ist in einer Notsituation, schämt sich, es geht ihm nicht gut. Da sind andere Maßnahmen wichtig. Was aber danach im Team abgelassen wird, ist was Anderes.
Wenn man professionell ist, dann bleiben solche Dinge eigentlich auf der Arbeit und man spricht im Privaten nicht drüber. Natürlich weiß man nie, was ein Arzt oder angehender Arzt in seinem Privatleben mit anderen bespricht. Aber wirklich professionell fände ich so ein Verhalten nicht. Ich würde das auch sagen, wenn jemand in meiner Gegenwart so respektlos redet und ich das nicht in Ordnung finde.
Es ist schon richtig, dass solche Äußerungen auch zur ärztlichen Schweigepflicht gehören, auch wenn sie allgemein gehalten sind. Eine angehende Medizinerin sollte dies wissen. Auch sollte sie neben dem medizinischen Wissen über ein gewisses Einfühlungsvermögen verfügen. Angst vor Patienten zu haben, ist schon einmal keine gute Voraussetzung eine Ärztin zu werden. Ich denke einfach, die Frau wollte sich ein bisschen wichtig machen und auch polarisieren.
Als zukünftige Ärztin sollte man meiner Meinung nach eine gewisse Sensibilität für die Belange und Probleme von Patienten haben, insbesondere wenn es um psychische Erkrankungen geht. Die Patienten in psychiatrischen Kliniken haben oft eine schwere Zeit durchgemacht und benötigen Unterstützung und Verständnis.
Ich finde es respektlos und unprofessionell, sich über diese Menschen lustig zu machen und sie abzuwerten. Als Ärztin sollte man mit Empathie und Mitgefühl vorgehen und den Patienten auf Augenhöhe begegnen. Auch wenn manche Verhaltensweisen oder Symptome für Außenstehende ungewohnt oder beängstigend wirken können, ist es wichtig, einen respektvollen Umgang zu wahren.
Ich denke, dass es wichtig ist, in solchen Situationen deutlich zu machen, dass man solche Äußerungen nicht akzeptabel findet und sich klar von ihnen distanziert. In einem Gespräch kann man auch versuchen, der Bekannten zu verdeutlichen, warum diese Äußerungen nicht angemessen sind. Manchmal braucht es aber auch eine klare Ansage, dass solches Verhalten nicht toleriert wird.
Ich persönlich habe zum Glück noch keine ähnlichen Erfahrungen gemacht, aber ich denke, es ist wichtig, sich immer bewusst zu sein, dass es nicht in Ordnung ist, andere Menschen abzuwerten oder zu diskriminieren, insbesondere nicht im medizinischen Kontext.
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