Altmodische Haltung bei katholischen Trägern normal?
Meine Mutter arbeitet bei einem katholischen Träger als Erzieherin in einer Kita und hat mir letzte Woche erzählt, dass eine ihrer Kolleginnen eine Abmahnung erhalten hat, da sie mit ihrem Freund in "wilder Ehe" (sie leben gemeinsam in einer Wohnung, sind aber nicht verheiratet) zusammen lebt. Eine andere Kollegin lebt zwar mit ihrem Partner in einer gemeinsamen Wohnung, hat sich allerdings beim Meldeamt nicht umgemeldet, damit ihr Arbeitgeber nichts davon mitbekommt.
Dass die kirchlichen Arbeitgeber immer noch sehr konservativ sind, war mir ja bewusst, aber diese strenge Haltung bezüglich Partnerschaft schockiert mich doch sehr. Heutzutage ist es doch völlig normal, dass man bereits vor der Hochzeit mit seinem Partner gemeinsam in einer Wohnung lebt. Habt ihr bereits von ähnlichen Erfahrungen gehört oder diese sogar selbst gemacht? Oder ist der Arbeitgeber meiner Mutter da ein Ausnahmefall und strenger als die übrigen kirchlichen Träger?
Dass ein katholischer Träger die wilde Ehe nicht gut findet, kann man aber durchaus ahnen oder? Es gehört doch zu den Moralvorstellungen der katholischen Kirche, dass Mann und Frau erst dann zusammen leben und miteinander schlafen sollten, wenn sie verheiratet sind. Und ich glaube, man verpflichtet sich auch, nach dem Grundsätzen der Kirche zu leben und diese Werte zu teilen, wenn man bei so einem Träger arbeitet oder?
Natürlich kann man argumentieren, dass die wilde Ehe heutzutage normal ist. Es ist nicht verboten und wird von vielen gelebt. Aber die katholische Kirche hat eben andere Wertvorstellungen. Eltern, die ihre Kinder in so eine Einrichtung geben, werden auch katholisch sein und vielleicht erwarten, dass die Einrichtung ihre katholischen Werte widerspiegelt und die Erzieherinnen danach leben.
Das gibt es ja auch in anderen Bereichen. Es wäre je beispielsweise komisch, wenn ein Mitarbeiter bei einer Partei in Wahrheit eine ganz andere politische Einstellung hätte oder jemand, der sich in einer Organisation für veganes Leben engagiert zu Hause den Schrank voller Pelzmäntel hängen hätte. Wenn man dort arbeitet, wo es ganz spezifische Moralvorstellungen gibt, dann sollten die auch passen und bei der Kirche steht es meines Wissens nach sogar extra in den Arbeitsverträgen und kann Kündigungsgrund sein.
Es gibt übrigens durchaus Personen, die vor der Ehe nicht zusammenleben. Meine streng gläubige Nachbarin hat das beispielsweise nicht getan, da wurde erst geheiratet und dann zusammengezogen und das wird auch der Vorgang sein, wie der Träger in dem Beispiel sich das so vorstellt.
Ich bin auch religiös und sehe das nicht so streng mit dem Heiraten. Ich vertrete vielleicht so manche Ansichten, die die Kirche nicht als passend empfinden würde, die aber meiner Auffassung nach vollkommen legitim sind. Aber ich würde mich auch nicht um eine Anstellung bei einem kirchlichen Träger bemühen.
Zumindest in den alten Bundesländern hast du im sozialen Bereich das Problem, dass da relativ viel in kirchlicher Hand ist, von daher können es sich viele Leute hier eben nicht leisten so einen Arbeitgeber von vorne herein auszuschließen. Offen zu seinem Atheismus stehen ist für viele auch nicht möglich weil das bedeuten würde sich bewusst für Arbeitslosigkeit zu entscheiden.
Ich kenne auch diverse Geschichten, in denen kirchliche Träger ihren Angestellten vorschreiben wollten, wie sie ihr Privatleben zu gestalten haben. Teilweise sind solche Fälle ja auch schon vor den Arbeitsgerichten gelandet, weil es ja mit der Qualität der Arbeit überhaupt nichts zu tun hat mit wem man zusammen lebt. Aber in den meisten Fällen führt es einfach dazu, dass man eben lügt um seinen Job zu behalten. Das sind dann wohl die christlichen Werte von denen man so viel hört.
Gerade in dem Bereich findet man sicherlich auch schwer einen Arbeitgeber, der nicht gerade kirchlich ist. Immerhin sind viele Einrichtungen nun mal in kirchlicher Hand. Abgesehen davon ist es dann aber auch so, dass man die Religion kennt und auch danach handeln sollte, wenn man in diesem Rahmen auch Menschen erziehen möchte.
Selber kann ich mit dieser Einstellung nichts anfangen und finde es schon etwas übertrieben, wenn man so eine Einstellung in der heutigen Zeit noch durchsetzt, aber es ist nun mal so und der Glaube setzt da nun mal auch klare Regeln. Streng genommen muss man dann eben heiraten und darf auch erst dann Kinder machen.
Eine Sicht, die natürlich nicht modern ist, aber wenn man sich auf so einen Arbeitgeber einlässt muss man damit rechnen. Ich würde wahrscheinlich Ausschau nach einem anderen Arbeitgeber halten, weil sich die Situation ja nicht ändern wird und man dann sicherlich sehr schlechte Karten hat, wenn man weiter so macht wie bisher.
In meiner Region ist eine Identifizierung mit den christlichen Werten der katholischen Kirche für das Fußvolk ausreichend. Folglich können auch Geschiedene, in wilder Ehe lebende, Mütter mit unehelichen Kindern, Atheisten, evangelische, muslimische oder sonstwie andersgläubige Menschen dort arbeiten.
Aber das gilt eben nur für untergeordnete Positionen. Erzieherinnen, Altenpfleger, Krankenpfleger, Pflegehelfer, Sozialbetreuer, Assistenzärzte, Küchenpersonal und ähnliche Jobs stehen so ziemlich jedem offen. Nur Beförderungen sind eben ausgeschlossen.
Ein guter Freund der Familie hat lange seine Trennung verschwiegen. Das hat funktioniert. Als er eine neue Frau kennen und lieben gelernt hat, hat er sich scheiden lassen und neu geheiratet. Damals war er leitender Oberarzt. Als der Chefarzt starb, wurde für 2 Jahre kommissarischer Leiter des Hauses. Er hoffte sehr, dass ihm vergeben wird. Wurde es aber nicht, ein neuer Chef kam und ihm blieb nichts anderes übrig als zu gehen, um das Gesicht zu wahren.
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