Als Todkranker nur bestimmte Angehörige sehen wollen?

vom 06.07.2017, 11:57 Uhr

Der Bruder einer bekannten ist unheilbar an Krebs erkrankt und befindet sich in einem Hospiz. Er hat mehrere Geschwister und nur eine Schwester mit Nichte darf ihn besuchen kommen. Auch die anderen Geschwister hätten ihn gerne mal besucht, aber das lehnt er wohl ab. Da auch Jahre zu diesen kein Kontakt bestanden hat, weil er nie wert darauf gelegt hat. Nicht etwa, weil seine Geschwister diesen Kontakt nicht wollten.

Nun hat er auch einen erwachsenen Sohn, der ihn seit Monaten gesucht hat. Er war dann froh über eine Tante zu erfahren, wo sich sein Vater befindet. Auch schien er nichts über die schlimme Krankheit zu wissen. Allerdings ist es nun auch so, dass der kranke Vater seinen eigenen Sohn nicht sehen möchte. Was diesen natürlich traurig macht.

Ich frage mich, ob sich Menschen durch so eine schwere Krankheit verändern und deswegen auch manche Angehörigen nicht sehen wollen. Ich finde es schon komisch, dass er seinen eigenen Sohn nicht sehen möchte. Immerhin ist es ja absehbar, dass ihm nicht mehr all zu viel Zeit bleiben wird.

Könnt ihr nachvollziehen, dass ein todkranker Mensch nur noch bestimmte Angehörige sehen möchte? Könnt ihr nachvollziehen, dass man da die eigenen Geschwister nicht sehen möchte oder sogar das eigene Kind nicht? Macht solch eine Krankheit vielleicht manchmal auch etwa wunderlich? Wie würdet ihr damit umgehen? Würdet ihr den Wunsch des Kranken dann akzeptieren oder ihn einfach trotzdem besuchen?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Tante Frieda, die sich sonst einen Dreck um einen geschert hat und die nur ihr Gewissen beruhigen will muss man dann auch nicht mehr sehen. Also ganz ehrlich, man selber stirbt, da wird man sich doch ganz egoistisch seinen Besuch aussuchen dürfen. Das hat ja nichts damit zu tun, das man jemanden nicht mag. Es kann ja auch sein, dass man einfach nur nicht jedem zeigen möchte wie verletzbar man gerade ist und nicht jeder Seele würde das auch gut tun.

Auf dem Sterbebett liegend kann ich verstehen, wenn jemand seine bis dato unbekannten Kinder nicht kennenlernen will. Man sieht nicht gut aus und für Erklärungen ist doch auch wenig Zeit. Solche Treffen kann man nicht steuern und den Stress will sich dann nicht jeder Mensch antun, das ist doch nachvollziehbar.

Man sollte es aber auch respektieren und nicht traurig deswegen sein, es ist so und man selber kann sich Gedanken machen warum es so ist. Vielleicht bekommt man ja einen Brief mit einer Erklärung, wenn dies noch möglich ist und wenn nicht muss man damit leben, denn jeder sollte das selber entscheiden dürfen. Ich würde auch nicht jeden dabei haben wollen, selbst meine Verwandte nicht alle.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Sterbende Menschen quälen sich oft sehr und werden jeden Tag etwas weniger. Viele können damit nicht umgehen. Viele empfinden sich selbst als Last und wollen anderen den Anblick ersparen. Sich zurück zu ziehen und sich abzuschirmen ist ganz normal in dieser Phase.

Dein Bekannter scheint kein einfacher Mensch gewesen zu sein. Wer mit so vielen Angehörigen keinen Kontakt hat, hat sicherlich auch was dafür getan. Man sagt, dass jeder so stirbt wie er gelebt hat. Manchmal stimmt es auch.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Nelchen hat geschrieben:Ich frage mich, ob sich Menschen durch so eine schwere Krankheit verändern und deswegen auch manche Angehörigen nicht sehen wollen. Ich finde es schon komisch, dass er seinen eigenen Sohn nicht sehen möchte. Immerhin ist es ja absehbar, dass ihm nicht mehr all zu viel Zeit bleiben wird.

Man merkt, dass du voll die Ahnung hast. Wenn man schwerkrank ist, schlagen die Schmerzmedikamente auch nicht immer an, man ist ein Häufchen Elend, mit sich selbst beschäftigt und muss sich auf seinen Tod vorbereiten. Wenn ich so Schmerzen hätte und vermutlich auch total Elend aussehen würde, hätte ich keine Lust dazu einen potentiellen Sohn zu sehen, den ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Dann hat der doch direkt einen schlechten Eindruck vom Vater, weiß gar nicht wie der zu besseren Zeiten gewesen ist.

Wenn man große Schmerzen hat und nichts dagegen hilft, wird man auch launisch und teilweise passiv-aggressiv. Ich würde unter solchen Umständen nicht wollen, dass mein Sohn so ein Bild von mir hat und mich kurz vor dem Tod sieht. Das würde ich gar nicht einsehen. Man weiß auch gar nicht, wie alt der Bekannte ist und wie sensibel der Sohn ist. Nachher würde ihn das total traumatisieren, wenn er seinen Vater so kurz vor dem Tod sehen würde.

Mein Opa war mal im Krankenhaus nach einem Autounfall und lag sogar eine Zeit lang im Koma. Mein Cousin ist da auch eher sensibel und hat sich nicht ins Krankenhaus getraut. Es hätte ihn zu stark mitgenommen, den Großvater mit den ganzen Schläuchen und Nadeln zu sehen. Das muss man auch bedenken. Sensibilität ist schließlich nicht ausschließlich an das weibliche Geschlecht gekoppelt.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich finde, wenn einem der Tod schon über die Schulter schaut, hat man alles Recht der Welt, Götz von Berlichingen zu zitieren. Wenn man in der letzten Lebensphase nicht seine eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen darf, wann denn dann?

Die anderen haben im Regelfall noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte mehr Zeit für Dramen und Gefühlsausbrüche aller Art, aber wenn jede halbwegs schmerzfreie und kohärente Stunde zählt, finde ich es richtig und nachvollziehbar, wenn man sich diese nicht auch noch von irgendwelchen nervigen Leuten versauen lässt, sondern in dem beschränkten und stündlich enger werdenden Rahmen der eigenen Existenz endlich mal macht, was man schon immer wollte.

Dazu kommt noch, dass schwere Krankheiten oder gar der nahende Tod die Leute nicht zwangsläufig zu besseren Menschen machen. Viele besinnen sich zwar und streben Aussprachen und Versöhnungen an, solange sie noch können, aber oft genug schreitet die Krankheit schnell voran und beeinträchtigt auch Verstand und Urteilsvermögen. Das wirkliche Leben ist kein Rosamunde-Pilcher-Film, bei dem man bis drei Minuten vor dem Exitus bei klarem Verstand ist.

Und manche Leute sind schlicht und einfach bis zum Sterbebett ihr ungnädiges, bärbeißiges oder unbelehrbares Selbst. Ich würde daher gerade die Wünsche derer, die nicht mehr so lange Zeit haben, in jedem Fall berücksichtigen und ihnen nichts und niemanden aufdrängen, nur weil sie sich nicht mehr so gut wehren können.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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