Als Therapeut den Patienten zur Trennung raten angebracht?

vom 26.06.2017, 06:12 Uhr

Eine Freundin von mir erzählte neulich, dass sie früher in einer Therapie gewesen ist. Dabei ist sie auch hypnotisiert worden, um die Heilung zu beschleunigen. Jedenfalls hatte sie damals einen Partner, der ihr nicht gut getan hat und der wohl eine heftige Sozialphobie bei ihr ausgelöst haben soll. Die Therapeutin hat ihr dann damals dringend dazu geraten, sich von ihrem Freund zu trennen. Im Endeffekt wurde die Beziehung dann auch beendet und meine Freundin entwickelte sich psychisch positiv weiter.

Ich habe mich gefragt, ob ein Psychotherapeut das überhaupt "darf". Ich war noch nie in Therapie, daher kann ich nicht sagen, was normal ist und was nicht. Ich hatte aber angenommen, dass es eher unprofessionell wirkt, wenn eine Therapeutin nun schon mehr oder weniger "Vorschriften" macht, was der Patient tun soll. Würdet ihr als Therapeut zu einer Trennung raten oder überschreitet ein Therapeut in dieser Hinsicht seine Kompetenzen? Sollte man nicht eher warten, bis der Patient von selbst auf die Idee kommt, dass die Beziehung nicht gut tut und man sich besser trennen sollte?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Wozu geht man denn sonst zu einem Therapeut? Man möchte Ratschläge bekommen und sein Leben wieder in den Griff bekommen. Das ist denke ich auch ein ganz guter Ratschlag, wenn der Partner offensichtlich die Ursache für die Probleme ist, weswegen man dort ist. Einfaches Beispiel, der Partner schlägt einen, man holt sich Hilfe und sucht einen Fachmann auf.

Soll dieser nun wirklich sagen, dass man einfach nur stark sein muss, man das schon schaffen wird? Ich denke nicht. Da sollte man einfach auch mal sagen, was dem Patienten gut tun würde und was nicht. Ich denke schon, dass der Therapeut so ehrlich sein sollte und so ehrlich sein darf.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Schimpft mich naiv, aber die Idee einer Therapie ist doch eigentlich gerade, dass man nicht abwartet, bis es den Leuten von alleine dämmert, was in ihrem Leben falsch läuft, sondern mit ihnen zusammen Lösungen erarbeitet. Und diese Lösungen laufen im Regelfall doch darauf hinaus, dass man in seinem Leben etwas ändern muss, oder etwa nicht? Sonst könnte man sich das ganze teure Geschwafel schließlich auch sparen. Nur als seelischer Mülleimer ist ein Therapeut doch völlig überqualifiziert. Mein Seelenleben könnte ich auch meinem Bettpfosten erzählen, wenn ich nicht vorhabe, etwas an meiner Situation zu verbessern.

Und manchmal liegt das Problem eben nicht nur in der Psyche des oder der Betroffenen, sondern in der Umgebung, sei es an den Eltern, dem Freundeskreis oder dem Partner. Viele Leute haben ein Talent dafür, sich ausgerechnet in die Kreaturen zu verlieben, die ihnen das Leben langfristig schwer machen. Und ich finde nicht, dass es der Job eines Therapeuten ist, den Leuten zu ermöglichen, sich mit einer ungesunden Situation zu arrangieren und so nur an den Symptomen herum zu doktern, während die Ursache woanders gelagert ist. Der Partner und die Beziehung weder eine Fügung des Schicksals noch unantastbar, sondern lediglich eine Facette im Leben eines Menschen, die ihm gut tun kann oder auch schaden.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Sind wir doch auch mal ehrlich, welcher Therapeut vermischt nicht sein privates Denken mit dem beruflichen und labert dann darauf los? Nicht alles ist da an eine Vorschrift gekoppelt und gebunden, es gibt keinen Leitfaden wie das Gespräch Wort für Wort lauten muss und was man in welcher Situation rät. Da spielt viel das persönliche Denken eine Rolle zu was einem dann geraten wird. Aber nachkommen muss man einer solchen Empfehlung dann noch lange nicht, wenn man das nicht möchte. Es ist auch nur ein Ratschlag der ausgegeben wird und nichts mehr.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Meine Freundin ist Therapeutin und ich ihre Patientin. Ist normalerweise nicht gerade förderlich, aber ich muss dazu anmerken, dass wir uns von Kindheit an kennen und sie automatisch vieles mitbekommen hat. Sie sagte auch immer, dass meine Familienverhältnisse, meine Erlebungen & Co dazu unter anderem geführt haben, dass sie den Beruf gewählt hat, weil sie anderen helfen möchte.

Sie sagt immer, dass viele Therapeuten zu altklug um die Ecke kommen und immer nur das machen, was sie im Studium gelernt haben oder sie gelesen haben. Sie ist der Meinung, dass eigene Lebenserfahrung oftmals zu sehr beiseite geschafft wird und die Menschlichkeit fehlt. Das kenne ich zum Beispiel auch von einer vorherigen Therapeutin aus meiner Kindheit. Der habe ich vorgeworfen, dass sie keinen blassen Schimmer von meinem Leben hat, weil sie alles nur fein abliest und niemals selber erleben musste.

Natürlich haben Therapeuten auch eine Meinung, ein Privatleben, vieles gelesen, studiert und kennen sich auch durch viele Patienten mit gewissen Themen aus. Das macht oftmals die gute Mischung mit einer guten Art aus, um seinem Therapeuten das Vertrauen zu schenken, welches eine gute Zusammenarbeit ausmacht und wieso soll da dann nicht zur Trennung geraten werden? Wenn das ein Problem für den Patienten ist, dann muss der Therapeut einen Impuls setzen, aber natürlich muss der Patient diesen nicht durchführen.

Doch wer Heilung will, sollte auch schauen, was der Therapeut sagt, um letzten Endes eine gute Basis schaffen zu können und das Ergebnis der Heilung mit beeinflussen zu können. Das kann vielleicht nicht jeder nachvollziehen und empfindet es als Eingriff in die Privatsphäre, aber wer zu einem Psychologen geht, der will, das ihm geholfen wird und sollte die Partnerschaft einem Erfolg im Wege stehen, will ich wissen, was mein Therapeut davon denkt.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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