Als Schüler bessere Noten wenn Eltern Akademiker?

vom 17.07.2017, 06:26 Uhr

Ich habe gestern eine Sendung von Quarks&Co gesehen mit dem Thema "Wozu brauchen wir Noten?". Dort wurde dann die These aufgestellt, dass Kinder von Akademikern (im konkreten Beispiel war der Vater Arzt) bessere Noten bekommen würden. Denn bei diesen Kindern hätten Lehrer die Meinung, dass diese Kinder grundsätzlich ordentlicher, fleißiger und intelligenter sein müssten und das würde sich eben auch in den Noten zeigen.

Wenn ich so an meine Schulzeit denke, kann ich das so gar nicht unterschreiben. Ich hatte eine Mitschülerin, deren Vater Arzt war und eine eigene Praxis hatte und das war auch bekannt. Trotzdem hatte sie vergleichsweise eher schlechte Noten, in Deutsch sogar eine 5 und das im Leistungskurs. Sie war im Endeffekt so schlecht, dass sie die Schule wechseln musste, weil sie mit dem Gymnasium nicht klargekommen ist. Was aus ihr geworden ist weiß ich gar nicht. Wie seht ihr das? Bekommt man als Schüler automatisch bessere Noten, nur weil die Eltern Akademiker sind?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Noten haben immer auch etwas mit eigener Leistung zu tun und die ist nicht automatisch besser, weil der Papa oder die Mama Arzt ist. Man muss immer noch selber lernen. Natürlich steckt da der Gedanke dahinter, dass ein Arzt nicht möchte, dass das eigene Kind schlechte Noten nach Hause bringt und sich auch eine Nachhilfe leisten kann, aber deswegen lernt das Kind auch nicht automatisch und gerade Ärzte haben auch wenig Zeit dem Kind etwas zu erklären, weil sie ja nicht ständig zu Hause sind.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Man kann natürlich jede Theorie mit Anekdoten und "Ich kenne jemanden, bei dem war das ganz anders!" widerlegen, und es heißt ja schließlich nicht, dass es sich hier um ein Naturgesetz handelt, welches in 100 Prozent aller Fälle zutrifft. Aber dass es in diese Richtung Tendenzen gibt, kann ich mir ohne weiteres vorstellen. Auch Lehrkräfte sind nur Menschen und ganz ohne Vorurteile geht niemand durchs Leben.

Wenn beispielsweise der kleine Bernhard seine Hausaufgaben öfter nicht macht und patzige Antworten gibt, macht es natürlich einen Unterschied, ob der Lehrer weiß, dass Bernhards Vater der Herr Dr. Schulze ist, der sich im Pfarrgemeinderat engagiert, während seine Frau Hildegard (reizende Person) Pilateskurse im Gemeindezentrum gibt. Wäre es statt dessen der kleine Kevin aus dem Plattenbauviertel, dessen alleinerziehende Mutter ihn mit 16 bekommen hat, und der 5 Geschwister von unterschiedlichen Vätern hat, würde man höchst wahrscheinlich entweder härter durchgreifen oder sein auffälliges Verhalten oder seine schlechten Leistungen als "typisch Asso-Kind" abtun und nichts dagegen unternehmen.

Außerdem halte ich es auch für ganz natürlich, dass Menschen, vor allem Kinder, ihr Verhalten den Anforderungen automatisch anpassen. Wenn man von Vornherein spürt, dass niemand einem etwas zutraut oder von einem fordert, weil man als dahergelaufener Assi gilt, legt man sich automatisch weniger ins Zeug, als wenn es heißt: Komm schon, du bist doch aus gutem Hause, mach deine Familie stolz! Noten sind sowieso keine objektiven Instrumente zur Leistungsmessung, auch wenn man gerne so tut, sondern werden auch nach Sympathie bzw. nach dem Bild vergeben, das die Lehrkraft von einem Schüler oder einer Schülerin hat.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Was ist daran neu oder überraschend. Es gibt zig Studien zu dem Thema. Das nennt sich dann von sekundären sozialen Effekten. Ein einfaches Beispiel: Von den Schülern, die für das Gymnasium empfohlen werden, haben gar nicht wenige eine unterdurchschnittliche Lesekompetenz.

Die Empfehlung gibt es aber aufgrund der sozialen Herkunft trotzdem. Dagegen erhalten Kinder aus den unteren sozialen Schichten auch dann meist eine Empfehlung für Haupt- oder Realschulen, wenn deren Lesekompetenz überdurchschnittlich ist. Denn vieles entscheidet sich eher aus dem Bauch heraus.

Nehmen wir man meine alte Grundschule: Die Lehrer waren engagiert, nett und auf den ersten Blick vorurteilsfrei. Wir waren am Ende nur noch 14 Schüler, da ist es übersichtlich. Aufs Gymnasium gingen Anwaltssohn, Steuerberatertochter, Richtertochter, Professorensohn, Ingenieurssohn, Sozialpädagogensohn.

Die ebenso talentierte Tochter eines Facharbeiters ging auf die Realschule. Die Kinder von einem Friseur, einem Elektriker, einer Alleinerziehenden, einem Bauhelfer und einem Maurer gingen dagegen zur Hauptschule. Weder waren die einen immer das hellste Licht auf der Torte, noch waren die anderen strunzdoof.

Aber man traute den Eltern eben nicht zu, dass sie bei Problemen die passende Hilfestellung geben oder den Kindern das Abitur finanzieren. So einfach war das und das tatsächliche Können hatte tatsächlich nur wenig Einfluss. Auf dem Gymnasium ging es dann weiter. Bis zur 10 waren konsequent alle ausgesiebt, die keinen makellosen elterlichen Hintergrund hatten.

Nicht jeder davon hat die Leistungen nicht erbracht, genauso wie nicht jeder aus den höheren Schichten total leistungsstark war. Aber die schleppte man mit, während sich die anderen nicht wehren konnten, wenn sie abgewertet worden sind. Am Ende blieben Akademikerkinder und Kinder mit Eltern in hohen Positionen übrig. Und das ist heute nicht so viel anders.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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