Als Psychologe in der Freizeit von Problemen anderer genervt

vom 30.04.2015, 08:22 Uhr

Wie ich schon mal berichtet hatte, habe ich einen Bekannten, der Psychologe ist. Zum Glück bewertet er einen nicht andauernd, da käme ich mir komisch vor. Bei ihm ist es sogar eher das Gegenteil, nämlich dass er in seiner Freizeit möglichst wenig von den Problemen anderer hören will. Er hat mir mal gesagt, dass es ihn etwas nervt, wenn dann in der Freizeit andere zu ihm kommen und anfangen, ihm ihre Probleme zu erzählen, denn da hat er ja Freizeit und will auch mal seine Ruhe haben.

Er meinte, er hat richtig eine Sehnsucht nach normal funktionierenden Menschen, wenn er dann Feierabend hat. Er müsse sich z.B. oft mit Menschen beschäftigen, die beispielsweise depressiv sind und mit manchen fällt es ihm leicht, die reden viel, die lässt er reden, wirft ab und an eine Frage ein und die sind selbst so reflektiert, dass sie durch die Fragen ins Nachdenken kommen. Aber es gibt auch Patienten, mit denen wird die Stunde für ihn zur Qual, weil die kaum reden und er ihnen alles aus der Nase ziehen muss und er dann immer schon darauf wartet, dass die Stunde vorbei ist. Wegschicken kann er diese Patienten ja nicht, weil er da nur angestellt ist und sich die Patienten nicht aussuchen kann.

Zudem muss er von seinem Arbeitgeber aus viele Entspannungstrainings durchführen und die macht er selbst gar nicht so gerne. Als er mir das erzählt hat, hab ich die Frage, ob er mal ein Entspannungstraining mit mir macht, gleich verkniffen. Er meinte, dass das für ihn langweilig ist, mehrerer solcher Trainings hintereinander zu machen und er dann immer auf die Uhr schaut, in der Hoffnung, dass die Stunde bald vorbei ist.

Also ich kann das schon nachvollziehen. Ich muss ja auch manchmal mit Kunden Gespräche führen und Dinge herausbekommen und ich finde es auch super anstrengend, wenn jemand so maulfaul ist oder wenn man mehrfach das Gleiche hintereinander machen muss. Vor allem frage ich mich, warum Leute zu ihm in die Therapie kommen, die seiner Aussage nach keine Lust auf ein Gespräch haben. Was wollen die dann da?

Er meinte, er freut sich auf manche Patienten, aber es gibt auch anstrengende und das hat zur Folge, dass er nach dem Job einfach Ruhe brauche, dass er dann nicht mehr die Geduld habe, sich mit Menschen zu beschäftigen, die Probleme haben. Ich dachte erst, dass er vielleicht seinen Job selbst nicht mag, das klingt ja so, aber er meinte, dass dem nicht so sei, er mache seinen Beruf schon ganz gerne, aber genauso, wie ein Maurer in der Freizeit auch keine Lust auf Mauerbau habe, habe er nach Feierabend keine Lust mehr auf die Probleme anderer Leute.

Könnt ihr das nachvollziehen? Muss ein guter Psychologe sich immer die Probleme anderer anhören oder ist es verständlich, dass er in der Freizeit keine Lust mehr auf „nicht funktionierende“ Menschen hat?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich finde es sehr gut nachvollziehbar, wenn sich jemand in seiner Freizeit nicht mit seinem Berufsleben und den ständig aufkommenden Themen befassen will. Es heißt nicht umsonst, dass KFZ-Mechaniker die gammeligsten Karren fahren und ich habe in meiner Freizeit auch keine Lust mehr, mich mit Papierkram zu befassen.

Ferner finde ich gerade die Probleme anderer Leute immer sehr anstrengend und auslaugend. Gerade wenn man die Anlaufstelle für jedermann ist, wo sich dann ausgeheult wird. Das geht mir ab und an im Bekanntenkreis so und diese Leute laugen einen aus. Vierzig Stunden in der Woche möchte ich das auch nicht machen.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich kann die Ansicht deines Bekannten sehr gut nachvollziehen. Es ist für jeden Menschen nervig, wenn er auch in seiner Freizeit von der Arbeit verfolgt wird und man ständig im Freundes- und Bekanntenkreis darauf angesprochen wird. Das geht einem KFZ-Mechaniker, der ständig die Autos der Verwandtschaft reparieren soll (natürlich kostenlos) genauso wie für einen Psychologen.

Bei einem Psychologen ist das allerdings sicher noch etwas schwerer, weil die Konfrontation mit den Problemen anderer sicherlich eine viel höhere Belastung ist als die Nachfrage bei einem kaputten Auto.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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