Als Praktikant immer ehrlich Auskunft geben?

Ich bin seit kurzem in einer neuen Abteilung, wobei hier auch ein Praktikant ist. Dieser Praktikant wird gerne mitgenommen und die Kollegen nehmen sich gerne Zeit, ihm verschiedene Sachen zu zeigen und ihm alles mögliche zu erklären. Da auf der Etage ein gutes Dutzend Kollegen sind, vielleicht sogar ein paar mehr, kann man den Praktikanten so ganz gut einspannen finde ich.

Mir ist aufgefallen, dass schon mehrere Kollegen den Praktikanten bei Gelegenheit gefragt haben, wie ihm denn das Praktikum gefallen würde und welchen Eindruck er denn von diesem Arbeitsplatz und der Arbeit hier hätte. Als Antwort kommt dann meist, dass es ihm ganz gut hier gefallen würde und er führt das auf Nachfrage sogar weiter aus und sagt dann eben, was er bisher besonders interessant und besonders gut fand.

Mich bringt diese Situation immer ins Schmunzeln. Meine Kollegen nehmen das direkt für bare Münze, wenn der Praktikant vollen Lobes ist, aber ich sehe das schon kritischer. Also wenn ich persönlich eine Praktikantin wäre, dann würde ich nicht die Wahrheit sagen, wenn ich das Praktikum ätzend finden würde und man mich aber fragen würde, wie ich das Praktikum bis jetzt finde oder gefunden habe. Würdet ihr als Praktikant in der Hinsicht immer ehrlich Auskunft geben?

Also so lange die Aussagen positiv sind, kann man doch dem Praktikanten nichts negatives nachsagen, so finde ich. Bei negativen Aussagen würde ich schon etwas vorsichtiger sein. Aber wer ist schon so eingestellt, dass er am Praktikumsplatz den Kollegen erklären würde, dass er das Praktikum nicht so toll findet.

Das würde ich dann wenn dann vielleicht meinen engsten Freunden erzählen, um etwas Druck abzubauen, wenn es mir nicht gefällt, aber sicher nicht an dem Platz, an dem ich das Praktikum mache. Und wenn es mir nicht gefallen würde, würde ich nicht ausführlich darüber sprechen, sondern vielleicht einfach kurz und knapp "gut" antworten, wenn man mich fragt, wie es mir gefallen würde.

Vielleicht erhofft sich der Praktikant durch die positive Ausformulierung ja eine fixe Anstellung. Immerhin ist es ja heutzutage nicht mehr so einfach, für gewisse Personen eine fixe Anstellung zu finden. Und um den fixen Lebensunterhalt zu bestreiten, wenn man Ansprüche hat, braucht man eben eine fixe Arbeit.

Der Ton macht die Musik und wenn ich Kritik habe an dem Praktikum und unzufrieden bin, dann kann ich diese Situation nur verbessern indem ich dazu auch etwas sage. Sprich wenn ich nicht mit genug Aufgaben betraut werde und nur in der Gegend sitze und den Feierabend erwarte, dann habe ich mir das sicherlich nicht so vorstellt wenn ich ein Schnupperpraktikum mache. Spricht man das nicht an, dann ändert sich bis zum Ende nichts. Aber es muss eben ein angemessener Ton und eine angemessene Kritik sein. Sprich ein "mich ätzt das hier voll an" ist weder sachlich noch angemessen, wenn man es nicht begründen kann.

Ansonsten ist es doch nicht verwerflich wenn sich jemand positiv darüber äußert und sogar noch weiter ausführen kann. Wenn jemand nur sagen kann "ist toll" dann ist das nicht ehrlich aber wenn es weiter ausgeführt werden kann, dann kann man schon davon ausgehen das es auch tatsächlich so gemeint ist und sich derjenige dazu auch Gedanken macht.

Aber es kommt auch darauf an was ich mir durch das Praktikum erhoffe. Möchte ich nur einen ausgefüllten Zettel das ich da gewesen bin, dann ist es etwas anderes als wenn man sich einen Job in der Firma erhofft. Aber wen das Praktikum dort schon langweilt der wird auch hinterher von einer Bewerbung bzw. Anstellung dort eher absehen. Somit spielen die Beweggründe auch eine große Rolle, ob und vor allem wie ehrlich ich vor Ort auch wäre. Denn nicht alles was man zu beanstanden hat, bedarf auch einer Klärung im Anschluss sondern schluckt man einfach für sich.

Ich finde es gut, wenn der Praktikant sich positiv zu seinem Praktikum äußert. Ob das nun ernst gemeint ist oder nicht, das kann man ja nicht wissen, aber als Kollege kann man doch nicht mehr machen, als nachzufragen. Wenn man nicht zufrieden ist, dann sollte man es als Praktikant aber auch äußern, aber natürlich in einem sachlichen Ton. Man kann ja sagen, dass man es sich anders vorgestellt hat oder etwas in der Art.