Als Nichtchrist bei christlichen Liedern mitsingen?
Ich bin als ich etwas jünger war, immer in ein Jugendzentrum gegangen aber dieses ist christlich. Wir haben oft gesungen, aber eben meistens christliche Lieder. Manche finden es verwerflich, weil man ja nicht an das glaubt was da gesungen wird. Was haltet ihr davon? Ist es verwerflich? Wir waren ja noch Kinder.
Warum soll man es verwerflich finden, wenn man nicht an christlichen Liedern mitsingt? Wir leben heute in einer Gesellschaft, wo jeder seine eigene Meinung zum Thema Christentum haben kann. Nur weil jemand beispielsweise nicht mitsingt oder sonst was ist diese Person nicht gleich unchristlich. Es gibt genug Leute, die genau so denken. Nur weil einer nicht an dass glaubt, was dort gesungen wird, ist er nicht gleich verwerflich. Dies ist einfach totaler Blödsinn.
Ich wüsste auch ehrlich gesagt keinen Grund, weswegen man das verwerflich finden sollte, dass da Kinder christliche Lieder singen, die aber gar nicht christlich erzogen wurden. Wenn man in ein entsprechend von der Kirche geführtes Jugendzentrum geht, dann muss man natürlich damit rechnen, dass auch christlich orientierte Lieder gesungen werden. Aber dann ist doch nichts dagegen zu sagen, wenn auch Kinder mitsingen, die nicht daran glauben, was sie da singen. Das ist doch besser, als sich von solchen Aktionen auszuschließen.
Ich finde es sehr schön, wenn man sich auf den Glauben der Menschen einlässt und wenn dann ein Loblied auf Gott gesungen wird und es einem damit gut geht das mitzusingen, ist es doch vollkommen okay und alles andere als verwerflich, denn darum sollte es doch gehen. Die Menschen sollen sich ja vertragen, über Religionen reden und so weiter.
Ich kann selber sehr wenig mit den Glauben an Gott anfangen und mache es daher von meiner Stimmung abhängig, ob ich bei so etwas dann mitsinge oder nicht. Ich begründe es dann aber auch. Bisher hat sich da noch keiner beschwert, wenn ich das so gemacht habe und das finde ich auch gut. Man muss sich einfach gegenseitig akzeptieren und so annehmen wie man ist und dann wird das auch.
Was sind denn christliche Lieder? Wo fängt das an und so hört das auf? Nehmen wir nur die irische Stepshow Lord of the Dance: Das titelgebende Lied setzt sich aus einer uralten Melodie der amerikanischen Shaker und einem sehr Text, der an ein christliches englisches Lied angelehnt ist, in dem Jesus in der ersten Person von seiner Verfolgung und Kreuzigung singt.
Nach der Logik, dass Nichtchristen nicht einmal in kleiner Runde mitsingen sollten, dürften die Shows wie Lord of the Dance nicht besuchen und müssten abschalten, wenn BBC Choir of the Year läuft. Nicht dass aus Versehen der Fuß wippt oder eine Zeile mit gesummt wird. Schließlich sind das schnell mal eingängige Melodien.
Und was ist mit Morning has broken? Das verwurstet eine Frau im Auftrag eine uralte irische Melodie, die schon als Weihnachtslied herhalten muss, zum Preisen der göttlichen Schöpfung. Dann macht Cat Stevens eine Pop-Variante des Liedes, das evangelische Christen übrigens als "Morgenlicht leuchtet" in ihren Gesangbüchern finden, und konvertiert nahezu postwendend und nennt sich Yusuf Islam.
Und während diese und noch ganz viele andere christliche Lieder ständig gedankenlos konsumiert und mit gegrölt werden und kommerziellen Zwecken dienen, soll es verwerflich sein, mit Freunden in der Gruppe Spaß zu haben und etwas gemeinsam zu tun? Das ist, mit Verlaub gesagt, irre. Schließlich werden allein durch die Gemeinschaft christliche Werte geteilt. Und das ist niemals verwerflich und dazu muss man weder glauben, noch Mitglied im dem Verein sein.
Zumal sich viele aktuelle Künstler kräftig an christlichen Motiven bedienen und neue Songs mit biblischen Inhalten schreiben. Denkt man an Katy Perry mit Rise, hat man nicht nur den US-Olympia-Song 2016, Kreuzigung und Auferstehung der unangepassten Hauptfigur sind mit inbegriffen. Und nu? Alles abschalten? Tim Bendzko bedient sich im Ersten Buch Mose und so weiter.
Ich denke, es kommt doch sehr auf den Zusammenhang an. Wenn jemand als eingefleischter Atheist "Großer Gott, wir loben dich" anstimmen soll, hätte ich volles Verständnis, wenn die Person diskret schweigt, weil Inhalt und Anlass der eigenen Überzeugung diametral entgegenstehen. Ich käme mir auch absurd vor, ein Loblied auf, was weiß ich, Wotan oder irgendeine neo-heidnische Fruchtbarkeitsgöttin abzusondern, wenn ich doch eher an die sättigende Wirkung einer Kartoffel glaube als an irgendwas sonst. Ein paar Überzeugungen darf der Mensch schon haben. Aber christliche Motive ziehen sich ja wie schon erwähnt durch die ganze abendländische Kunst und Kultur.
Dann "dürften" Nichtchristen beispielsweise auch keine Weihnachtslieder anstimmen, oder nur diejenigen, die mit Flöckchen und Glöckchen daherkommen, aber die Geburt des Erlösers nach christlichem Verständnis diskret aussparen. Und das berühmte "Hallelujah!" von Cohen könnte nach der 500. Coverversion ebenso zu Grabe getragen werden wie die erfolgreichen Musicals Jesus Christ Superstar, Sister Act, Prince of Egypt und Joseph. Wenn ich so darüber nachdenke, würde ich eine Grenze ziehen zwischen Singen aus Überzeugung und Singen/Konsumieren zur Unterhaltung.
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