Als Mann feministische Bücher kritisieren?
Eine Bekannte von mir hat mir das Buch ''Das andere Geschlecht'' von Simone de Beauvoir empfohlen. Ich habe mir das Buch bestellt und dazu auch einige Kritik im Internet gelesen. Kritisiert wurde eine gekürzte Ausgabe, eine schlechte Übersetzung, aber nie der Inhalt.
Dann bin ich aber auf eine sehr krasse Kritik eines Mannes gestoßen. Dieser lehnte wirklich alles in diesem Buch ab und tat es als absoluten Unfug ab. Es gäbe einige intellektuelle Passagen, aber diese wären sicherlich nicht auf Simone de Beauvoir zurückzuführen, sondern doch eher auf Jean-Paul Sartre, mit dem Beauvoir zusammen gelebt hat.
Ich habe das Buch nun noch nicht gelesen. Ich weiß allerdings, dass es auf Platz 11 der besten Bücher des 20. Jahrhunderts ist. Dennoch kommt es mir befremdlich vor, wie ein Mann ein feministisches Buch derart kritisieren kann. Und der absolute Gipfel ist es doch, alles positive in dem Buch einem Mann zuzuschreiben, der mit dieser Frau zusammen gelebt hat.
Sollten Männer sich in der Kritik feministischer Bücher eher zurück halten, wo sie doch Schuld daran sind, dass die Frauen so lange Zeit unterdrückt worden sind? Wie kommt es bei euch an, wenn ein Mann ein feministisches Buch derart kritisiert und alles als Quatsch abtut? Handelt es sich dabei um Männer die sich die Frau am Herd zurück wünschen, die nichts im Kopf hat und dem Mann gehorcht?
Grundsätzlich finde ich schon, dass Männer sich in die Debatte gerne einbringen können. Es ist ja nicht so, dass es sie überhaupt nichts angehe. Wir leben ja nicht wirklich auf zwei unterschiedlichen Planeten. Und auch wenn es um die Rolle der Frau geht, ist es doch ein gesamtgesellschaftliches Thema.
Wäre es so viel besser gewesen, wenn eine Frau dieses Buch dermaßen in der Luft zerrissen hätte? Ich denke, eine so heftige Kritik, die kein gutes Haar an einem Buch lässt - das ja aber offensichtlich so schlecht nicht sein kann - wirkt immer sehr aggressiv.
Dass Männer sich zurückhalten sollten, weil sie die Schuld für die Unterdrückung der Frau trügen, lehne ich ab. Was kann ein Mann von heute für die Unterdrückung der Frau Mitte des letzten Jahrhunderts? Das ist ja eine ähnliche generationenübergreifende Kollektivschuld wie angesichts des Holocausts.
Sicherlich ist sie auch von Sartre beeinflusst worden. Das hat sie doch bestimmt nicht mal abgestritten. Er aber doch bestimmt genauso von ihr. Das waren zwei intelligente Menschen, die sich mit den gleichen Themen auseinandergesetzt haben. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sie stundenlang debattiert haben.
Also kurzum: die Kritik war heftig. Egal von wem. Ob sich derjenige die Frauen zurück an den Herd wünscht, weiß ich nicht. Das ist ja auch alles nicht so schwarz-weiß. Simone de Beauvoir hat ja auch eine eher extreme Meinung vertreten. Da kann man schon anderer Meinung sein, ohne sich die totale Unterdrückung der Frau zurückzuwünschen. Sie erntete ja sogar Kritik von anderen Feministinnen. Es gibt nun mal keinen einheitlichen Feminismus.
Ich kenne das Buch nicht, ich kenne auch die Autorin nicht. Eigentlich beschäftige ich mich generell wenig mit solchen Themen. Für mich ist Feminismus eher ein Lebensgefühl, dass ich machen möchte, worauf ich Lust habe, mich nicht einschränken lasse, mich nicht am klassischen Familienbild orientiere, kein Heimchen hinterm Herd sein will. Das sind alles Dinge, die ich beeinflussen kann.
Was ich aber nicht beeinflussen kann, sind irgendwelche gesellschaftlichen Prozesse oder Strömungen oder gar Dinge, die in der Vergangenheit liegen. Sich damit zu beschäftigen, wie sich in der Vergangenheit irgendwelche Dinge entwickelt haben und wie das Philosophen sahen oder auch nicht, bringt einem ja in einem konkreten Alltag heute nicht weiter. Was nützt mir die Meinung von Satre oder seiner Frau oder wer auch immer das war in meinem heutigen Leben?
Stattdessen sollte man selbst versuchen, das umzusetzen, was man sich wünscht - konkret, heute und pragmatisch. Ich sehe nicht so viel Sinn darin, solche Bücher zu lesen. Was bringt einem das?
Ich finde, das ist doch die Meinungsfreiheit, die in unserem Land so hochgehalten wird. Da äußert mal einer seine Meinung und es ist falsch, weil er das falsche Geschlecht hat oder wie? Jeder sollte seine Meinung sagen dürfen, egal welches Geschlecht er hat und egal zu welchem Thema, daher finde ich deine Kritik an dieser Stelle ein wenig unangebracht. Als ob nur Frauen feministische Bücher kritisieren dürften, so ein Unsinn. Wir sind zwar weiblich, aber dafür haben wir doch keine Sonderrechte und Privilegien. Das würde auch der Gleichberechtigung widersprechen.
Abgesehen davon, bin ich ganz bei Zitronengras. Ich finde, dass es gar keine Rolle spielt, was in der Vergangenheit war und wie die Frauen dort gelebt haben und behandelt wurden. Das bringt mir doch jetzt auch nichts mehr, wenn ich ewig an der Vergangenheit hänge und den Blick nicht nach vorne richte. Vorwärts kommt man nur, wenn man nach vorne blickt und nicht zurück. Dabei sollte man auch entscheiden dürfen, wie man jetzt lebt und leben will, egal was andere sagen.
Natürlich hat in einer freien Gesellschaft jeder das Recht, auch Themen und Werke zu kritisieren, die geschlechtsspezifische oder sonst irgendwie auf eine bestimmte Untergruppe der Gesellschaft bezogene Sachverhalte behandeln. Umgekehrt kann man doch auch nicht sagen: Der Kritiker ist selber arm, was versteht der schon vom Leben der Reichen und Schönen, wie es in diesem Buch geschildert/Film dargestellt wird?
Anderes Beispiel: Irgendwo im Internet habe ich auch einmal einen Beitrag gefunden, in der sich eine Ex-Tänzerin bitter darüber aufgeregt hat, dass eine andere Ballerina eine schlechte Kritik bekommen hat. Schließlich sei der Kritiker ja wohl noch nie auf Spitzenschuhen über eine Bühne geschwebt und könne sich gar nicht vorstellen, wie schlimm das sei und wie weh das tue und deswegen solle das Publikum dankbar sein, dass die Dame überhaupt aufgetreten sei.
Das mag ja alles stimmen, aber man kann sich ja dennoch intellektuell mit den Themen auseinander setzen, und gerade in der Literatur spielt ja auch die Art der Darstellung eine Rolle. Man "darf" meines Erachtens ja auch äußern, dass beispielsweise die Kernaussage eines Buches interessant und richtig ist, aber die Umsetzung eine Katastrophe.
Dass es eine sexistische Beleidigung darstellt, de Beauvoir zu unterstellen, dass sie als Frau unter Garantie keinen unabhängigen intellektuellen Gedanken fassen konnte, steht außer Frage. Aber manche Themen ziehen eben mehr Idioten an als andere, und viele kapieren ja auch gar nicht, dass man Bücher aus ihrer Zeit heraus verstehen muss und dass wir heute es Leuten wie de Beauvoir zu verdanken haben, dass Frauen als voll geschäftsfähig gelten und Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist.
Aber auch besagter Idiot hat wohl ein Recht auf seine Meinung, und man kann ihm wirklich nicht vorwerfen, quasi im Alleingang dafür verantwortlich zu sein, dass Feminismus überhaupt nötig wurde. Deswegen bin ich mit dem Typen zwar absolut nicht einer Meinung, aber wir leben glücklicherweise in einer freien Gesellschaft und müssen uns nicht mehr unterdrücken lassen, wenn wir nicht wollen. Nur leider gibt es noch viel zu viele Frauen wie Männer, die sich nichts Schöneres vorstellen können.
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