Als Kirche bei Trauung gegen alte Traditionen sein?
Eine Bekannte plant gerade ihre Hochzeit, wobei es auch eine kirchliche Trauung geben soll. Sie hatte den Wunsch, sich von ihrem Vater zum Traualtar begleiten zu lassen und hat das dann auch mit der Pfarrerin so besprochen. Die Pfarrerin wollte das aber nicht erlauben mit der Begründung, dass dieser Brauch total altmodisch sei und die Frau zu einem Objekt ohne eigenen Willen degradieren würden. Meine Bekannte war doch ziemlich überrascht über diese Aussage, sie hatte derartige Hintergedanken so gar nicht und empfand das einfach als eine schöne Tradition.
Ich habe mich nie großartig mit kirchlichen Trauungen beschäftigen müssen, habe aber angenommen, dass man als Brautpaar da schon einen gewissen Gestaltungsspielraum hätte. Denn man zahlt schließlich Kirchensteuer und finanziert die Kirche in dem Sinne fleißig mit über die Jahre. Hinzu kommt, dass wegen der Trauung möglicherweise ebenfalls Kosten oder eine Spende entrichtet werden. Könnt ihr die Aussage der Pfarrerin nachvollziehen? Wie viel Gestaltungsspielraum sollte man dem Brautpaar in so einer Situation lassen und warum?
Auch Pfarrer sind nur Menschen und jeder bringst seine eigene Geschichte mit. Aber gerade von Geistlichen, ob männlich oder weiblich, würde ich erwarten, dass sie oder er neutral bleibt. Er kann durchaus seine persönliche Einstellung kund tun, aber letztendlich ist es doch die Entscheidung des Brautpaares? Natürlich nur, solange es mit dem christlichen Glauben vereinbar bleibt!
Auch wenn ich den Gedanken der Pfarrerin nachvollziehen kann, ist für die meisten diese feministische Sicht der Dinge wohl überzogen. Ich finde man kann durchaus Traditionen pflegen, auch wenn sie unter Genderaspekten nicht mehr so richtig zeitgemäß sind.
Entweder hätte ich mich woanders trauen lassen oder einen Kompromiss gesucht. Die Braut hätte ja beispielsweise von beiden Elternteilen zum Altar gebracht werden können. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass es letztendlich allein die Entscheidung des Brautpaares ist und es nicht sein darf, dass der Pfarrer/Pfarrerin ihre persönliche Haltung aufzwingt.
Ich habe das auch schon gehört und finde es ehrlich gesagt nicht so schön. Immerhin möchte man doch eigentlich, dass das Brautpaar sich wohlfühlt und da kann man das doch einfach mitmachen. In meiner alten Heimat gibt es dann auch keine Trauung, wenn das Paar darauf besteht, dass die Braut vom Vater gebracht wird. Die Frau, die die Trauungen macht möchte das einfach nicht und macht diese nicht bei diesem Wunsch.
Ich selber habe auch ein Problem mit der Vorstellung, am Traualtar quasi von meinem Vater an meinen Ehemann übergeben zu werden, so nach dem Motto: Da, jetzt darfst du sie weiter durchfüttern. Ich halte das ganze Gedöns auch nicht für eine "alte Tradition", sondern für eins der zahllosen, mehr oder minder sinnbefreiten Rituale, die die Amis um ihre Hochzeitsfeiern ranken, und die auch in Deutschland und anderen Ländern als das Nonplusultra an Romantik gefeiert werden. Letzten Endes muss natürlich jeder selber wissen, ob er jedem Trend unter dem Vorwand der "alten Tradition" blind hinterherrennt oder nicht. Selbst das weiße Kleid ist bekanntlich mitnichten eine "alte Tradition".
Andererseits bin ich aber auch der Meinung, dass Geistliche bei einer kirchlichen Trauung eine Dienstleistung vollführen und sich von daher nach den Wünschen des Brautpaares richten sollten, wenn es nicht gerade gegen die Regeln des eigenen Berufsstandes oder gar gegen das Gesetz verstößt. Eigene Präferenzen und feministische Anwandlungen sollten hier meiner Meinung nach außen vor bleiben. Hier geht es ja auch nicht um die "Kirche" an sich, sondern um die persönliche Meinung einer einzelnen Geistlichen, sodass das Argument mit der Kirchensteuer in meinen Augen auch haltlos ist. Die Dame kriegt ihr Geld bekanntlich so oder so. Ein erzkonservativer alter Sack hätte sich wahrscheinlich sogar darüber gefreut, dass der Übergang von "Tochter" zu "Ehefrau" so demonstrativ und lückenlos geschieht.
Von daher bin ich der Meinung, dass die Pfarrerin hier unprofessionell gehandelt hat und würde mir in einer vergleichbaren Situation eben jemand anders suchen, der ein paar schöne Worte spricht und vielsagend mit den Händen wedelt. Wenn man sich natürlich auf eine bestimmte Kirche kapriziert, weil es da so schön und romantisch ist, muss man sich aber wahrscheinlich auch mit den dort tätigen Geistlichen arrangieren.
Gegen welche alten Traditionen soll die Pfarrerin denn bitte sein? Dass die Braut vom Vater an den Bräutigam übergeben wird, ist in den USA üblich und selbst da selten. Diese "wundervolle, alte Tradition" stammt aus Hollywood! Und das eine Pfarrerin sich solchen Zirkus, der auch noch vollkommen gegen die Vorstellungen der evangelischen Kirche geht, nicht wünscht, ist legitim.
Die gute, alte, evangelische Tradition hierzulande sieht vor, dass das Brautpaar vom Pfarrer oder der Pfarrerin an der Kirchentür empfangen und begrüßt wird. Dann zieht das Paar an der versammelten Gemeinde vorbei in die Kirche ein. Blumenkinder oder ein Gefolge ist möglich, es muss aber nicht sein.
Dann kommt die Begrüßung der Gemeinde, Lesungen aus der Bibel und mindestens ein Gebet. Dann kommt die Trauung, die keine ist. Die evangelische Kirchen sehen die Ehe als weltliches Konstrukt, dass allerdings dem christlichen Lebensverständnis entspricht. Folglich ist das Paar längst standesamtlich und von der Kirche anerkannt getraut. Das ist bei Katholiken anders.
Entsprechend kann das Paar seine bereits bestehende Verbindung noch vor Gott geloben und sich den Segen abholen. Ist einem das klar, weiß man auch, warum keine Braut übergeben wird. Das Paar ist längst ein Paar, die gehören schon vor der Trauung zusammen.
Somit hätten wir also den katholischen und den evangelischen Standpunkt. Vielen Dank für die Aufklärung! Ich bin nämlich nur mit der katholischen Seite ansatzweise vertraut, und in diesem Zusammenhang wäre es zumindest von der Kirchenlehre her meines Wissens akzeptabel gewesen, dass die Braut bei der Trauung dem Ehemann übergeben wird. Aber in dieser Sparte findet man bekanntlich auch keine weiblichen Geistlichen.
Ja, Gerbera, da gibt es riesige Unterschiede. In der evangelischen Kirche hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du beantwortest die Traufragen. Da wird aber nicht gefragt, ob du den anderen heiraten möchtest. Es wird gerne so verstanden, aber der Wortlaut gibt es nicht her.
Denn eigentlich gelobt man nur, den anderen als Ehepartner zu lieben, eine Ehe nach den Geboten und Verheißungen Gottes zu führen, gute und schwere Zeiten zu meistern und das idealerweise bis zum Tod. Bei der Antwort wird es auch klar: Ja, mit Gottes Hilfe.
Jetzt stelle man sich vor, dass es sich tatsächlich um eine Eheschließung handeln würde. Dann müsste die Frage anders lauten: Peter, willst du mit Heidi die Ehe eingehen und sie bla bla bla? Ja, mit Gottes Hilfe! Könnte man die arme Heidi mehr beleidigen? Um die zu wollen, braucht er Gottes Hilfe?
Alternativ kann man das Gelöbnis selber sprechen. Aber dann bekommt man seinen Partner aus Gottes und nicht aus des Brautvaters Hand und verspricht halt wieder sich anständig und christlich zu benehmen. Würde man in der evangelischen Kirche die Ehe tatsächlich schließen und die Verbindung nicht nur unter Gottes Segen stellen, wäre es auch dort mit der Scheidung Essig. Aber Luther sieht es als weltlich Ding, deshalb bekommst du da sogar eine Segnung zur Scheidung für beide Partner, die nun getrennte Wege gehen.
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