Als Kind viel zu schnell erwachsen werden müssen?
Ich würde von mir schon sagen, dass ich meine Kindheit wirklich lange auskosten konnte. Ich habe keine Geschwister, so dass ich da auch nie eine Art Mutterrolle übernehmen musste. Ansonsten musste ich auch nie viel im Haushalt machen, als ich noch bei meinen Eltern gewohnt haben. Von daher habe ich schon das Gefühl, mich erst relativ spät wirklich erwachsen gefühlt zu haben.
Bei vielen ist es ja anders. Kinder, die nur mit einem Elternteil aufwachsen und noch Geschwister haben, müssen sich oft viel um diese kümmern. Oder auch dann, wenn Teenager schon schwanger werden und sich dann um ihr eigenes Kind sorgen müssen sagt man ja, dass sie viel zu schnell erwachsen geworden sind und ihre Kindheit gar nicht wirklich auskosten konnten. Wie seht ihr eure Kindheit an? Würdet ihr auch sagen, dass ihr viel zu schnell erwachsen werden musstet oder "durftet" ihr lange Kind sein?
Ich musste schon funktionieren, allerdings musste ich auch nicht erwachsen sein. Hauptsächlich habe ich Aufgaben im Haushalt bekommen, musste eben meine Schulsachen machen und so weiter. Kind sein durfte ich an sich schon, aber ich musste eben auch helfen im Haushalt und mein Zimmer sauber halten. Das finde ich aber vollkommen normal.
Ich denke, dass viele Kinder schnell erwachsen werden müssen, weil die Eltern früh wieder arbeiten gehen, sie dann fremdbetreut werden und oft einfach keine Zeit mehr im Alltag für diese Kinder vorhanden ist und das ist schon sehr traurig, das muss natürlich nicht immer so sein, aber solche Fälle gibt es eben.
Ramones hat geschrieben:Ich denke, dass viele Kinder schnell erwachsen werden müssen, weil die Eltern früh wieder arbeiten gehen, sie dann fremdbetreut werden und oft einfach keine Zeit mehr im Alltag für diese Kinder vorhanden ist und das ist schon sehr traurig, das muss natürlich nicht immer so sein, aber solche Fälle gibt es eben.
Was soll bitte daran generell traurig sein? Ich hatte ab 14 Wochen nach der Geburt eine Tagesmutter. Da bin ich ganz normal mit deren Familie mit gelaufen. Am Abend hat meine Mutter sich voll auf mich konzentriert. Ich hatte eine Mutti und eine Mama und mit letzterer habe ich mehr intensive Zeit verbracht als andere Kinder mit Hausfrau als Mutter. Qualität zählt durchaus mehr als Quantität.
Mit acht Jahren war ich dann tagsüber allein. Mama war telefonisch erreichbar, Mutti lebte zwei Häuser weiter. Ich kann nun wirklich nicht behaupten, dass ich das schlimm fand oder rückblickend finde. Früh erwachsen geworden bin ich, weil ich das so wollte. Ich wollte gewisse Chancen ergreifen, eigene Verantwortung übernehmen und meinen Weg selbst bestimmen. Das hätte ich mir aber garantiert nicht so früh zugetraut, wenn nicht der nötige Rückhalt da gewesen wäre. Meine Mutter hätte lieber länger ein echtes Kind gehabt, von Mutti reden wir besser nicht.
Ramones hat geschrieben:Ich denke, dass viele Kinder schnell erwachsen werden müssen, weil die Eltern früh wieder arbeiten gehen, sie dann fremdbetreut werden und oft einfach keine Zeit mehr im Alltag für diese Kinder vorhanden ist
Aha und andere Gründe gibt es für dich nicht, dass man schneller erwachsen wird oder was? Es gibt auch Kinder, die wollen von sich aus schnell selbstständig und unabhängig werden. Das hat mit den Eltern und ihrer Arbeit doch gar nichts zu tun. Ich habe auch schon Fälle persönlich miterlebt, dass Kinder schneller erwachsen geworden sind, wenn sie viel Mist miterlebt haben, beispielsweise lange Krankheit der Eltern und dann deren Tod, sodass die Kinder dann als Halbwaisen aufwachsen mussten. Das prägt.
Für mich hat schnell erwachsen werden absolut nichts mit "Fremdbetreuung" zu tun, sondern eher mit dem Leben unserer Großeltern oder dem von Leuten in anderen, nicht ganz so gottverdammt reichen und privilegierten Gesellschaften. Beispielsweise durfte man vor nicht allzu langer Zeit schon mit vier, fünf Jahren auf dem Feld, im Stall und im Haushalt mitarbeiten. Und zwar "richtig" arbeiten, nicht neben Mutti auf dem Hocker stehen und beim Backen zuschauen, sondern Rüben verziehen, Socken stopfen, das Vieh hüten oder für 10 Leute Kartoffeln schälen. DAS verstehe ich unter einer rasch beendeten Kindheit, nicht etwa eine Kinderkrippe oder Tagesmutti, weil Mama Kohle heranschaffen muss.
Auch sehe ich Teenager nur noch bedingt als Kinder an. Wenn man nicht gerade mit 13 schon schwanger wird, halte ich das Gejaule, dass hier jemand nicht mehr genügend von seiner "Kindheit" habe, sowieso für übertrieben und sentimental. Noch mein Vater wurde mit 14 in die Lehre geschickt, und auch heute stehen manche Leute mit 16 quasi schon voll im Arbeitsleben.
Ich glaube dagegen vielmehr, dass die Kindheit und Jugend, die heute zumindest hierzulande in vielen Gesellschaftskreisen locker bis zum 25 Lebensjahr gehen kann, eine gesellschaftlich relativ neue Entwicklung darstellt und es bei Weitem nicht nur positive Auswirkungen hat, wenn man bis weit ins biologische Erwachsenenalter das verantwortungsfreie und ziellose Leben eines kleinen Kindes führen kann und darf.
Mich nervt die ganze Infantilität mit Glitzer, Einhörnern und Konfetti allmählich, die daraus resultiert, dass gestandene Damen und Herren noch Söhnchen und Prinzessin spielen dürfen, bis sie Falten bekommen, um ja ihre "Kindheit" auszureizen. Aber das heißt natürlich umgekehrt auch nicht, dass ich wie in der "guten alten Zeit" schon Fünfjährige ins Bergwerk oder in die Weberei schicken würde.
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