Als Chef wissen wollen, was Mitarbeiter über einen reden?
Ich habe in einigen Beiträgen schon geschrieben, dass ich mittlerweile eine Chefin habe, die nicht sonderlich beliebt bei uns ist, sodass die Fluktuationsrate durch sie sprunghaft und exorbitant angestiegen ist. Das führt dann auch dazu, dass viele sehr unzufrieden sind und nicht gerade positiv über sie sprechen - natürlich nur so, dass sie das nicht mitbekommt. Die Chefin scheint sich dessen bewusst zu sein oder zumindest einen Verdacht zu haben.
Sie hat nämlich vor Weihnachten eine meiner Kolleginnen massiv unter Druck gesetzt und wollte von ihr wissen, welcher Kollege sich wann, wie und warum über die Chefin geäußert hat. Meine Kollegin hat die Aussage verweigert und wollte dazu gar nichts sagen, was bei der Chefin vermutlich nicht gerade positiv angekommen sein wird. Ich kann ja verstehen, dass man vielleicht sogar neugierig ist, wie die Mitarbeiter über einen denken, aber deswegen jemanden unter Druck setzen, um Informationen zu bekommen? Wie denkt ihr darüber? Könnt ihr das Verhalten der Chefin nachvollziehen? Hättet ihr unter Druck nachgegeben und alles verraten?
Ich finde das unglaublich dreist. Als Chef sollte man schon reflektieren können und einfach mal bei sich schauen, wenn so viele Angestellte kündigen. Würde mir als Angestellter mein Chef so einen Druck machen, wenn ich mich eh schon nicht wohlfühle, dann würde ich kündigen. So etwas geht einfach gar nicht und das hätte ich dann auch so gesagt. Vor allem wäre ich dann aber in der Situation ehrlich gewesen und hätte der Dame mal eine Ansage gemacht. Nachdem man gepetzt hat kann man sicherlich eh gehen, da man unter den Kollegen keine netten Gesten mehr erwarten kann.
Da ich nicht dabei war, weiß ich natürlich nicht, was genau gesagt worden ist. Ich habe nur meine Kollegin nach diesem Gespräch beobachtet und schließe daraus, dass es ziemlich heftig gewesen sein muss. Meine Kollegin ist immer sehr in sich ruhend, rational, objektiv und reagiert nie irrational oder emotional. Sie ist wie ein stabiler Fels in der Brandung, den ansonsten nichts umwerfen kann. Aber nach dem Gespräch war sie total zittrig und wie ein Häufchen Elend und da gehört schon einiges dazu, dass sie so aufgelöst ist. Ich verstehe nicht wie man so mit Mitarbeitern umgehen kann.
Ich finde es auch immer schwierig, ein Gespräch zu beurteilen, bei dem ich aber nicht dabei war. Sicher kann ich es schon etwas verstehen, dass die Chefin es zu ahnen scheint, dass über sie negativ geredet wird und dass sie es schon gerne wissen möchte, wie die Mitarbeiter über sie denken. Aber trotzdem finde ich es natürlich nicht richtig, wenn dafür dann Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden.
Ich denke, dass das auch nicht gerade hilfreich ist und dass dann später eher noch negativer über die Chefin geredet wird. Ich hätte in dem Moment wohl auch so schnell nichts gesagt, auch wenn das natürlich unter Druck auch nicht so leicht ist. Daher finde ich es gut, wie deine Kollegin reagiert hat, auch wenn es für sie sicher alles andere als leicht gewesen ist, dem Druck der Chefin nicht nachzugeben und sich bei ihr natürlich auch nicht gerade in ein positives Licht zu rücken.
Hat deine Kollegin erzählt, dass sie so massiv von der Chefin unter Druck gesetzt wurde oder woher weißt du das? Ansonsten kann es ja auch sein, dass es in dem Gespräch hauptsächlich um etwas anderes ging und die Chefin nur nebenbei gefragt hat, ob deine Kollegin irgendwas von anderen Mitarbeitern gehört hat, die gelästert haben. Wenn man selbst nicht dabei ist, ist es sicherlich schwer, sich ein Urteil zu bilden. Es mag ja auch sein, dass sich die Kollegin unter Druck gesetzt gefühlt hat und es eigentlich gar nicht so dramatisch war.
Ich finde es schon verständlich, dass man als Chef wissen möchte, wie die Mitarbeiter über einen denken. Aber ich denke, dass es nicht gerade professionell ist, wenn man seine Mitarbeiter deswegen unter Druck setzt und regelrecht möchte, dass sie Kollegen ans Messer liefern.
Was diese Konfliktsituation kennzeichnet, ist, dass beide Alternativen eigentlich nicht gangbar sind. Weder das Ausplaudern von Gesprächsinhalten, noch das Verweigern. Das ist für die Kollegin eine spürbare Belastung. Denn, plaudert sie die Gesprächsfetzen, die sie eventuell mitbekommen hat, aus, wird sie sich bei den entsprechenden Mitarbeitern unbeliebt machen.
Sie läuft dann Gefahr, aller Wahrscheinlichkeit nach genau so wie die Chefin behandelt zu werden. Die Folge aus der anderen Alternative hat sie offensichtlich schon zu spüren bekommen, nämlich das Verweigern des Ausplauderns von Gesprächen der Mitarbeiter. Hierbei hat sie die Chefin gegen sich eingenommen. Dann bleibt bei dieser Option noch der Solidarisierungseffekt mit den anderen Mitarbeitern, den hätte sie bei obiger Alternative nicht gehabt.
Denn in Firmen wird häufig "gequatscht", beziehungsweise über Mitarbeiter und auch ganz besonders über Vorgesetzte "abgelästert". Aber hinterher trinken sie alle wieder einträchtig, solidarisch zusammen einen Kaffee vom Automaten. Die Kollegin wird die meiste Zeit wohl mit ihren Kolleginnen zu tun haben und nicht im gleichen Büro wie der Chef sitzen?
Es ist ein Zeichen von Unfähigkeit, wenn ein Chef einerseits seine Unsicherheit durch übertriebene Strenge überspielen will, und es ist bei ihm wohl eine gehörige Portion Angst dabei, man könne durch "Putsch" seinen Posten verlieren. Nur so lässt es sich wohl erklären, dass jedem auch nur ansatzweise aufmüpfigen Verhalten gegengesteuert wird und alles in Erfahrung gebracht werden will, was die Fremdeinschätzung betrifft.
Wenn ein Vorgesetzter nicht genug im speziell auch solche Situationen thematisierenden Personalführungslehrgang für sich mitbekommen hat, dann ist er schlichtweg als Personal, das Führungsqualitäten unter Beweis stellen muss nicht geeignet und sollte sich auf einen anderen Posten versetzen lassen. Wie bereits erwähnt, befassen sich in größeren Firmen die Betriebspsychologen auch mit derartigen Situationen.
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