Als Bewerber keine Führung durch das Unternehmen bekommen?
Mein Partner hatte vor kurzem ein Vorstellungsgespräch, wobei er auch sehr an einer Führung durch die Abteilung interessiert war, wo er später möglicherweise eingesetzt werden würde. Er hat dann auch entsprechendes Interesse bekundet und wollte sich die Organisation und den Aufbau dort anschauen und sich ein eigenes Bild machen. Die potentiellen Arbeitgeber haben diese Bitte jedoch abgelehnt.
Begründet würde das damit, dass die regulären Mitarbeiter sonst nervös werden würden und sonst Panik bekommen könnten, dass sie demnächst entlassen und ersetzt werden sollen. Derartige Gedanken und Gefühle wolle man eben vermeiden und nicht bei den Mitarbeitern auslösen, daher würde man grundsätzlich keine Führung in dem Sinne machen. Mir ist noch nie eine Führung in dem Sinne abgelehnt worden, wenn ich mein Interesse bekundet habe.
Bisher hatte ich eher den Eindruck, dass das gut gewertet wird. Teilweise hat man mir dann auch schon gezeigt, was ich machen müsste, was auch hilfreich war und ich hatte nie den Eindruck, dass sich dadurch ein Mitarbeiter bedroht fühlen könnte. Wie seht ihr das? Könnt ihr die Argumentation des Unternehmens nachvollziehen? Findet ihr es normal, dass man keine Führung bekommt?
Alleine die Begründung warum keine Führung durchgeführt wird finde ich sehr merkwürdig und das wirft kein gutes Licht auf das Unternehmen. Wenn Mitarbeiter bei potentiellen neuen Kollegen gleich an Kündigung denken, dann stimmt doch etwas mit dem Arbeitsklima in diesem Unternehmen nicht, oder es ist was wahres drin.
Eigentlich habe ich in Betriebswirtschaft gelernt, dass die Einarbeitung von neuem Personal schon beim Vorstellungsgespräch anfängt und dort schon dem Arbeitnehmer der Betrieb durch eine Führung gezeigt werden sollte. Seltsam das Personaler diese Chance immer noch nicht als solche ansehen. Das wäre richtige Personalführung.
Bei mir selbst war es so, dass mir ein Praktikum angeboten wurde und es gab einen Kennenlerntag an dem es auch eine Führung gab.
Ich kann das durchaus nachvollziehen und lasse auch keinen Bewerber durch die Abteilungen traben wie es ihm gerade beliebt. Immerhin ist dieser nicht angestellt, hier sind Dinge, die unterliegen der Geheimhaltung und ich kann das Risiko nicht eingehen und zulassen, dass davon etwas nach draußen kommt. Mit einem unterschriebenen Arbeitsvertrag ist das etwas anderes, da sind die Mitarbeiter dann auch Belehrt worden und haben es Unterschrieben und haften hinterher auch persönlich dafür, wenn sie die Internen Dinge nach draußen geben.
Aber das sagt man natürlich keinem Bewerber auf diese Weise, da damit das Interesse und die Neugier noch stärker ist und sie ggf. auch anfangen dann noch zu wühlen nach Sachen die sie dann bei der Konkurrenz besser da stehen lassen wenn sie weiter auf der Suche sind. Damit ist es diplomatischer, wenn man es auf die "Angestellten" schiebt und diese dann als Grund dafür benennt. Zudem ich es auch störend finde, wenn man am arbeiten ist und dann einer ankommt und alles anstarrt wie in einem Zoo.
Von daher muss man das von Unternehmen zu Unternehmen und auch von den unterschiedlichen Positionen mit ansehen. In die Produktion kann ich auch niemanden lassen, der die Vorschriften nicht kennt, nicht belehrt worden ist und auch keine Schutzausrüstung hat. Auch dafür sollte man Verständnis aufweisen, da es zum einen zum besten für den Bewerber ist und zum anderen mich als Arbeitgeber auch nicht angreifbar von der Versicherung her macht, wenn der Bewerber etwas auf die Rübe bekommt nur weil er das ansehen wollte.
Ich habe noch gar nicht daran gedacht, dass man bei einer Führung durch den Betrieb vielleicht auch Betriebsgeheimnisse entdecken und ausplaudern könnte. Das ist natürlich ein wichtiger Grund für den Chef, auf Führungen von Bewerbern zu verzichten. Sicher kann der genannte Grund auch stimmen, aber das finde ich dann auch heftig, wenn die Mitarbeiter bei einem Menschen, der durch die Räume geführt wird, direkt daran denken, dass sie selber entlassen werden sollen.
Aber das würde ich einem Bewerber so eher nicht sagen, weil es nicht gerade für ein tolles Betriebsklima spricht, wenn man dort scheinbar immer das Gefühl hat, dass der Chef nach einem Ersatz für seine Mitarbeiter sucht. Ich kenne es auch so, dass man schon als Bewerber einen Rundgang angeboten bekommt und würde auch sagen, dass es Interesse zeigt, wenn man als Bewerber danach fragt, ob es möglich ist, sich das Unternehmen mal anzuschauen, in dem man möglicherweise arbeiten wird.
Ich habe in der Kanzlei, in der ich jetzt arbeite, auch keine Führung bekommen, obwohl ich den Wunsch geäußert habe. Der Witz ist, dass man sich hier nicht damit herausreden konnte, dass ich Betriebsgeheimnisse hätte mitnehmen können, denn zum Probearbeiten musste ich ohnehin eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Ich vermute den Grund dahinter eher, dass mein Büro damals aufgrund der Misswirtschaft meiner Vorgängerin unfassbar chaotisch aussah. Man wollte mich wohl nicht gleich in die Flucht schlagen und hat sich das für das Probearbeiten aufgehoben.
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