Als Arzt den Patienten einfach mal reden lassen?
Laut der Aussage eines Arztes, würde er seine Patienten auch einfach mal reden lassen, wenn er den Eindruck hätte, dass es diesem gut tun würde. Er meinte, dass die Patienten oftmals etwas haben, dass ihnen auf der Seele liegt und sie dann schon mal bei ihm ihr Herz ausschütten. Da würde es oftmals ausreichen, wenn er den Patienten einfach mal reden lassen würde. Das würde teilweise schon helfen und der Patient würde sich anschließend besser fühlen.
Was meint ihr dazu? Ist es wirklich sinnvoll als Arzt einen Patienten einfach mal reden zu lassen? Meint ihr, dass sich dafür Ärzte heute noch die Zeit nehmen können und sollten? Hilft es wirklich, wenn man einfach mal nur reden kann? Erwartet man da nicht eher einen Rat des Arztes oder ähnliches?
Hast du das wieder von einem Arzt aus dem Fernsehen oder was? Abgesehen davon kommt es auch darauf an, um was für einen Arzt es sich handelt und vor allen Dingen wo dieser Arzt arbeitet. Im Schnitt müssen Hausärzte zum Beispiel alle 7 Minuten einen neuen Patienten behandeln. Da ist gar nicht die Zeit den Patienten endlos reden zu lassen und viele Hausärzte fühlen sich deswegen gestresst, überlastet und bekommen Burnout. Es gibt bereits ausreichend Studien zu diesem Thema.
Nein, ich habe das in einer Arztpraxis mitbekommen, in der ich war. Dort hat der Arzt gesagt, dass es manchen Patienten schon gut tun würde, wenn sie sich mal etwas von der Seele reden möchten und er sich dann die Zeit dafür nehmen würde. Ich weiß nicht, wie du immer darauf kommst, dass alles auf dem Fernsehen sein muss. Man erlebt auch durchaus mal ungewöhnliche Dinge im realen Leben.
Eben. Ich fürchte auch, diese Leistung kann vielleicht der "Landarzt" im Vorabendprogramm bringen, der nebenbei noch Kriminalfälle löst oder Waisenkinder adoptiert. Ich kann mir auch vorstellen, dass es vielen Hausärzten durchaus auch zu schaffen macht, dass sie so gut wie keine Zeit für ihre Patienten haben.
Es wäre bestimmt schön, wenn sich die ganzen einsamen Rentner mal auf Kosten der Krankenkasse ihre Sorgen von der Seele reden könnten, nur bleibt dann eben das Wartezimmer voll, die Bronchitis vom kleinen Benjamin wird schlimmer und Frau Schulze hat eine beschissene Nacht, weil sie ihre Rheumatabletten vor Sprechstundenschluss nicht mehr bekommen hat.
Ich sehe es ja schon bei meiner Hausärztin, die wirklich ein geduldiger und einfühlsamer Mensch ist und selbst bei massiver Hektik in der Sprechstunde sich wenigstens ein paar Minuten Zeit nimmt für ein paar persönliche Worte. Schon das rechne ich ihr hoch an, zumal da es bei mir als relativ jungem und gesundem Menschen nicht wirklich nötig ist, wenn ich nur einen Entschuldigungszettel für die Arbeit brauche oder ähnliches.
Wenn die Frau so könnte, wie sie wollte, würde sie bestimmt ihre Patienten "reden lassen". Aber das ist nun mal unter den heutigen Bedingungen völlig ausgeschlossen und ich finde es auch viel verlangt, als sowieso schon überlastete Ärztin noch Seelentröster spielen zu müssen und das aufzufangen, was Familie und Freunde vernachlässigen.
Ein Arzt hat leider sehr viel zu tun und bekommt nicht einfach mal die Redezeit bezahlt. Er sollte also zusehen, dass er nicht so viel Zeit damit verbringt von der Cousine dritten Grades seines Patienten zu hören, sondern von dem Leiden des Patienten und dieses dann behandeln. Ich finde es zwar gut, wenn ein Arzt auch auf die Psyche seiner Patienten achtet, aber stundenlang reden lassen ist einfach nicht drin und das finde ich auch unrealistisch, immerhin kann ein Arzt auch nicht auf das Gel verzichten und Patienten unbehandelt im Wartezimmer sitzen haben, wenn er eigentlich Zeit haben würde.
Generell kommt es natürlich auf die Art des Arztes an: Ich weiß nicht ob es meinen Dermatologen interessiert, was mir so auf der Seele liegt, wenn ich bei einer Routineuntersuchung anfange mit ihm darüber zu sprechen. Hingegen würde es meinen Psychologen oder meine Psychologin sicherlich mehr interessieren, was ich denn so für Probleme habe.
Falls du mit Arzt den ganz normalen Hausarzt meinst, dann kann ich deine Frage nur bejahen. Das große Problem dabei ist aber mit Sicherheit nicht, dass es deinen Hausarzt gar nicht mal interessiert wie es die (psychisch) geht, sonder dieser wahrscheinlich einfach keine Zeit hat. Wir kennen doch alle diese Situation, wenn man zu bestimmten Zeiten im Jahr zum Arzt geht und die Menschen bereits vor der Praxis anstehen und warten bis sie endlich dran kommen. Da kann sich der Arzt einfach nicht die Zeit für jemanden nehmen (leider).
Sicher gibt es Erkrankungen, die eher psychosomatischer Natur sind und die man als Arzt nicht diagnostizieren kann wenn man sich nur fünf Minuten mit den Symptomen beschäftigt. Aber dein Arzt ist halt kein Psychologe und wird nicht dafür bezahlt, wenn du ihm deine Familiengeschichte erzählst und was für Probleme du gerade wieder mit deinen Haustieren hast.
Ich weiß von diversen Ärzten in meinem Umfeld, dass Überstunden - natürlich unbezahlt - die Regel sind. Die kommen schon durch zwei, drei Minuten Smalltalk nach dem Motto "wie war ihr Urlaub?" zustande. Wenn die auch noch Psychologen für die Patienten spielen würden hätten sie wahrscheinlich gar kein Privatleben mehr.
Ich verstehe es aber eh nicht warum Menschen des Bedürfnis haben ihre Ärzte mit Dingen vollzuquatschen, die überhaupt nichts mit dem Thema zu tun haben. Ich habe einen Orthopäden, den ich auch vom Sport kenne, und finde es schon immer etwas irritierend wenn eine Untersuchung in einer Unterhaltung über die besten Skigebiete endet.
Es gibt aber auch Hausärzte, die eine Zusatzqualifikation für die psychosomatische Grundversorgung haben. Die sollen durchaus Gespräche mit den Patienten führen. Außerdem darf man nicht immer denken, dass alle Ärzte heillos überlastet sind. Ich kenne das selber jemanden, der in einer Klinik gearbeitet hat und zwischendurch immer Musik gehört hat oder Bücher gelesen hat.
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