Ahnungslose Flohmarkt-Verkäufer ausnutzen?
Es kann schon mal vorkommen, dass man auf einem Flohmarkt auf eine wirklich wertvolle oder teure Sache stößt, die für wenig Geld angeboten wird, weil der Verkäufer sich nicht über den Wert der Sache im Klaren ist. Ich weiß noch, dass wir vor vielen Jahren mal einen Stand gesehen haben, an dem höchst seltene Pokémon-Karten für ein Euro pro Stück verkauft wurden. Auf eBay wurden die damals noch für hohes Geld gehandelt. Für den ahnungslosen Verkäufer waren das einfach irgendwelche Sammelkarten, er kannte Pokémon nicht einmal.
Eine Freundin sah auf dem Flohmarkt letztens irgendeine limitierte Konsole, noch original verpackt, die heute nicht mehr zu kaufen und ein paar hundert Euro wert ist. Hier wurde sie für 15 Euro angeboten. Meine Freundin hat kurz überlegt, die Verkäufer darauf anzusprechen, dass sie das Gerät sehr tief unter Wert verkaufen, aber da hatte das Ding auch schon jemand gekauft.
Würdet ihr Flohmarkt-Verkäufer darauf ansprechen, wenn sie etwas verkaufen, von dem sie offensichtlich nicht wissen, welchen Wert es hat? Würdet ihr so etwas kaufen, wenn ihr damit viel Geld sparen könnt und findet ihr nichts weiter dabei?
Ich würde den Verkäufer in solchen Situationen ehrlich gesagt nicht auf den Wert seiner Waren ansprechen und mich einfach über das Schnäppchen freuen, auch wenn das gemein klingt. Aber zum einen wird man als Kunde oft genug selbst bei jeder erdenklichen Gelegenheit nach Strich und Faden über den Tisch gezogen und bekommt teilweise überteuerte und minderwertige Ware für Wucherpreise untergejubelt, und zum anderen kann man ja nicht wissen, ob sich der Verkäufer nicht durchaus der Tatsache bewusst ist, dass seine Artikel sehr viel mehr wert sind, und dass er sie dennoch günstig abgeben will, weil er den Platz und das Geld einfach dringender braucht.
Als ich in meine erste Wohnung gezogen bin und plötzlich mein Leben eigenständig finanzieren musste, habe ich mich auch von einigen liebgewonnenen Schätzen und Sammlungen getrennt, weil ich erstens keinen Platz dafür gefunden habe und zweitens eine warme Mahlzeit und eine beheizte Wohnung plötzlich sehr viel wichtiger fand als einen Stapel seltener Briefmarken. Bei vielen Sammelobjekten hat man ja auch das große Problem, dass man erstmal einen Abnehmer finden muss, der sich dafür interessiert - und gerade Pokémon-Karten und Co sind heutzutage einfach nicht mehr so sehr im Trend, sodass die Nachfrage extrem gesunken ist. Was bringt es mir also, eine Karte, die theoretisch hunderte an Euros wert ist, strikt nicht darunter abzugeben, wenn einfach niemand aufzufinden ist, der den Realwert bezahlen will? Wenn ich selbst nichts mehr damit anfangen kann, dann habe ich von 30 Euro doch immer noch mehr als von einem Stück Pappe in meinem Ordner, oder nicht?
Ich habe auch massig Zeug deutlich unter Wert abgegeben, war im Endeffekt aber trotzdem froh, es los zu sein. Bei außergewöhnlich wertvollen Dingen würde ich es mir noch einmal überlegen und vielleicht lieber länger auf einen Käufer warten, aber wenn ich nicht mehr an etwas hänge und keinerlei Interesse mehr daran habe, dann kommt Ramsch bei mir in die Tonne oder wird verkauft.
Persönlich gesehen, finde ich dies nicht unbedingt als ausnutzen wenn man eine oder mehrere Sachen deutlich unter dem Wert kauft. Schließlich geht man ja auf den Flohmarkt um das ein oder andere Schnäppchen zu machen.
Ich denke auch mal, dass dies nicht unbedingt von Ahnungslosigkeit bei manchen Verkäufern her geht. Diese bekommen ja den für sich ausgemachten Wert den sie sich vorgestellt haben und nicht alle Flohmarkt Verkäufer gehen nur wegen dem Geld dahin, für manche ist es halt eine Gelegenheit mal zu entrümpeln und ein paar Euro für die Kinder oder Enkel zu machen.
Ich bin der Ansicht, dass der Verkäufer selbst Schuld ist, wenn er die Sachen deutlich unter Wert verkauft. Ich habe schon einige Male etwas verkauft und habe mich vorher immer erkundigt, wie viel ähnliche Produkte im ähnlichen Zustand überhaupt Wert sind. Daran habe ich mich eben beim Verkauf orientiert, weil ich eben ein gutes Angebot machen wollte und nicht deutlich unter Wert verkaufen wollte. Wer sich da nicht vorher erkundigt und Preise vergleicht, ist doch selbst Schuld meiner Ansicht nach.
Man kann sich heutzutage schnell über die aktuellen Preise informieren und daher empfinde ich es als die Schuld des Verkäufers, wenn er sich nicht darüber informiert. Ich habe auch mal ein Schnäppchen auf dem Flohmarkt gemacht. Dabei handelte es sich um eine Liege für Babys, die neu ungefähr 150 € und gebraucht 100 € gekostet hätte, ich habe sie für 10 € bekommen. Ich freue mich dann einfach darüber, würde dem Verkäufer also nicht Bescheid geben. Man muss ja auch keine erwachsenen Leute belehren.
Ein großer Teil meiner Bakelit Schmuck Sammlung ist tatsächlich auf diesem Weg zu mir gekommen. Durch Leute auf dem Flohmarkt, die keine Ahnung von der Materie haben und die froh waren, dass ihnen jemand die ganze Schachtel mit Omas "Plastikschmuck" für fünf Euro abgekauft hat.
Habe ich deshalb ein schlechtes Gewissen? Habe ich jemanden ausgenutzt? Meiner Meinung nach nicht, denn ich bin ja nicht im Besitz von irgendwelchem Geheimwissen, zu dem die Verkäufer keinen Zugang haben. Es ist heute so leicht wie nie vor dem Verkauf schnell zu schauen, was etwas Wert ist. Das machen viele Käufer auf dem Flohmarkt schließlich auch. Die schauen direkt am Stand auf dem Smartphone, was etwas vergleichbares bei Ebay kostet.
Außerdem ist es auch nicht mein Job Leute über Modeschmuck aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sie erkennen, dass ein hundert Jahre alter Armreif aus Plastik nicht mit einem Plastikarmreif aus dem Kaugummiautomaten zu vergleichen ist. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man als Verkäufer wirklich Lust darauf hat einen Vortrag zu bekommen, man will schließlich einfach sein Zeug loswerden und nicht gesagt bekommen, dass man total ahnungslos sei.
Ich denke auch, dass es eben zum Flohmarkt-Erlebnis dazugehört, ein "Schnäppchen" zu machen. Es steht Käufern wie Verkäufern ja frei, vorher zu recherchieren, ob es sich bei Uromas altem Kram um Sammlerstücke handelt oder ähnliches. Aber das kostet eben auch Zeit und Aufwand, und es ist dann auch nicht gesagt, dass sich auf dem Flohmarkt auch ein Liebhaber findet, der einen angemessenen Preis für die Pokemon-Karte hinlegen möchte.
Man muss auch die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten - nicht jeder hat Zeit und Interesse, sich in die Feinheiten des Antiquitätenhandels oder der Porzellanherstellung der letzten 200 oder so Jahre einzulesen, sondern möchte den Krempel einfach nur loswerden, weil er im Weg herumsteht. Und das ist ja der ursprüngliche Zweck eines Flohmarkts. Sonst müsste man sich mit Fachhändlern und Messen herumschlagen, und da hat auch nicht jeder Lust darauf. Und für viele ist 100 Jahre alter Plastikschmuck eben Plastikschmuck, den man hässlich findet und loswerden will.
Ich denke, dass es dem Flohmarktgedanken widersprechen würde, die Verkäufer auf den Wert ihrer Sachen aufmerksam zu machen. Man geht doch gerade auf Flohmärkte, um Schnäppchen zu machen, wie etwa ein wertvolles Steifftier für fünf Euro zu ergattern oder vielleicht sogar einen verstaubten Rembrandt zu entdecken. Wenn ich was wirklich Wertvolles im Wert von Tausenden von Euro ergattere, würde ich im Nachhinein den Flohmarktverkäufer daran teilhaben lassen - wenn ich ihn denn noch finde.
Oft weiß man ja selber vorher noch nicht, ob etwas wertvoll, sondern kauft es auf Verdacht. Gerade bei Schmuck kann man als Laie nicht sofort sehen, ob er echt ist. Ich habe auf einem Flohmarkt einmal eine schöne Kette für ein paar Euro gekauft und hinterher erst von anderen erfahren, dass sie aus Bernstein war.
Selbst Museen machen schon mal Schnäppchen und ergattern wertvolle Bilder zu Dumpingpreisen, wahrscheinlich selten auf Flohmärkten. Die bayerische Staatssammlung hat das einzige Gemälde von Leonardo da Vinci, das in einem deutschen Museum hängt, einmal sehr günstig für 800 DM erstanden. Ich glaube von einem Apotheker, zu dem die Madonna mit der Nelke auf nicht nachvollziehbaren Wegen gelang und lange in seinem Treppenhaus oder Wohnzimmer hing. Hinterher hat die Pinakothek ein schlechtes Gewissen bekommen und ihm wenigstens den Verdienstorden dafür gegeben.
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