Ärzten Zulassung entziehen, bei abweichendem Verhalten?
Die Überschrift ist seltsam, hatte zu wenig Platz um das zu schreiben, was ich gerne schreiben würde. Ich wollte das so formulieren, ob man Ärzten die Zulassung bzw. Kassenzulassung entziehen sollte, wenn diese sich abweichend Verhalten und ihre Patienten nicht nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft behandeln. Eine Bekannte von mir ist zumindest dieser Meinung. Sie meint, dass dies zum Wohle der ganzen Gesellschaft wäre.
Ich sehe das etwas kritischer. Mag sein, dass das beim Thema Impfen noch relativ einfach ist, aber es gibt auch Themen, da sind die Studien so widersprüchlich, dass man gar nicht mehr weiß, was Sache ist. Nehmen wir den Salzkonsum nur so als Beispiel, in manchen Studien hat das Bluthochdruck zur Folge, wieder andere Studien behaupten, dass dieser Effekt nicht vorhanden wäre.
Wie sollen Ärzte dann handeln? Wer legt den wissenschaftlichen aktuellen Stand fest? Was haltet ihr von dieser Idee? Sollte man Ärzten tatsächlich die Zulassung entziehen, wenn diese vom Verhalten her vom aktuellen Stand der Wissenschaft abweichen? Oder ist das Irrsinn?
Na ja, das scheint für mich ein etwas komplexeres Thema zu sein. Zum einen muss man ja Arzt sein, um sich da wirklich in der Materie aus zu kennen. Dies kann man nur studieren, wenn man in der Schule einem gewissen Numerus Clausus entspricht.
Wenn man sich selber nicht auskennt, fällt es auch als Patient schwer, zu entscheiden, ob der Arzt nun ein abweichendes Verhalten an den Tag gelegt hat. Außerdem wird man keine Chance haben, wenn man der einzige Patient ist, der sich über den jeweiligen Arzt beschwert.
Natürlich sollte es Kontrollen geben, ob Ärzte ihre Arbeit korrekt erledigen, immerhin hängen ja Menschenleben davon ab. Scharlatane gibt es überall. Aber wer sollte denn das überprüfen und aufdecken, ob die Ärzte ein abweichendes Verhalten haben?
Gerade wie in dem Thread beschrieben wurde, gibt es mittlerweile was die Gesundheit und Ernährung angeht so viele widersprüchliche Studien, dass man wirklich kaum noch weiß, welche richtig sind und welche nicht so ernst genommen werden sollten.
Die Menschen werden verrückt gemacht, in dem zahlreiche Sendungen im Fernsehen laufen, zahlreiche Studien in der Zeitung stehen und das Internet ebenfalls voll von Ernährungstipps und Fallen sind. Auf der einen Seite heißt es Zucker ist schädlich, auf der anderen Seite Fett ist schädlicher.
Dann heißt es wieder das Gesündeste wäre Rohkost und dann wiederum Rohkost wäre nicht gut für die Verdauung, weil der Mensch nicht darauf ausgelegt wäre, Rohkost zu essen. Dann heißt es, Fleisch wäre ungenießbar, weil zu viele Medikamente drin wären, wegen der Massentierhaltung und den Antibiotika.
Also ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in der heutigen Zeit, wo diese ganzen Verwirrungen der Wissenschaften existieren und alle Menschen immer über die Medien verwirrt statt informiert werden, keine Ärztin sein möchte. Denn immerhin ist es so, dass ich dann ebenfalls dafür verantwortlich gemacht werden würde, wenn ich jetzt einen Patienten nach einer aktuellen Studie behandle, die sich dann als falsch erweist.
Ich bin wie schon öfter erwähnt ein großer Anhänger der wissenschaftlichen Methode, so mit Forschung, und Experimenten und Studien und Zahlen, Daten und Fakten. Von daher hätte ich es schon ganz gerne, wenn die Leute, die für etwas derart eminent Wichtiges wie meine Gesundheit zuständig sind, auch schon mal davon gehört haben bzw. nicht nach Gefühl, Gerüchten, alternativen Fakten oder Tagesstimmung meine Malaisen unter die Lupe nehmen. Das wäre zumindest das Ideal.
Eine wissenschaftliche Grundlage anzuwenden heißt ja zudem nicht, dass es einen einzigen Königsweg gibt, um jedes Zipperlein zu behandeln und alle Alternativen Schwachsinn sind. Dann bräuchten wir ja kein Medizinstudium mehr, eine einzige Datenbank würde genügen. Die Welt ist nun mal komplex genug, dass es verschiedene "wissenschaftlich" fundierte Meinungen, Methoden und Herangehensweisen gibt und Erfahrung nötig ist, um die jeweils richtige zu wählen. Deswegen sind ja nicht alle anderen falsch. Und dafür halten wir uns ja Fachleute, damit die den Durchblick bewahren, wenn der Laie sich verwirrt am Kopf kratzt, ob Kaffee nun gut oder schlecht fürs Herz ist.
Und ich fände es nicht zu viel verlangt, wenn sich MedizinerInnen so gut es geht die Mühe machen würden, sich auf dem Laufenden zu halten, was die Behandlung von Krankheiten angeht. Zumindest für den Alltagskram von Bluthochdruck bis Fußpilz, der in Hausarztpraxen eben so anfällt. Natürlich macht das Arbeit, aber das Studium meiner Hausärztin damals im Ostblock ist bestimmt über 30 Jahre her, und ich bin nicht glücklich, wenn man mir Medikamente verschreibt, die in den 1980ern Gold-Standard waren, von denen aber dank "neuer Studien" mittlerweile abgeraten wird, weil sie Leberschäden verursachen.
Gerbera hat geschrieben:Und ich fände es nicht zu viel verlangt, wenn sich MedizinerInnen so gut es geht die Mühe machen würden, sich auf dem Laufenden zu halten, was die Behandlung von Krankheiten angeht. Zumindest für den Alltagskram von Bluthochdruck bis Fußpilz, der in Hausarztpraxen eben so anfällt. Natürlich macht das Arbeit, aber das Studium meiner Hausärztin damals im Ostblock ist bestimmt über 30 Jahre her, und ich bin nicht glücklich, wenn man mir Medikamente verschreibt, die in den 1980ern Gold-Standard waren, von denen aber dank "neuer Studien" mittlerweile abgeraten wird, weil sie Leberschäden verursachen.
Hier sind wir ja wieder bei Wunsch und Wirklichkeit. Im Grunde ist es ja schon so, dass man eben als Arzt ja nicht machen darf was man will und Therapiefreiheit heißt, dass man da als Halbgott in Weiß über allem steht. Grundsätzlich sind Ärzte ja zu regelmäßiger Fortbildung verpflichtet und müssen diese auch nachweisen. So muss ich immer innerhalb von fünf Jahren eine festgelegte Zahl an Fortbildungspunkten vorweisen um nicht sanktioniert zu werden. Wie auch immer die Strafe von der Ärztekammer dann aussehen würde.
Und grundsätzlich hat man sich als Arzt an der Evidence-based-medicine zu orientieren, also an Medizin, die durch Fakten und Studien belegt ist und eben auch am Stand der Wissenschaft. Gibt es also heutzutage eine gängige Lehrmeinung, dass man dein Medikament nicht mehr nehmen sollte und es gibt stattdessen fünf bessere und du leidest dann unter einer Nebenwirkung, dann kannst du deinen Arzt bei der Ärztekammer anzeigen und wirst dann höchstwahrscheinlich vor der Schiedsstelle Recht bekommen mit deiner Beschwerde.
Aber das ganze System hat natürlich auch so seine Fallstricke. Das fängt schon damit an, dass niemand überprüft wie ich mich fortbilde. Da gibt es ja ein ganz buntes Feld von streng wissenschaftlichen Tagungen, die Up to date sind über ein paar Fragen, die ich einer Fachzeitschrift beantworten kann indem ich da immer wieder im Artikel dazu nachschaue bis hin zu Spaßveranstaltungen wo sich ein paar Ärzte zum Golfen unter freundlichen Beteiligung der Pharma- und Heilmittelindustrie treffen.
Auch ist es völlig egal worüber ich mich weiterbilde. Sagen wir mal du bist Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, dann würde ich doch erwarten, dass du dich insbesondere auf diesem Gebiet weiterbildest. Aber rein theoretisch könntest du auch zu einer Tagung der Gynäkologen gehen, weil du denkst, da findet man eine nette Frau, trägst dich da ein und kriegst deine Fortbildungspunkte oder sagen wir mal wenigstens du gehst da hin, weil dich einfach noch die Gynäkologie interessiert. Du erfüllst den geforderten Fortbildungsanspruch, lernst aber auf deinem Fachgebiet überhaupt nichts.
Genauso kommt ja auch dazu wie hier schon geschrieben, dass du ja überhaupt erstmal mitbekommen musst, dass da jemand nicht auf dem aktuellen Stand der Dinge ist. Denn auch das ist ja die Krux. Es geht einzig und allein darum nach fünf Jahren die Punkte vorweisen zu können und man kriegt sein Zertifikat. Kein Mensch schaut nach, ob du was gelernt hast und niemand schaut aktiv nach, ob du auf deinem Gebiet wirklich zeitgemäß unterwegs bist. Da muss eine Anzeige kommen, damit dem nachgegangen wird.
Im Endeffekt muss der Arzt also irgendeinen gravierenden Fehler machen oder der Patient muss selber auf dem Gebiet gebildet sein oder zumindest jemanden kennen, der ihm dann sagt, dass das nicht so in Ordnung ist, was da gelaufen ist. Und auch da ist ein Knackpunkt. Viele Ärzte werden sich sehr zurückhalten, wenn sie über andere Kollegen was sagen müssen. Zum einen stellt sich die Frage, ob es nicht einen guten Grund gab, es anders zu machen, als es eigentlich gemacht wird. Zum anderen will man und soll man nicht grundlos schlecht über andere Kollegen reden und mitunter gibt es auch wirtschaftliche Abhängigkeiten. Wenn es in einer Stadt mehrere Krankenhäuser gibt, dann wird man sich im Krankenhaus damit zurückhalten etwas zu sagen aus Angst, dass der Kollege dann keine Patienten mehr einweist.
Von daher muss also schon ordentlich was schief laufen, damit man da was sagt und der Patient muss vermutlich auch manchmal ganz genau hinhören, wie ein zweiter Arzt eine Alternativtherapie verkauft um zu erkennen, dass er das was der erste Kollege getan hat für Mumpitz hält.
Nichts desto trotz sollte man aber im Sinne der Patienten immer zu sehen, dass man einigermaßen aktuelle Behandlungen vorhält und durchführt. Und wer sich dagegen partout weigert und mittlerweile verbotene Behandlungen oder zumindest klar nicht mehr empfohlene Behandlungen durchführt, der sollte auch bestraft werden können. Das soll nicht heißen, dass man nicht von dem einzig wahren Weg abweichen darf, aber man sollte es eben gut begründen können.
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