Abtreibungsgesetze USA - welche Folgen sind absehbar?
Von Euch werden es wohl die allermeisten bereits mitbekommen haben, denn in den USA ist ein historisches Recht der weiblichen Selbstbestimmung gekippt worden. Genauer geht es um das Recht auf Abtreibungen, welches der Supreme Court mittlerweile auch im Falle von Vergewaltigungen seinen Opfern nicht mehr zuspricht.
Insgesamt waren die Stimmen mit 6:3 klar gegen diese freiheitliche Selbstbestimmung der Frau, was unweigerlich daran lag, dass es sich bei den 6 Gegenstimmen um Konservative handelte, welche teilweise auch durch Trump an ihre Macht gekommen sind. Ohne liberale Richter wird ein derzeitiges Anfechten des Urteils also kaum umsetzbar sein, was bis zu sieben Millionen Frauen in den USA schwer zu schaffen machen dürfte. Denn genau diese Zahl soll von dieser Entscheidung betroffen sein.
Mehrere US-Bundesstaaten, allen voran die südlichen Regionen, haben das Gesetz natürlich dankend angenommen, sodass schon ab jetzt das Gesetz gültig ist und Frauen nur in ausgesprochen wenigen bis gar keinen begründeten Fällen mehr eine Abtreibung vornehmen können. Denn generell waren mit dem Urteil des Supreme Courts Abtreibungen nicht illegal, aber es ebnete die Türen, um sie in die Illegalität zu treiben, was teilweise geschieht.
Doch ich stelle mir auch zukünftige Fragen darum, was dieses Gesetz für mögliche Auswirkungen mit sich bringen kann? Könntet Ihr Euch vorstellen, dass ein Abtreibungstourismus entsteht oder gar Selbstmord- sowie Kindesmordraten steigen? Was denkt Ihr, was dieses Gesetz nun für Auswirkungen haben könnte oder was befürchtet Ihr?
Ich denke eher, dass die Mordrate bei Kindern steigen wird. Man muss das Kind ja austragen und daher kann ich mir nur vorstellen, dass man ein Kind, welches man nicht lieben kann, wohl eher umbringt. Mir macht das wirklich Angst. Eine Frau, die sich nicht in der Lage dazu fühlt ein Kind zu gebären, sollte dies auch nicht machen müssen und da sind die Gründe absolut egal. Dieses Kind würde es nie gut haben, denn selbst wenn es adoptiert wird, hat es dann vielleicht ein Leben lang die psychischen Probleme durch dieses Abgegeben werden.
Ich glaube eher wenige Frauen bringen sich in so einer Situation selber um. Wie da die Zahlen sind, weiß ich nicht, aber ich kann mir das so gar nicht vorstellen, denn selbst bei einer Vergewaltigung empfindet man dann ja sicherlich eher negative Gefühle dem Kind gegenüber und nicht sich selber gegenüber. Es ist alles nur raten, zum Glück musste ich da selber noch nicht durch und ich habe auch nie abgetrieben, aber ich empfinde es als absolute Frechheit, wenn man die Entscheidung nicht selber treffen kann, ob man ein Kind in sich behalten will oder nicht.
Es gibt nunmal diese Möglichkeiten und in vielen Fällen ist das auch einfach gut und die richtige Entscheidung. Ich sehe es als massiven Rückschritt und letztendlich auch absolut der Freiheitsrechte beraubend. Ich würde da als Frau nicht mehr leben wollen, wenn ich so eine elementare Entscheidung nicht selber treffen kann. Ob ich es nun machen würde oder nicht, ist ja eine andere Frage, aber ich will das entscheiden können.
Die Leute, die es sich leisten können, werden in einen anderen Bundesstaat fahren, die anderen werden zu einem Kurpfuscher gehen oder sich im Internet irgendwelche Mittelchen bestellen. Dadurch wird die Todesrate bei schwangeren Frauen leider steigen. Es werden halt Zustände sein wie bei uns, als die Abtreibung noch streng verboten war und mit harten Strafen belegt wurde. Vielleicht steigt auch die Selbstmordrate bei schwangeren jungen Frauen.
Dass die neugeborenen Kinder verstärkt ermordet werden, glaube ich eigentlich nicht. Ich kenne allerdings auch keine Statistiken dazu, ob die Neugeborenen früher vor der Legalisierung der Abtreibung häufiger ermordet wurden als heute. Ich finde die neuen Abtreibungsgesetze in den USA schrecklich. Selbst Abtreibung bei Vergewaltigungen kann ja in den Bundesstaaten verboten werden.
Was ich bei diesen Pro-Live-Konzepten nicht verstehe: es fehlt meistens an Vorschlägen, was eigentlich mit den geborenen Kindern geschehen soll, die aus einer unglücklichen oder ungewollten Situation heraus entstanden sind. Wie genau soll sichergestellt werden, dass diese Kinder in einer wertschätzenden und liebevollen Umgebung aufwachsen können? Mein Eindruck ist häufig, dass der Schutz dieser Kinder meistens kurz nach der Geburt endet, und man sie danach mehr oder weniger "ihrem Schicksal überlässt".
Jedenfalls werden die geänderten Gesetze wahrscheinlich dazu führen, dass deutlich mehr Kinder (und somit spätere Erwachsene) geboren werden, die von Anfang an ungeliebt und ungefördert (weil ungewollt) aufwachsen müssen, mit all den Folgen, die damit zusammenhängen.
Scheinbar berücksichtigt hier niemand auch nur ansatzweise die Lebensrealitäten in den USA. Das wird von Kindermord und Suizid geredet, was selbst unter extrem schlechten Bedingungen selten vorkommt. Das, was tatsächlich ganz viele Frauen betrifft, das wird schlichtweg ausgeblendet und besser nicht angesprochen.
Zuerst einmal werden viel mehr Frauen in den USA während der Schwangerschaft, der Geburt und im ersten Jahr danach sterben. Und damit meine ich nicht die, die verzweifelt irgendeine Engelmacherin oder einen dubiosen "Arzt" aufgesucht haben. Unter 19 modernen Industrienationen haben die USA die höchste Müttersterblichkeit. Schon ohne die Verbote von Abbrüchen in einigen Staaten steigen die Todeszahlen hier absolut gegen den Trend anderer Länder an. Und das betrifft besonders arme Weiße und Minderheiten. Von 100.000 Schwangerschaften enden in den USA mehr als 23 für die Mutter tödlich.
Betrachtet man nur die schwarze Bevölkerung, sterben hier mehr als 55 Frauen pro 100.000 Schwangerschaften. Damit man ein Gefühl für die Verhältnismäßigkeit bekommt: Im häufig nur wenig dicht besiedelten Kanada, wo die Menschen eine den Amerikanern ähnliche Mentalität haben, sterben nur 7,5 Frauen pro 100.000. In Polen oder Norwegen gibt es gar nur 2 Todesfälle und in Deutschland sind es 7 pro 100.000.
Also allein durch die Tatsache, dass Frauen gezwungen sind, die Schwangerschaft auszutragen, werden die Müttersterblichkeit um 7 weitere Frauen pro 100.000 steigen, Betrachtet man allein die Schwarzen, werden es statt 55 in Zukunft 67 tote Mütter pro 100.000 Schwangerschaften sein. Und die sterben garantiert nicht alle bei der ersten Geburt ihres Lebens. Es bleiben nicht nur erwachsene Angehörige, sondern auch viele Waisen zurück.
Ob das mit dem Reisen für die Wohlhabenden so einfach wird, bleibt abzuwarten. Erste Bundesstaaten denken darüber nach, die Reisefreiheit für Schwangere einzuschränken. Außerdem sieht Richter Thomas nach dem Urteil die Verhütung als nächsten Punkt an, der geprüft werden muss. Zumindest Verhütungsmittel als Kassenleistung werden kritisch gesehen.
Da Geburten in den USA meist um die 15.000 Dollar, wenn alles gut geht, und bis 40.000 Dollar mit Kaiserschnitt kosten, werden noch mehr Frauen ihr Leben und das des Kindes gefährden müssen, weil sie keinen bezahlbaren Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen und Geburtshilfe haben und eventuelle Erkrankungen wie Schwangerschaftsdiabetes oder Präeklampsie selbst dann nicht behandeln lassen können, wenn sie davon wissen. Immerhin beträgt der Eigenanteil selbst für versicherte Frauen meist über 4.000 Euro, das ist mehr als ein durchschnittlicher Monatslohn.
Weitere Frauen wird es schwer schädigen oder umbringen, wenn sie versuchen, sich mit der Abtreibungspille zu helfen. Diese ist dank FDA bundesweit zugelassen und kann weiterhin per Onlinesprechstunde verschrieben und per Post zugestellt werden. Aber online lassen sich nicht alle Kontraindikationen ausschließen und die nötige Nachkontrolle ist natürlich auch nicht möglich. Vor Ort geht das auch nicht, selbst bei schweren Komplikationen ist der Arztbesuch ein Risiko, weil dann das gesetzwidrige Handeln ans Licht kommt. Und klappt es nicht, besteht ein hohes Risiko für Behinderungen beim Kind.
Aufgrund der hohen Kosten und des fehlenden Mutterschutzes werden Frauen und ganze Familien ihre Wohnungen und Häuser verlieren. Also werden noch mehr als nur bisher etwa 3 Millionen Kinder in Autos, Kellern oder bei Freunden hausen. Und da sind noch nicht einmal die Millionen bei, die als ganze Familien in Hotelzimmern dicht aufeinander hocken. Es werden mehr Säuglinge und Kleinkinder unbeaufsichtigt allein bleiben, weil die Kinderbetreuung zu teuer ist und die Eltern von Job zu Job hetzen.
Ihr vergesst scheinbar alle, dass in den USA nur etwa die Hälfte der Menschen über den Arbeitsgeber versichert ist. Medicaid und Medicare stehen den meisten Unversicherten trotzdem nicht zu und eine private Police haben gerade einmal 5 %. 15 % sind komplett nicht abgesichert und ein Drittel der Versicherten ist so stark unterversichert, dass sie sich die Krankheitskosten trotz Vorsorge nicht leisten können. Dazu gibt es keinen bezahlten Mutterschaftsurlaub und die Kinderbetreuung muss man sich erst einmal leisten können.
Das heißt dann auch, dass viele Kinder durch ungeplante Geschwister das Geld für bessere Schulen oder eine Ausbildung nach der High-School verlieren werden. Aber das macht ja nichts, schließlich geht es pro-life nicht um die Kinder oder gar deren Eltern. Es geht um die Kontrolle und Unterdrückung von Frauen, von Armen und von Minderheiten. So gewinnt man billiges Kanonenfutter für die Wirtschaft, Kriege und was man sich sonst so wünscht. Und das beste ist, dass man ganz unschuldig an der Situation ist, weil die ist ja gottgewollt.
cooper75 hat geschrieben:
Ihr vergesst scheinbar alle, dass in den USA nur etwa die Hälfte der Menschen über den Arbeitsgeber versichert ist.
Nun, weil ich es nicht erwähnt hatte, da ich in dem Moment einen anderen Aspekt des weitgefächerten Themenspektrums erwähnen wollte, bedeutet nicht, dass ich es vergessen oder nicht gewusst hätte. Mir ist das eher desolate Krankenversicherungssystem in den USA sehr wohl bekannt und es ist auch nicht so, dass ich es vergessen würde. Trotzdem fand ich den von mir erwähnten Punkt erwähnenswert, und nur weil man nicht alle Aspekte zur Sprache bringt, bedeutet ja nicht, dass man alle nicht erwähnten Punkte vergessen hätte.
Lascar, du gehst also davon aus, dass Kinder, die nicht abgetrieben werden konnten, sehr oft nicht geliebt werden? Tatsächlich ist das nicht so häufig der Fall. Ebenso wenig wie Wunschkinder automatisch in einer wertschätzenden Umgebung aufwachsen. Und Förderung ist den USA eher abhängig vom Geldbeutel als von anderen Dingen.
Es ist einfach ein absoluter Rückschritt. Hier wurden ja schon genug sehr objektive Gründe genannt, warum es für die Gesellschaft nachteilig ist auf Grund des für uns unsozialen Kankenversicherungssystems.
Aber nichts desto trotz finde ich auch ganz unabhängig davon, dass Frauen doch in einem doch eher weit gefassten Rahmen über ihren Körper bestimmen sollten. Und es geht ja hier auch nicht nur um Abtreibungen, wo jemand einfach zu blöd zum Verhüten war und die Pille danach als Verhütungsmethode sieht. Das gibt es ja bei uns auch. Aber diese Intention halte ich jetzt nicht für die überwiegenden Gründe um eine Abtreibung durchzuführen.
Verhütung kann ja auch einfach mal schief gehen. Genauso wie eine vergessene Pille ja auch völlig menschlich ist. Aber so wie ich es verstehe, fallen da ja teilweise sogar Vergewaltigungen drunter, wo man nicht mehr ohne weitere abtreiben darf. Also Kinder, die von den Müttern nie gezeugt werden sollten. Kinder, die schon vor der Geburt keine intakte Familie haben wie es sich die ganzen Pro-Life Vertreter vorstellen. Dass die Frauen ihre Kinder danach in überwiegender Zahl nicht lieben, glaube ich dagegen weniger. Aber trotzdem können so ja auch Lebensträume völlig zu Nicht gemacht werden.
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