Absichtlich durch Prüfung fallen, um nicht zu arbeiten?

vom 05.07.2017, 16:02 Uhr

Eine Bekannter stand vor seiner Abschlussprüfung zum Krankenpfleger und hat diese aber nicht bestanden. Er soll wohl Prüfungsangst haben oder ähnliches. Ich kenne ihn nicht gut genug, um dies beurteilen zu können.

Nun meinte eine Freundin von ihm aber, dass er sicherlich absichtlich durchgefallen wäre, weil er dann ja hätte anschließend arbeiten gehen müssen. Dann wäre das schöne Leben aus Berufsschule und Dienst im Krankenhaus so ja zu ende gewesen. Sie meinte, dass er den ganzen Stoff drauf gehabt hätte und eigentlich hätte bestehen müssen.

Er ist auch dafür bekannt, dass er sich immer von seinen Freundinnen finanziell aushalten lässt und diese das wohl so mitmachen. Er hat dann aber wohl sein ABI nachgeholt und ein Studium begonnen. Nun fragt man sich im Freundeskreis ob er dies nicht langsam beendet haben müsste und er was er nun als nächstes machen wird.

Könnt ihr euch vorstellen, dass jemand wirklich eine Prüfung sausen lässt oder durch fällt, damit er nicht arbeiten gehen muss? Ist das nicht nur gemeines Gerede, wenn man jemanden schlecht machen möchte? Kann es nicht wirklich an der Prüfungsangst gelegen haben, dass er durchgefallen ist?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Da ich selbst Gesundheits- und Krankenpflegerin bin und das ganze selbst durchgemacht habe sage ich eindeutig: Nein, sowas kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wer wirft denn drei Jahre weg für die man so viel Blut, Schweiß und Tränen lassen musste? Ich weiß nicht was für eine Vorstellung die Leute haben, aber die Ausbildung ist sehr anspruchsvoll und in diesen drei Jahren Lehrzeit büffelt man nicht nur ständig eine Unmenge an Lehrstoff in sich, sondern ackert wie ein Pferd. Das ist auch ein körperlich und psychisch fordernder Beruf für den einfach nicht jeder gewachsen ist.

Etwas lässt mich stutzig werden, denn auch wenn dein Freund durchgefallen ist, ist das nicht das Ende, denn man bekommt immer eine zweite Chance und je nachdem wo er durchgefallen ist muss er diesen Teil beim zweiten Versuch bestehen. Ist er in der praktischen Prüfung durchgefallen, so hätte er nach einem halben Jahr die praktische Prüfung wiederholen können und in der Zeit hätte er im Betrieb weiter gearbeitet. Ist er im schriftlichen durchgefallen, wird er nicht weiter beschäftigt, muss aber nach 3 Monaten den Teil den er versemmelt hat wiederholen (Es gibt drei schriftliche Prüfungen). Hat er im mündlichen versagt, muss er ebenfalls nach drei Monaten die mündliche Prüfung wiederholen (es gibt drei mündliche Prüfungen).

Wie du merkst besteht das Krankenpflegeexamen aus mehreren Teilen und ich habe es noch nie erlebt, dass jemand wirklich in jedem Bereich durchgefallen ist. Allerdings gab es schon den Fall, dass jemand auch beim zweiten Fall versagt hat. Danach bleibt nur noch die Möglichkeit sich das Recht auf einen dritten Versuch bei der Landesschulbehörde einzuklagen und wer danach scheitert steht ohne nichts dar. Oftmals werden diese Personen dann Helfer.

Mich macht stutzig warum dein Freund so leichtfertig aufgegeben hat und wenn er jetzt studiert und einen eigentlich komplett anderen Weg eingeschlagen hat, dann wird der Beruf wohl einfach nichts für ihn gewesen sein. Das erkennen viele auch erst zu spät und quälen sich regelrecht durch die Lehrzeit. Weißt du was er danach studiert hat?

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich finde die ganze Argumentation ziemlich löchrig. Er ist durch die Abschlussprüfung seiner Ausbildung gefallen, gut. Aber wenn er tatsächlich Prüfungsangst hätte, dann hätte er ja wohl schlecht sein Abitur nachholen und anschließend studieren gehen können. Die Betroffenen mit Prüfungsangst, die ich kenne, haben das nicht nur bei einzelnen Prüfungen, sondern grundsätzlich, bei jeder Klausur und auch mündlichen Prüfung. Wie man nur wegen einer nicht bestandenen Abschlussprüfung so ein Pauschalurteil als Laie fällen will, erschließt sich mir nicht.

Du schreibst, dass er sich wohl von seinen Freundinnen finanziell aushalten ließ. Du weißt nicht, ob das stimmt oder ob das nach einer Trennung nur aus Rache und verletzter Eitelkeit behauptet wird. Es ist immer leicht, derartige Behauptungen aufzustellen, aber das auch nachzuweisen ist eher schwierig.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Warum sollte man mit Prüfungsangst sein Abitur nicht nachholen können? Ich leide unter Prüfungsangst und komme bisher sogar ganz gut aus, die Lehrer haben sich dem Umstand angepasst und mir in manchen Prüfungen gesonderte Bedingungen eingeräumt, wie zum Beispiel dass ich Prüfungen in einem gesonderten Raum schreiben darf, wenn es zu extrem wird oder Ähnliches.

Nur weil man in dem Einen versagt hat, bedeutet das nicht, dass das Andere nicht auch funktioniert. Ich war auch in der Krankenpflege und während den praktischen Prüfungen war ich auch extremst nervös. Den Stoff selbst fand ich wirklich easy, zumindest in Deutschland. Ich finde, dass man nicht pauschal behaupten kann, dass jemand, der sich dafür entscheidet in einer Prüfung zu versagen, direkt nicht arbeiten will oder faul ist oder sich nur von anderen aushalten lassen will. Ich denke, dass da noch andere Faktoren mit einfließen.

Ich muss mir übrigens auch ständig solche fadenscheinigen Kommentare anhören. "Warum machst du das Abi, du hast doch einen sicheren Job?" oder "Du brauchst doch nicht zu studieren, bleib doch dort wo du bist" oder "Du bist doch schon zu alt zum Studieren", solche Argumentationen bekomme ich ständig zu hören und auch dass ich keine Lust zum Arbeiten hätte, weil ich vielleicht Altstudent, also mit Mitte 30 vielleicht, sein könnte. Der Bekannte studiert und es scheint doch nicht schlecht zu laufen, er hat dann doch sein Ding gefunden und wenn er es durchzieht, ist in meinen Augen doch alles okay.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12594 » Talkpoints: 13,15 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Wibbeldribbel hat geschrieben:Ich leide unter Prüfungsangst und komme bisher sogar ganz gut aus, die Lehrer haben sich dem Umstand angepasst und mir in manchen Prüfungen gesonderte Bedingungen eingeräumt, wie zum Beispiel dass ich Prüfungen in einem gesonderten Raum schreiben darf, wenn es zu extrem wird oder Ähnliches.

Derartige Sonderkonditionen kenne ich weder aus eigener Erfahrung noch von den Betroffenen aus meinem Umfeld. Es gab weder an meinen bisherigen Schulen noch an meiner Universität irgendwelche Sonderkonditionen für Klausuren und Abschlussprüfungen, daher komme ich auch zu oben genannter Einschätzung.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


@Täubchen: Das bedeutet jedoch nicht, dass es sie nicht gibt, also Schulen und Institutionen, die "Schüler" mit Prüfungsangst soweit wie möglich fördern und auf die Problematik eingehen und mit entgegenwirken.

Oft ist es aber auch so, dass Prüfungsangstler sich schämen oder sich für zu dumm oder blöd halten und dann einfach hinschmeißen. Das habe ich leider auch schon in meinem Umfeld erlebt und auch ich habe so manches Mal aufgegeben und es bei einem Versuch bleiben lassen.

Wir wissen nun nicht, ob der Bekannte tatsächlich Prüfungsangst hat, aber wenn, dann hätte er den Mund aufmachen sollen. Reden hilft meistens und ich denke auch, dass die Ausbilder in der Krankenpflege keine Unmenschen sind, meine waren es jedenfalls nur zum Teil damals und sind auch darauf eingegangen.

Außerdem gibt es immer Möglichkeiten, Prüfungsangstlern zu helfen und sie zu fördern. Aber er scheint doch das gefunden zu haben, was ihm liegt, deshalb finde ich die Vorwürfe, die ihm sein Umfeld macht, nicht so prickelnd. Soll doch jeder seinen Weg finden und gehen, auch wenn er lang, unwegsam und mit Kämpfen verbunden sein mag.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12594 » Talkpoints: 13,15 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht gut vorstellen, dass jemand absichtlich durch die Prüfung fällt, um nicht arbeiten zu müssen. Auch vorher in der Ausbildung muss man doch schon arbeiten und stellt sich eben darauf ein. Sicher ist dann die Berufsschule vorbei und die Freunde, die man dort kennenlernen durfte sieht man nicht mehr so oft. Aber das ist doch sowieso der Fall, wenn die meisten die Prüfung bestanden haben und eben nicht mehr zur Schule müssen.

Wenn der junge Mann sich von seinen Freundinnen finanziell aushalten lässt, dann kann das schon sein, dass er nicht so gerne arbeiten geht. Aber wenn man die Ausbildung doch bis zur Abschlussprüfung durchgezogen hat, dann scheint da für mich schon ein gewisser Ehrgeiz vorhanden zu sein. Darum muss ich sagen, dass ich davon ausgehe, dass es wirklich an der Prüfungsangst lag, dass der junge Mann durch die Prüfung gefallen ist.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



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