Ab wann gilt ein Buch als historisch?

vom 06.07.2016, 17:19 Uhr

In einem anderen Thread kam die Frage nach historischen Buch-Vorlagen auf. Dabei stellte sich mir die Frage, ab welchem Alter ein Buch eigentlich als historisch anzusehen ist. Dass alles, was älter ist als ca. Hundert Jahre in diesen Bereich fällt, scheint relativ klar. Aber was ist mit Büchern aus den Jahren 1930 bis 1970 als Beispiel? Wo liegt die Grenze zur Zeitgeschichte, wo fängt die Aktualität an? Ist das eine persönliche Definitionsfrage oder gibt es da Richtlinien?

Im Netz habe ich auf die Schnelle nichts dazu finden können. Es gibt zwar die Definition der Neuzeit, aber das gilt ja für geschichtliche und damit viel größere Zusammenhänge. Während in den Geschichtswissenschaften die Neuzeit schon nach dem Mittelalter beginnt, würde wohl kaum jemand bestreiten, dass ein Buch aus dem achtzehnten Jahrhundert als historisch anzusehen ist bzw. würde es definitiv nicht unter den Begriff der Moderne fallen.

Ich habe nach verschiedenen Begriffen mit den Wörtern historisch, zeitgeschichtlich etc. bei Google gesucht, aber nichts gefunden. Da es ja hier einige gibt, die Literaturwissenschaften studieren oder studiert haben, wird sich doch sicher jemand finden, der das Thema beantworten kann. Welche zeitlichen historischen Einteilungen gibt es denn bei Büchern und wie sind diese voneinander abgegrenzt?

» Verbena » Beiträge: 4956 » Talkpoints: 0,44 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Geht es hier um das physische Alter von Büchern, um den Inhalt allgemein oder um die theoretische Einteilung der Literaturgeschichte in Epochen? :scep: Der Begriff "historisch" alleine sagt ja so gut wie gar nichts aus, weil er etwa so präzise ist wie das Wort "lebendig".

Rein physisch gesehen gelten bei uns Bücher, die älter sind als von 1850 pauschal als Altbestand, was man auch als "historisch" bezeichnen kann. Das hat vor allem konservatorische Gründe. Sprich, die Mistdinger bröseln, weil man damals minderwertiges Papier verwendet hat, während nicht minder historische Werke aus dem 18. Jahrhundert noch top in Schuss sind. Aber irgendwo musste man eine Grenze ziehen, und 1850 ist in Bibliotheken recht gängig.

Wenn man "historisch" mit "wertvoll" gleichsetzt, kann ich leider auch nicht weiter helfen. Es gibt Bücher, die sind 500 Jahre alt und noch in so großer Zahl erhalten, dass das einzelne Exemplar gar nicht so viel wert ist, und Bücher, die erst 30 Jahre alt sind, aber absolute Sammlerstücke.

Wenn es um den Inhalt geht, bin ich ebenfalls ratlos. Man kann ja auch ein Buch, welches 2015 erschienen ist, aber sich mit dem Dreißigjährigen Krieg befasst, als "historisch" bezeichnen, vergleichbar mit einem "historischen" Filmkostüm, welches ja auch nicht 1680 geschneidert wurde. Und ob die 1970er Jahre literaturwissenschaftlich gesehen schon Geschichte sind, würde ich doch stark annehmen. Geschichte fängt ja nicht erst dann an, wenn kein Zeitzeuge einer Epoche mehr lebt oder was auch immer.

Es kommt nicht zuletzt auch auf die Herangehensweise an. Wer sich für die Nachkriegsgeschichte interessiert, für den ist ein Buch von 1955 sicher "historisch", wer sich mit Wiegendrucken befasst, hat eine ganz andere Vorstellung, und für mich ist jedes Buch "modern", das in den letzten hundert Jahren erschienen ist und nicht bröselt, völlig unabhängig vom Inhalt.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Tatsächlich bezog ich mich auf die Einteilung des Inhalts in die verschiedenen Epochen, nicht auf den monetären Gegenwert oder das Alters des Werkstücks. :) Aber meine Frage wurde ja gut und umfassend von dir beantwortet. So hätte ich gar nicht angenommen, dass ein Roman, der vor 1970 geschrieben wurde, schon als historisch anzusehen ist, gefühlt hätte ich die Grenze viel früher gezogen, vielleicht ab dem zweiten Weltkrieg oder den dreißiger Jahren.

Im Umkehrschluss überrascht es mich, dass Bücher aus der Jahrhundertwende noch nicht als Altbestand gelten. Die größte Überraschung ist aber, dass ein fünfhundert Jahre altes Buch als relativ wertlos gelten kann. Mir ist schon klar, dass die Auflage und Verfügbarkeit auch den Preis bestimmen, aber bei so einem hohen Alter hätte ich gedacht, dass es automatisch einen gewissen Geldwert haben muss. Hast du da Beispiele für Bücher, die so alt, aber noch sehr häufig sind?

» Verbena » Beiträge: 4956 » Talkpoints: 0,44 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



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