Richtiger Umgang mit Alzheimer-Patienten
Die Mutter einer guten Bekannten hat die Diagnose "Alzheimer" bekommen. Die Tochter wohnte bisher 200 km weit von ihrer Mutter entfernt und möchte nun zu ihr ziehen und sie pflegen. Sie wohnt dann in der Nähe von Bochum, wo sie ihre Mutter auch versorgen will. Denn die Mutter hat ein eigenes Haus, wo sie sich auch einigermaßen zurechtfindet, da sie wohl seit ihrer Kindheit dort wohnt.
Nun will sich meine Bekannte natürlich auch über diese Krankheit erkundigen und auch Selbsthilfegruppen aufsuchen. Dass sie mit dem behandelnden Arzt redet ist klar. Aber woher bekommt sie möglichst viel Information?
Wie geht man mit Alzheimer- Patienten um, dass man auch selber sich nicht aufgibt. Ich kann mir vorstellen, dass es ein Fulltimejob ist und dass meine Bekannte bestimmt oft an ihre Grenzen kommt. Wo bekommt sie Hilfe? Kann man auf Dauer überhaupt einen Alzheimer-Patienten pflegen? Habt ihr schon Erfahrungen mit Alzheimer-Patienten gemacht? Wie war es bei euch und wie seit ihr psychisch damit klar gekommen?
Mein Oma und der Onkel meines Vaters hatten beide Alzheimer und sind inzwischen gestorben. Bei meiner Oma war das Schlimme, dass sie teilweise gewusst hat, dass sie langsam immer mehr vergisst. Aber außerhalb dieser Momente war sie eigentlich sehr glücklich.
Es ist meiner Meinung nach, generell für die Angehörigen schlimmer, da die betroffene Person immer mehr vergisst und man schnell mitbekommt, dass es immer schlimmer wird. Mein Großonkel hat irgendwann mich und meine Schwester nicht mehr erkannt, hat sich aber sehr gefreut, dass ihn zwei so hübsche Damen besuchen. War einerseits witzig, da er angefangen hat mit uns zu flirten, aber andererseits auch sehr traurig, da er gar nicht mehr wusste wer wir sind.
Was ich als Tipp für den Umgang mit Betroffenen mitgeben kann ist, im Gespräch möglichst über die Vergangenheit zu reden, dh. als der Betroffene noch jung war. In diesem Bereich fühlen sich die Alzheimerpatienten sicher, da das Langzeitgedächtnis am längsten noch gut funktioniert. Bei anderen Sachen, die vor kurzem passiert sind, fühlen sie sich schlecht, wenn sie die Antwort nicht wissen und erfinden auch Tricks um dem auszuweichen. Ansonsten viel Gesellschaft, in Urlaub fahren und einfach viel unternehmen und Zuneigung geben.
Mal kurz zum vorherigen Beitrag: Alzheimer Patienten merken immer, dass sie geistig langsam verfallen (anders kann man es nicht sagen). Das ist eine sich einschleichende Krankheit, die nicht von heute auf morgen kommt und das ist für die Betroffenen die schlimmste Phase. Niemand möchte mit "ansehen" müssen, wie er sich zum Beispiel immer weniger merken kann und immer mehr verwechselt und vergisst. In dieser Phase kommt es auf sehr viel Fingerspitzengefühl an.
Man muss viel mit den Betroffenen darüber sprechen (offen), oft bei ihnen sein und ihnen das Gefühl geben, dass sie deshalb nicht wertlos sind und man muss ihnen das Gefühl geben, dass man die Lage im Griff hat. Der Patient ist selbst ganz unsicher, weil er zu Beginn nicht mehr weiß, was richtig und was falsch ist. Er hat große Angst und die muss man versuchen zumindest im Zaum zu halten. Ganz unterbinden würd man die nicht können, das kann sicherlich jeder ein Stück weit nachvollziehen. Man darf ihm nicht zeigen, dass man selbst genauso unsicher ist.
Wie goofony schon geschrieben hat: es nützt einem Alzheimer Patienten nichts, wenn man ihn noch mit der Nase darauf stößt, dass er langsam alles vergisst. Über alte Zeiten sprechen hilft in den ersten Jahren auf jeden Fall. Zuerst gerät das in Vergessenheit, was noch nicht so lange zurückliegt. Kaum vorstellbar, aber so ist es. Da merkt der Patient dann, dass er noch mitreden kann, dass er Ahnung hat. Gemeinsame Aktivitäten, die ihm zeigen, dass er trotz seiner Krankheit geliebt wird, sind auch sehr wichtig. Im Haus einigeln nützt auch nichts.
Man sollte vielleicht auch (im Einverständnis des Patienten) die Nachbarn davon in Kenntnis setzen, dass er Alzheimer hat, damit es zu keinen "peinlichen" Missverständnissen kommt. Es ist auch ganz wichtig, dass man dafür sorgt, dass er immer zumindest seinen Namen und Telefonnummer oder Adresse bei sich trägt, damit er nicht irgendwann verloren geht. Im Anfangsstadium kann er vielleicht schon noch alleine raus, aber später muss dann immer einer dabei sein. Besonders, wenn man in einer großen Stadt lebt.
Irgendwann wird es auch ratsam sein, einen Pflegedienst mit in Anspruch zu nehmen, nochmals später dann auf betreutes Wohnen und wenn es eben gar nicht mehr geht auf Heim umzuschalten. Natürlich nicht gleich, aber irgendwann ist sowohl der Patient als auch der Betreuer soweit, dass es alleine nicht mehr geht. Viele sterben an anderen Ursachen, bevor die Krankheit soweit um sich greift, dass gar nichts mehr ohne professionelle Hilfe geht, aber natürlich nicht alle. Die Krankheit verläuft bei dem einen langsamer, bei dem anderen schneller, man kann so einfach nicht sagen, wann und ob es notwendig sein wird. Das muss man selbst feststellen, wann es soweit ist.
Deine Bekannte sollte sich aber auch bewusst werden, dass Alzheimer an sich - wenn keine anderen Krankheiten dazwischen kommen - zum Tode führt. Der Patient vergisst irgendwann im Endstadium einfach zu atmen.
Es gibt übrigens überall gute Beratungsstellen in Sachen Alten- und Krankenpflege. Die findet man schnell im Internet und im Telefonbuch, wenn es sich nicht gerade um ein Dorf handelt. Wenn Du nicht gleich fündig wirst, dann sollte Deine Bekannte einfach mal bei einem Pflegedienst anrufen. Wenn der selbst nicht zuständig ist, kann er in jedem Fall weiter vermitteln.
Bei meinem ersten Praktikum im Altersheim war das alles für mich auch sehr schwer zu verkraften. Als Angehöriger ist es dann natürlich noch viel schlimmer. Man kann nur versuchen, sich anderswo noch Halt und Erfüllung zu suchen, sich abzulenken, damit man nicht durchdreht. Da wird professionelle Hilfe dann natürlich irgendwann erforderlich. Man sollte sich nicht scheuen, die irgendwann anzunehmen, wenn man es für richtig hält. Es nützt keinem etwas, wenn man versucht das alleine durchzustehen, nur um sich und den anderen etwas zu beweisen. Alzheimer ist eine sehr schwere Krankheit, die zu Hause noch schwieriger zu pflegen ist als eine rein körperliche Krankheit. Das wird oft unterschätzt. Die meisten Leute in dem Altersheim, wo ich Praktikum gemacht habe, hatten Alzheimer! Man ist kein schwein, wenn man sich Hilfe holt, darüber muss sich Deine Bekannte erst einmal im Klaren werden.
Aber was ich aus Erfahrung sagen kann: die Alzheimer-Patienten waren im Heim die glücklichsten von allen. Die, die noch bei Verstand waren, hatten meistens Depressionen, weil sie den Verfall durch das Alter noch voll mitbekommen haben. Ein Alzheimer Patient - wenn diese kritische Phase, in der er noch alles mitbekommt, überstanden ist, erlebt jeden Tag und jede Situation neu. Wenn er heute etwas Blödes erlebt hat, hat er es spätestens morgen schon wieder vergessen. Das kann sich der Angehörige in jedem Fall zum Trost nehmen.
Das ist für einen gesunden Menschen sicherlich erst einmal alles kaum vorstellbar und fast sarkastisch, aber man muss sich mal den den Patienten hineinversetzen. Der erkennt dann irgendwann zwar die Angehörigen nicht mehr, aber wenn man ihm nicht versucht einzureden, wer man ist und dass er einen doch kennen MUSS, dann macht es ihm nichts mehr aus. Man muss sich dann einfach darauf einlassen und muss in der Geschichte, die der Alzheimer Patient vorgibt, mitspielen. Das gibt ihm Sicherheit. Wenn er sich darüber freut, dass ihn aber "ein hübsches Fräulein" besucht, dann muss man dem Patienten zu Liebe aus seiner eigentlichen "Rolle" als Tochter oder Enkelin aussteigen und eben einfach dieses "hübsche Fräulein" spielen. Der Patient freut sich dann noch drüber, weil es für ihn eine schöne, neue Bekanntschaft ist.
Wenn der Patient dann soweit ist, dann wird eher der Angehörige zum Patienten, weil dem das wiederum schwer fällt zu verkraften. Aber man muss sich einfach vor Augen halten, dass es der Mutter oder dem Vater dann gut geht. Und das tröstet, würde ich meinen.
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