Spürt man eine Demenzerkrankung an sich selbst?

vom 03.03.2012, 22:33 Uhr

Die Demenzerkrankung bei Angehörigen ist ja für den Angehörigen wirklich schlimm. Meine Freundin hat eine Mutter, die Demenz ist und sie kann sie auch nicht selber pflegen. Meine Freundin weint oft, weil sie meint, dass ihre Mutter es nie so gewollt hätte und sie sich auch bestimmt sehr schlimm fühlt, wenn sie merkt, dass sie alles vergisst und, manchmal nicht mal weiß, wer die eigenen Tochter ist.

Ich selber habe sie versucht zu beruhigen, aber weiß natürlich nicht, ob ich da richtig liege. Da die Mutter immer einen glücklichen eindruck macht, denke ich persönlich, dass sie von ihrer Erkrankung selber gar nichts merkt oder liege ich da falsch? Weiß man schon durch die Forschung mehr oder kann man nicht sagen, wie viel man selber bei einer Demenzerkrankung von der Krankheit mitbekommt?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Man kann nicht Demenz sein. Man hat Demenz oder ist dement! Und es ist definitiv möglich und auch oft der Fall, dass man im Anfangsstadium mitbekommt, dass man an Demenz erkrankt ist. Das ist für die Betroffenen eine ganz schlimme Sache. Es beginnt ja meistens damit, dass man einfach vergesslicher als normal ist. Das bekommt man natürlich mit. Mittlerweile kann man die Diagnose auch schon recht früh stellen und auch hier bekommen die Betroffenen das mit und werden sich erst einmal darüber bewusst, was das eigentlich für sie selbst und die Angehörigen bedeutet.

Mir hat mal eine Betroffene erzählt, dass sie es ganz schlimm findet, wenn sie merkt, dass ihr schon wieder ein Wort nicht einfällt oder sie es im falschen Zusammenhang benutzt. Wenn die betroffenen Personen dann natürlich im fortgeschritteneren Stadium sind, dann ist das noch mal was anderes. Zum Teil - auch wenn das böse klingen mag - vergessen sie einfach das sie diese Diagnose bekommen haben, wenn man es ihnen sagt (was dann ohnehin nicht mehr empfehlenswert ist) und zum anderen hat es eigentlich auch keine Bedeutung mehr. Im Endstadium dann sowieso nicht mehr.

Aber wie gesagt: Am Anfang kann man durchaus davon ausgehen, dass derjenige das mitbekommt. Es kommt natürlich auch auf die Person selbst drauf an, was sie dann daraus macht. Einige, wenige nehmen es eben hin, die anderen leiden unter der Situation, bis sie über dieses Stadium hinaus kommen.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Ich denke auch, dass das auf die Art der Erkrankung ankommt. Bei Alzheimerpatienten hört man z.B. oft, dass diese die Anfänge ihrer Erkrankung durchaus wahrnehmen. Sie stellen etwa fest, dass sie Erinnerungslücken haben, leiden unter Wortfindungsstörungen oder Ähnliches. Das nehmen sie dann sehr bewusst wahr und sind oft erschrocken oder verzweifelt, weil sie realisieren, dass sie mehr und mehr nachlassen. Und natürlich führt Orientierungsverlust auch u Ängsten, denn es kann sich sicherlich jeder vorstellen, wie unangenehm es ist, wenn man irgendwo steht und nicht weiß wo man gerade ist und warum man dort ist.

Beim Fortschreiten ihrer Krankheit lässt diese Bewusstheit dann manchmal allmählich nach. Aber auch nicht immer. Meine eine Großmutter wurde dement und realisierte fast bis zum Schluss, dass sie "altersschwachsinnig" (so nannte sie es selbst) wurde Dinge vergaß oder verwechselte. Darüber war sie sehr traurig. Bei der Großmutter einer Freundin dagegen, verlief die Erkrankung sehr schnell und sie verlor sehr schnell das Gespür für ihre eigenen Ausfälle und war relativ entspannt. Sie lebte in einem Altersheim und war auch ganz fröhlich. Traurig war sie laut Aussage der Schwester eher selten, weil sie in einer eigenen kleinen Welt lebte und nur manchmal begriff, dass ihr die Realität entglitt.

Daher denke ich, dass das von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Es kann gut sein, dass die Mutter deiner Freundin gut damit zurecht kommt, wie es ist und in ihrem Heim zufrieden lebt. Das kommt ja auch oft darauf an, was das für ein Heim ist und wie engagiert und gut ausgebildet das Personal ist. Ich denke, dass das immer eine große Rolle spielt, damit die Bewohner solcher Heime sich wohlfühlen. Das ist durchaus möglich, Pflege bedeutet nicht zwingend Leid, Einsamkeit und Verwahrlosung. Deine Freundin sollte ihre Mutter also beobachten und vielleicht auch mal mit den Schwestern und Pflegern sprechen, wie die ihre Mutter so sehen im täglichen Umgang. Dann lässt sich entscheiden, ob ihre Mama ihre eigene Erkrankung bewusst erlebt und wie gut sie damit zurecht kommt.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich finde es auch ganz schlimm, wenn jemand dement wird. Nicht nur für die Person selbst, sondern auch für die Angehörigen, die sehen müssen, wie ein lieber Mensch langsam aber unaufhaltbar die Kontrolle verliert und alle Erinnerungen und immer mehr in eine eigene Welt hinüber gleitet. Ich weiß das von Bekannten. Es ist meine Überzeugung, dass die Menschen anfangs schon mitbekommen, was mit ihnen geistig passiert, es aber nicht wahrhaben wollen. Irgendwann merken sie es dann nicht mehr. Das stelle ich mir auch für Angehörige schlimm vor, wenn sie nicht mehr erkannt werden.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Meine Oma war ebenfalls dement. Sie hat mehr oder weniger alle Stadien der Erkrankung mitgemacht. Angefangen hat es nur mit Kleinigkeiten bis hin zur kompletten Bettlägerigkeit und man konnte kaum noch mit ihr sprechen. Erinnerungsvermögen war am Ende gleich Null.

Meine Eltern haben damals gemeinsam mit meinen Geschwistern und mir entschieden, meine Oma bei uns zu Hause bis zum Ende zu pflegen. Was da dann auf uns zu kam, war allen glaube ich nicht so ganz bewusst. Dennoch bin ich sehr froh, dass meine Oma bei uns bleiben konnte, auch wenn die Zeit wirklich hart war.

Vor allem für meine Oma war der Anfang denke ich die schwerste Zeit. Da hat sie auf jeden Fall mitbekommen, was da mit ihr passiert, weil sie noch sehr viele klare Momente hatte und eben mitbekommen hat, dass sie von der Gehirnleistung her immer mehr verfällt. Als es nicht mehr verantwortbar war, dass sie alleine lebte und zu uns gezogen ist, hat sie sehr viel geweint. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern, weil ich meine Oma eigentlich selten bis nie weinen gesehen habe. Ich kann mich auch noch an ein Gespräch mit ihr erinnern, wo ich sie eben trösten wollte und sie mir eben erzählt hat, dass sie wegen ihrer Demenz so weint.

Die Krankheit ist vorangeschritten und meine Oma hatte immer häufiger Ausfälle, die auch immer heftiger wurden. Das war für uns alles andere als einfach das anzusehen, aber ich muss auch sagen, dass der Fortschritt der Erkrankung zumindest für meine Oma denke ich ein Segen war. Sie hat plötzlich irgendwie alles schön und lustig empfunden und lebte in ihrer eigenen Welt. Man muss dazu sagen, dass meine Oma kein leichtes Leben hatte. Am Anfang war der Krieg, dann war der endlich vorbei, da hat sie meinen Opa geheiratet und dann fing der private Krieg an. Mein Opa war alles andere als ein friedfertiger Mensch und hat meiner Oma das Leben zum Teil zur Hölle gemacht.

Ihre Ehe war also sicher alles andere als lustig. Als mein Opa dann gestorben ist, konnte sie langsam anfangen wieder ein wenig zu leben. Endlich. Sie hat es so verdient. Dann hat aber eine gesundheitliche Misere angefangen. Angefangen mit einem Oberschenkelhalsbruch bis eben dann bald einmal die Demenz begonnen hat. Wieder eine harte Zeit für meine Oma, weil sie eben noch sehr viel mitbekommen hat.

Dann war die Krankheit aber so weit fortgeschritten, dass sie sich kaum noch an etwas erinnert hat. Sie wusste Phasenweise nicht mehr wer ich war und nicht einmal ihre eigene Tochter hat sie erkannt. Dafür hat sie dann immer von schönen Erlebnissen erzählt, dass sie ein Kind geboren hat und dergleichen. Dann wollte sie wieder die Blumen sehen, die sie doch vorhin gerade erst gepflückt hat und war ganz enttäuscht und konnte es nicht verstehen, dass das gar nicht so war.

So hart es klingt, aber auch im Nachhinein muss ich sagen, dass ich glaube, dass die schönsten Jahre für meine Oma die Zeit der Demenz im fortgeschrittenen Stadium war. Diese Zeit hat 10 Jahre lang gedauert, wobei ich die Zeit von dem Zeitpunkt an meine, wo sie bei uns eingezogen ist. Das ist denke ich auch der Fakt, der viele erschrecken lässt, wenn sie noch bei Bewusstsein sind und wohl wissen, was da auf sie und ihre Angehörigen zukommen wird. Es ist eine schleichende Krankheit, die sehr lange dauern kann. Man hat naturgemäß davor Angst und so ging es meiner Oma am Anfang auch. Im Endeffekt waren ihre letzten Jahre dann aber wohl (leider) ihre glücklichsten.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Es liegt an der Person selbst, ob sie ihre Demenz mitbekommt oder nicht. Vor allem in den Anfangsstadien bekommen viele mit, wie sie immer vergesslicher werden und sich auch einfachste Dinge nicht mehr merken können. In meiner klinischen Zeit hatte ich viele solche Patienten und sehr viele gehen offen damit um dement zu sein und sagen dann Dinge wie "ich bin sehr vergesslich" und ähnliches - sie drücken es selten als Demenzerkrankung aus

In den fortgeschritteneren Stadien bekommen sie es dann nicht mehr mit, weil sie nicht nur leicht vergesslich sind, sondern ganze Zeitspannen einfach vergessen und auch ganz plötzlich wie aus einem Traum aufwachen und sich erst orientieren müssen. Da sie aber sozusagen vergessen haben, dass sie etwas vergessen haben, wissen sie selbst nichts davon, weshalb in weit fortgeschrittenen Stadien gar kein richtiges Bewusstsein mehr vorhanden ist, in dem Sinne, dass jemand weiß wo er ist, wer er ist oder wer der gegenüber ist.

Weil es manchen älter werdenden Menschen peinlich ist oder sie zu stolz sind es zuzugeben, überspielen sie oftmals diese beginnende Demenz ein wenig, obwohl sie selbst wissen, dass die Krankheit besteht - finde ich persönlich unsinnig, aber ich kann es auch ein wenig nachvollziehen. Trotzdem kann man ganz pauschal verallgemeinern, dass Menschen den Beginn einer Demenz mitbekommen, aber je weiter sie fortschreitet, immer weniger davon wissen - Ausnahmen bestätigen die Regel.

» benutzer7 » Beiträge: 2116 » Talkpoints: 49,80 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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