Wo beginnt Kindeswohlgefährdung und wer definiert sie?

vom 29.02.2012, 22:20 Uhr

So häufig, wie in den letzten Jahren ist noch nie in den Medien gewesen, dass Kinder in Familien geschlagen oder gar getötet wurden. Verhungern in der eigenen Familie ist nicht selten. Das Jugendamt redet sich in solchen Sachen immer raus und agiert gefühlsmäßig da, wo es gar nicht sein muss und die wirklich harten Fälle ignoriert es, wenn man den Medien glauben kann.

Wenn ein Vater sein Kind sehen will und gerichtlich dagegen vor geht, heißt es immer, dass man nach dem Kindeswohl entscheidet. Aber wo beginnt eine Kindeswohlgefährdung? Was ist für euch eine Kindeswohlgefährdung? Es ist bestimmt schwer definierbar und ich denke, dass man es auch nicht pauschalisieren kann. Aber dennoch würde mich eure Meinung zum Kindeswohl interessieren.Außerdem würde mich interessieren, wer feststellt, und wer festsetzt, wann eine Kindeswohlgefährdung ist und wann nicht. Wie kann es ein Außenstehender machen?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Prüft ein Gericht nur wenn der Vater ein Umgangsrecht will? Lässt nur ein Vater seine Kinder verhungern? Und so weiter. So klingt es aus deinem Beitrag raus. Wer sagt denn, dass die Mutter immer die bessere Person zur Erziehung ist?

Als Außenstehender würde ich eingreifen, wenn Kinder geschlagen werden. Ich würde eingreifen, wenn Kinder von den Eltern, egal welchem Elternteil regelmäßig Alkohol zum Trinken bekommen. Ich würde eingreifen, wenn ich mitbekomme, dass Kinder regelmäßig zum Konsum von illegalen Drogen animiert werden oder die gar selber kaufen oder verkaufen. Ich würde eingreifen, wenn die Kinder zum Klauen angestiftet werden durch die Eltern. Ich würde eingreifen, wenn ein Kind sexuell missbraucht wird.

Davon mal abgesehen, du beziehst dich ja nur auf Verhandlungen, wenn der Vater sein Umgangsrecht einklagen möchte. Aber sind nicht auch Kinder gefährdet, die in einem Elternhaus leben, in dem die Eltern verheiratet sind? Muss die Kindeswohlgefährdung immer nur von einem Elternteil ausgehen?

» XL » Beiträge: 680 » Talkpoints: -0,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


@XL: Und was ist mit den Vorgängen, welche nicht offensichtlich sind? Da kann ein Fremder kaum eingreifen, weil er das eben gar nicht mitbekommt. Und das geht schon damit los, wenn ein Kind von einem Elternteil massig gegen den anderen Part beeinflusst wird. Und ich rede jetzt mal bewusst nicht von Vater oder Mutter, weil es dies von beiden Seiten geben kann.

@Diamante: Das Gericht wird so was nie allein entscheiden, sondern immer nach der Einschätzung eines Fachmannes entscheiden. Diese Leute, auch wenn ich es aus eigenen Erfahrungen mittlerweile teilweise anzweifle, haben da Erfahrungen und eben Fachkenntnisse.

Allerdings ist es ein weiter Weg, bis solche Dinge erst mal auf den Weg gebracht werden. Und es ist schon traurig, wie lange Kinder zu einem Elternteil müssen, bis sich da endlich etwas tut. Genauso schlimm finde ich es, dass ein Elternteil immer wieder Gerichtsverfahren ins Rollen bringen kann, obwohl mehrmals festgestellt wurde, das bei den Argumenten nur gelogen wird.

Wenn Kinder beim Jugendamt, Gericht und anderen Institutionen ständig befragt werden, weil ein Elternteil alle Aussagen der eigenen Kinder als Lügen hinstellt. @XL: auch solche Dinge fallen in den Bereich der Kindeswohlgefährdung. Denn ein Kind kann dadurch schnell das Vertrauen in beide Eltern verlieren, wenn es als Lügner hingestellt wird, obwohl es die Wahrheit sagt.

Dass Jugendämter nicht oder falsch reagieren, wird nicht nur in den Medien so dargestellt. Das habe ich selbst schon erleben dürfen. Dass einem Elternteil noch erzählt wird, welche Angebote das Jugendamt doch hat, um die klassische Familie zu retten, obwohl es eindeutige Drohungen der körperlichen Gewalt gab. Da sollte auch noch abgewartet werden, bis wirklich zugeschlagen wird.

Ich will damit nicht behaupten, dass es immer so läuft. Dazu habe ich auch schon gute Erfahrungen mit dem Jugendamt machen können. Allerdings sind das eben Erfahrungen, welche ich mit zwei unterschiedlichen Ämtern machen durfte. Die Einen raten zum abwarten und die Anderen unterstützen das eigene Handeln, weil dort erkannt wurde, das die Kinder geschützt werden müssen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Diamante hat in ihrem Eröffnungspost geschrieben, wann für die anderen Forenteilnehmer Kindeswohlgefährdung vorliegt. Das es nicht nur die von mir aufgezählten Fälle geben mag, ist mir klar. Aber als Außenstehender kann ich nur das "bewerten" was ich auch sehe. Oder auch nur Vorfälle benennen, in denen ich eingreifen würde.

Ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann ein Außenstehender doch ohne sichtbare Beweise gar nicht sagen. Dafür gibt es Gerichte und Sachverständige die auch hinter die Kulissen sehen. Die werden nicht einfach weil Frau A. sagt ihr Mann B schlägt die Kinder, dem Vater die Kinder weg nehmen, sondern das erst mal prüfen. Genauso wie sie nicht einfach Frau A. ihr Kind wegnehmen, weil der Vater sagt, sie vernachlässigt die Kinder.

» XL » Beiträge: 680 » Talkpoints: -0,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Mir hat mal ein Anwalt erklärt, dass der Begriff Kindeswohl nirgends exakt festgelegt ist. Das genau ist das Problem. Wenn ein Mensch einen Mord, einen Raub oder einen Diebstahl begangen hat, dann gibt es klare Definitionen, wie sich die einzelnen Verbrechen voneinander abgrenzen und welche Kriterien exakt erfüllt werden müssen damit es das oder das ist. Bei Kindeswohl ist das immer eine Interpretationsfrage. Ob ein Richter etwas als Kindeswohlgefährdung sieht, hängt wohl immer ein Stück weit von den persönlichen Schmerzgrenzen des Richters ab. Die bereits erwähnten Sachkundigen, die dann Gutachten für die Richter anfertigen können sich zwar auf ihre Sachkenntnis stützen, aber auch die haben meines Wissen keinen exakten Kriterienkatalog vorliegen, wann das Kindeswohl schon gefährdet ist und wann noch nicht.

Dann kommt noch erschwerend hinzu, dass das einzelne Kind für die Richter und Sachverständigen ein einzelner Fall ist. Für die Eltern ist es das eigenen Kind und wenn der Ex-Partner oder die Ex-Partnerin etwas mit dem Kind macht, was man nicht für gut hält, sieht man viel schneller eine Gefährdung des Kindeswohls als ein Professioneller, der weit schlimmere Fälle schon gesehen hat.

Meiner persönlichen Meinung nach ist eine Kindeswohlgefährdung eine ganz individuelle Sache, denn die Belastungsschwelle bei jedem Kind ist anders und jeder Fall ist anders. Generell sehe ich eine Kindeswohlgefährdung da, wo Kinder nicht ausreichen Essen bekommen, also hungern müssen oder aber ständig minderwertiges Essen essen müssen, das ihrer Gesundheit schadet. Dazu gehört meiner Meinung nach auch, wenn man Kinder von Anfang an mit Süßigkeiten vollstopft, um sich bei ihnen einzuschleimen und den anderen Trennungselternteil der auf gute, gesunde Ernährung achtet schlecht aussehen zu lassen.

Eine Kindeswohlgefährdung sehe ich auch da, wenn ein Elternteil nach der Trennung das Kind ständig als seelischen Mülleimer benutzt und sich über die Trennungstrauer ausheult und permanent dem Kind erzählt, wie böse der andere Elternteil ist und seine eigene Enttäuschung und Wut auf den oder die Ex auf das Kind überträgt und mit Fleiß daran arbeitet, dass das Kind den anderen Elternteil eines Tages nicht mehr sehen will. Natürlich gibt es nach der Treunnung immer triftige Gründe, wo man Umgangskontakte vorsichtig handhaben sollte, aber ich gehe hier von zwei normalen Eltern aus, die dem Kind nichts getan haben.

Dann ist meiner Meinung nach ganz klar eine Kindeswohlgefährdung, wenn das Kind körperlich oder geistig misshandelt wird. Ich meine jetzt damit nicht die einzige Ohrfeige, die einem Elternteil als Einzelfall mal so rausgerutscht ist, sondern körperliche Züchtigung als permanentes Erziehungsmittel. Auch seelische Grausamkeiten, dass man ein Kind ständig mit Worten herabwürdigt und öffentlich nieder macht, das zählt für mich ebenso dazu. Auch der ganze Bereich des sexuellen Missbrauchs an Kindern stellt ganz klar eine Kindeswohlgefährdung dar.

Auch Eltern, die die Schulische Bildung ihres Kindes gezielt sabotieren begehen eine Kindeswohlgefährdung. Mir ist da mal ein Fall untergekommen, wo das ganze Lehrerkollegium sich für Förderstunden und sonstiges eingesetzt hat und alles geregelt war, die Eltern das Kind aber an die Klippschule umgeschult haben. Ihre Begründung war, dass ein Mädchen keine Schulbildung bräuchte, da sie ohnehin mal heiraten werde. Das war wohlgemerkt schon in diesem Jahrtausend. Wenn man bedenkt, wie die langfristigen Folgen in so einem Fall für das Kind sein werden, wird klar, wie verheerend das werden kann.

Dann kommt noch das Lebensumfeld dazu. Ein wenig kreatives Chaos in der Wohnung ist meiner Meinung nach in Ordnung, so lange es sauber ist. Aber wenn die Kinder wie in einem der letzten durch die Medien bekannt gewordenen Fällen auf Matratzen ohne Laken schlafen müssen, alles verdreckt ist oder sie Zugang zu Drogen oder Ersatzdrogen haben, dann sehe ich das auch als Gefährdung. Eine gewisse Grundsauberkeit und solche grundlegenden Selbstverständlichkeiten wie frische, witterungsangemessene, passende und intakte Kleidung, Bettlaken und Bettwäsche, ausreichend altersangemessenes, sauberes und intaktes Spielzeug, ein geheiztes Zimmer, regelmäßiges und häufiges Duschen oder Baden, Haar und Zahnpflege, regelmäßige Besuche beim Kinderarzt bei Erkrankungen und die lückenlose Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen sind schon nötig, dass das Kind sich gesund entwickeln kann. Fehlen solche Dinge, sehe ich da schon eine Gefährdung. Man kann sicherlich noch sagen, dass es massive und weniger schlimme Formen der Kindeswohlgefährdung gibt.

Das sind so die ersten Dinge, die mir einfallen. Wenn ich noch eine Weile darüber nachdenken würde, würde mir sicher noch einiges einfallen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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