Scheidungskinder in ihrer Entwicklung benachteiligt?

vom 22.01.2012, 14:48 Uhr

Ich bin selber geschieden und habe 2 Kinder. Ich habe eigentlich nicht gedacht, dass meine Kinder in der Entwicklung benachteiligt waren. Ich denke, dass sie sich gut entwickelt haben. Sie haben früh gesprochen, sind früh gekrabbelt und gelaufen und waren auch früh trocken. Sie waren in der Schule keine schlechten Schüler und sie waren meines Erachtens auch nicht schlechter entwickelt wie Kinder aus intakten Familien.

Nun habe ich aber vor einigen Tagen einen Bericht in einer Zeitschrift gelesen, dass Scheidungskinder in ihrer Entwicklung immer benachteiligt sind und man mit Scheidungskindern immer zu einem Psychologen gehen sollte, der dann Maßnahmen ergreifen kann, damit diese "armen" Scheidungskinder auch gefördert werden können. Mir kam es so vor, als ob in dem Bericht für Psychologen geworben wurden und dass man Scheidungskinder erst darauf bringt, dass sie ja was schlimmes erleben, weil sie Eltern sich getrennt haben.

Denkt ihr, dass Scheidungskinder immer in der Entwicklung benachteiligt sind und dass man diese Kinder wirklich anders behandeln muss wie Kinder aus intakten Familien? Wenn man diese Kinder anders behandelt als Kinder aus intakten Familien, kommen sie dann nicht erst darauf, dass sie durch die Trennung der Eltern eben "anders" sind als andere Kinder?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich denke, dass es auch darauf ankommt, wie die Scheidung verläuft. Wenn das Kind in einem Alter ist, in dem es das meiste mitbekommt ist das wieder anders als wenn das Kind noch sehr klein ist und weniger mitbekommt und verarbeitet. Wenn es eine Scheidung mit sehr viel Streit und Scheidungskrieg ist, wird das natürlich schlimmer für das Kind sein als bei einer Scheidung, die normal zugeht.

Auch kommt es darauf an, ob man dem Kind erklärt, was gerade abläuft und wieso sich die Eltern immer streiten: Das Kind muss wissen, dass es nichts damit zu tun hat. Auch sollten die Streits nicht unbedingt in der Gegenwart des Kindes sein, da Kinder sich oft die Schuld am Streiten der Eltern oder im schlimmsten Fall am Scheitern der Ehe geben. Das kann dann wirklich zu schlechterer Entwicklung führen.

Wenn das Kind allerdings in einem Alter ist, in dem es versteht, was genau passiert, wieso sich die Eltern trennen und wenn die Trennung ohne viel Streit und Geschrei verläuft, muss es nicht unbedingt sein, dass es in seiner Entwicklung benachteiligt ist.

» Max1250 » Beiträge: 827 » Talkpoints: 27,57 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich denke es kommt darauf an, ob Kinder eine Trennung nachvollziehen können. Bei mir war es ja so, das meine Töchter mich weinend angefleht haben, das ich gegen das Schimpfen vom Vater etwas unternehmen soll. Als sie dann realisiert haben, das wir dann vom Papa getrennt wohnen und daher die Streitereien zwischen ihm und mir auch wegfallen, waren sie erleichtert.

Das sie in der Entwicklung dadurch verzögert waren kurz nach der Trennung kann ich nicht behaupten. Im Gegenteil, ihr Selbstbewusstsein hat innerhalb weniger Wochen sehr zugenommen. Und das was in der Schule nachgeholt werden musste, da sie ja von einem anderen Schulsystem kamen, haben sie auch schneller geschafft, als von der Klassenlehrerin vermutet.

Ich will deswegen nicht behaupten, das manche Kinder sicher bei einem Psychologen vorgestellt werden sollten. Aber es betrifft eben nicht alle Trennungskinder. Und so wie es eben Kinder gibt, welche eine Trennung begrüßen, weil sie zu viel von den Problemen mitbekommen haben, gibt es natürlich auch Kinder, welche zum Zeitpunkt der Trennung noch viel zu klein waren und dadurch das Leben mit Mama und Papa so gar nicht mehr in Erinnerung haben.

Auch diese Kinder brauchen, meiner Meinung, kaum eine psychologische Betreuung. Wobei ich auch denke, das diese erst wirklich nötig wird, wenn die Eltern die Trennung auf dem Rücken der Kinder austragen. Wenn Kinder von einer Seite gezielt gegen den anderen Elternteil angestachelt werden, was leider viel zu oft vor kommt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich stamme auch aus einer Familie, in der die Eltern sich haben scheiden lassen. Ich war damals sieben Jahre alt. Traurig war ich zuerst schon ein wenig, aber so sonderlich extrem mitgenommen hat es mich dann auch nicht. Ich habe meine beiden Elternteile danach noch regelmäßig gesehen. Von einer Entwicklungsverzögung meinerseits würde ich auch nicht ausgehen. Jedenfalls bin ich zwar schon etwas ungewöhnlich, aber das war ich auch schon vor der Scheidung. Als Verzögerung der Entwicklung würde ich aber auch meine Anormalität nicht bezeichnen. Ich kam mit Gleichaltrigen immer gut zurecht, habe ein sehr gutes Abitur in der normalen Zeit gemacht, und studiere nun. Es läuft also nicht unbedingt schlecht. Auch emotional würde ich sagen, dass die Scheidung mich nicht geschädigt hat.

Und ich denke, gerade bei Familien, wo die Scheidung relativ "human" abläuft, muss es für ein Kind nicht schlimm sein. Ich würde sogar die von einigen Menschen als sehr provokant empfundene These unterstützen, dass ein Kind von zwei "ordentlich" geschiedenen Eltern mitunter glücklicher sein kann, als das Kind von zwei zusammen lebenden Elternteilen, die sich andauernd nur gegenseitig terrorisieren und miteinander zanken. Wie hier auch schon jemand schrieb: In einigen Fällen kann eine Scheidung auch eine Wohltat sein, wenn dann nämlich das pausenlose cholerische Geschrei ein Ende hat.

Dieses Gerede, dass "arme Scheidungskinder" doch auf jeden Fall zum Psychologen müssten, gab es leider auch schon in den 1990er Jahren. Also neu ist es nicht. Schon bei der Scheidung meiner Eltern wurde geraten, ich solle doch zumindest "vorsorglich" zum Psychologen. Eine Scheidung sei ja schließlich immer schlimm und schädlich für das Kind.

Übrigens war es bei der psychologischen Behandlung immer so, dass die Psychotante mir einreden wollte, dass es mir doch schlecht gehen müsste. Sie hat immer darauf herumgehackt, dass ich doch nicht glücklich sein könne, und stellte solche dummen Fragen wie, welches Elternteil ich denn mehr mögen würde, als das andere. Das hat mich dann als Kind verunsichert und belastet, nicht die Scheidung! Zwischen der Scheidung und dem ersten Psychologentermin ging es mir sogar gut. Ein Glück, dass meine Eltern diesen Psychokram dann abgebrochen haben, nach zwei Sitzungen. Besser ging es mir jedenfalls nichts, im Gegenteil. Seitdem die Psychologenbesuche ein Ende hatten, ging es mir dann aber wieder gut. Immerhin eine Sache hat das bei mir bis heute ausgelöst: Ich bin Psychodoktoren gegenüber extrem vorsichtig geworden. Zu Recht, wie ich mittlerweile bestätigen kann.

Ich denke auch, dass dieses Gerede, dass Scheidungskinder dringend zum Therapeuten müssten, auf jeden Fall, Panikmache ist. Einerseits ist es Psychologenwerbung, anderseits eben die heute absolut typische Panikmache. Andauernd erfindet man Krankheiten beziehungsweise dichtet Kindern Krankheiten an, gerne im psychischen Bereich. Man denke allein mal an die vielen neuen psychischen Krankheiten, die in den letzten paar Jahren von sich haben reden machen. Es gab durchaus auch einige, die waren schnell wieder verschwunden, wie Schall und Rauch. Ich erkenne dabei eine allgemeine Tendenz, alles zu pathologisieren, also alles zu Krankheiten zu erklären, wo man früher noch keine gesehen hat. Das dürfte hier auch gegeben sein.

Übrigens empfinde ich es schon als nahezu diskriminierend, dass man als Scheidungskind von einigen Leuten schon quasi zum "Monster" gemacht wird, bloß der geschiedenen Eltern wegen. Ich sage nur: "Das arme Scheidungskind, das muss ja psychisch krank sein!" So wird man sofort zum psychisch kranken Freak, in den Köpfen der Leute. "Der ist ein Scheidungskind? Der muss ja zurückgeblieben sein!" Na herrlich, vielen Dank aber auch, liebe Medien. Solche Vorurteile habe ich schon oft genug erlebt.

Natürlich wird es auch Kinder geben, die unter der Scheidung leiden. Weil es ein riesiger Konflikt war. Weil es vielleicht katastrophal endete. Wobei man sich da noch fragen kann, inwiefern auch die vorherige unglückliche Ehe da mit für den psychischen Schaden gesorgt hat. Aber verallgemeinern darf man auf jeden Fall nicht. Scheidungskinder sollten nicht pauschal als Entwicklungsverzögerte oder Psychopathen dargestellt werden, denn das ist diskriminierend. Auch, wenn diese Stigmatisierung heutzutage schon als "normal" gilt.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich bin auch ein Scheidungskind und ich würde auch für mich sagen das ich nicht sonderlich benachteiligt bin oder gewesen bin. Ich bin zwar ein Jahr nach der Scheidung sitzen geblieben, aber ich denke das wäre ich wahrscheinlich auch ohne Scheidung ;) Meine Eltern haben sich sehr einvernehmlich getrennt und haben auch immer ein recht gutes Verhältnis gehabt, zumindest konnten wir Kinder immer dahin wo hin wir gerade wollte, mein Vater ist in der Nähe geblieben und an sich fand ich das ganze nicht so dramatisch. Ich muss allerdings sagen das mein Bruder, er ist 6 Jahre jünger als ich, das ganze anders weg gesteckt hat, er musste tatsächlich in psychologische Behandlung, allerdings nur kurzfristig, und das obwohl ich für mich die Trennung als sehr "nett" empfunden habe. Eventuell liegt es auch am Alter oder an dem Verhältnis zum Elternteil welches geht.

Ich kann mir nämlich vorstellen, das Scheidungskinder in der Tat einen seelischen Knacks davon tragen wenn die Eltern sich im Streit trennen, bzw. den Trennungsstreit auf dem Rücken der Kinder austragen und immer über den anderen herziehen, den das finde ich gemein, Kinder lieben doch beide Elternteile und verstehen bestimmt nicht warum Mama gerade so fies über den heißgeliebten Vater redet.

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» aries24 » Beiträge: 1748 » Talkpoints: 9,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich denke es kommt immer darauf an, wie man mit der Situation umgeht. Wenn sich ein Paar trennt und danach beide Elternteile versuchen, dass Kind zu benutzen um den anderen Elternteil schlecht zu machen, dann kann das dem Kind durchaus schaden. Viele Eltern trennen sich ja nicht in Frieden sondern es kommt zu Streit. Unter diesem Streit leiden die Kinder. Trennen sich die Eltern jedoch in Frieden und kümmern sich auch weiterhin gemeinsam um die Kinder, dann ist das denke ich einmal relativ Problemlos.

Pauschal zu sagen, dass ein jedes Scheidungskind zum Psychologen muss kann man ja sowieso nicht. Das halte ich für unsinnig und absolut übertrieben.

» andysun78 » Beiträge: 743 » Talkpoints: 0,46 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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