Erzwingungshaft wegen nicht gezahlter Schulden

vom 30.12.2011, 14:37 Uhr

Ich habe neulich einen Bericht im Fernsehen gesehen. Da war ein Mann, der wohl von vor ein paar Jahren, durch ein Versandhausunternehmen Schulden hatte, die sich mit Gebühren mittlerweile auf 450 Euro beliefen. Dieser Mann sollte wenn er die Schulden bis zu einer Frist nicht bezahlt für 10 Tage in Haft. Dann hätte er nach den 10 Tagen die Schulden getilgt.

Ich habe mich gefragt, was das für eine Strafe ist oder was das für die Steuerzahler bedeutet. Erst mal war dieser Mann alleine und hat in einer Bruchbude gehaust. Die 10 Tage in Erzwingungshaft sind bestimmt Urlaub für diesen Menschen gewesen. Dann muss der Steuerzahler nicht nur die Schulden übernehmen, sondern auch noch die 10 Tage Übernachtung und Verpflegung in der JVA für diesen Menschen. Was hat diese Erzwingungshaft denn für einen Sinn, wenn danach die Schulden erlassen sind.

Es wurde in dem Bericht auch gesagt, dass einzig Unterhaltsschulden nicht getilgt werden, wenn man wegen dieser eingebuchtet wird, weil das Schulden an den Staat sind, die ja der Staat vorgestreckt hat, weil das Kind oder die Exfrau durch den Staat diesen Unterhalt dann vorgestreckt bekam.

Findet ihr es sinnvoll, dass ein Mensch Schulden machen kann und diese absitzen kann und der Steuerzahler dann die Schulden und den Knastaufenthalt bezahlen muss? Was denkt ihr wäre sinnvoller?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Da vergisst du aber einige Punkte zu erwähnen Diamante. Die gröbste Ungereimtheit ist wohl, dass nach einer Erzwingungshaft dem Schuldner generell alle offenen Verbindlichkeiten erlassen werden, dies ist schlichtweg falsch. Für jeden Tag in der Erzwingungs- beziehungsweise Beugehaft gibt es einen bestimmten Tagessatz um dessen sich die Schuldenmenge reduziert. Dieser Betrag ist aber meist so gering, dass die Schuldenmasse nicht in den höchstens sechs beziehungsweise zwölf Wochen abgebaut werden kann, da wirklich nur eine Minderheit wegen Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat für eine Summe von unter 1000 Euro einsitzt. Nachzulesen in den §§ 96 ff. OwiG und den §§ 451 ff. StPO. Eine Ersatzzwangshaft (§§ 888, 901 ZPO) ist wiederum etwas ganz anderes als die Erzwingungshaft und darf nur maximal zwei Wochen dauern. Ich glaube da hast du gerade etwas verwechselt.

Wird eine Erzwingungs- beziehungsweise Beugehaft angeordnet, kann diese jeder nochmal abwenden, indem er einen Grund für die nicht erfolgte Zahlung angibt und im Anschluss die eidesstattliche Versicherung abgibt. Eine nicht-Zahlung aus Trotz gibt es nicht, da sonst eine Kontopfändung angeordnet und durchgeführt wird.

Da wie schon erklärt, kaum ein Schuldner seine Schulden in der Beugehaft absitzt, ist eine Diskussion darüber eigentlich hinfällig, da in den meisten Fällen im Anschluss die Versicherung an Eides statt abgegeben wird. Dies finde ich persönlich auch sinnvoll, da sicherlich manchen Menschen erst durch solch einen radikalen Schritt bewusst wird in welcher misslichen Lage sie sich finanziell befinden.

Was genau ich mit meinen Steuerabgaben nun finanziere, im weitesten Sinne, ist mir persönlich egal, da das Geld sowieso weg ist. Da kommt es mir eher gelegen, dass Geld wird auf solche Art sinnvoll genutzt. Ich sehe da auch keinen Unterschied darin ob ein Haftaufenthalt aufgrund von Schulden oder wegen einer Körperverletzung finanziert werden muss. Straftat ist Straftat, da gibt es für mich keine Differenzierung die in diesem Zusammenhang einen Unterschied spielt.

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» beere » Beiträge: 1325 » Talkpoints: 0,93 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Wegen Schulden kommt niemand in den Knast! Auch wenn das gerne im Privatfernsehen so dargestellt wird. In Zusammenhang mit Schulden kann einem vielleicht Betrug, Erschleichung von Leistungen und ähnliches nachgewiesen werden, was aber oftmals recht schwierig ist. Rechtliche Konsequenzen drohen Unternehmern zum Beispiel auch bei Insolvenzverschleppung.

Bei Verurteilen gibt es manchmal die Möglichkeit Bußgelder abzusitzen, was aber praktisch sehr schwierig ist. Es gab Fälle, wo jemand seine Tagessätze absitzen wollte und das Gericht dies ablehnte.

Wer Schulden hat, muss diese grundsätzlich bezahlen. Wenn jedoch kein Geld vorhanden ist, kann nichts gezahlt werden. Auch dies ist nicht verboten. In diesem Fall ist man jedoch verpflichtet seine Zahlungsunfähigkeit offenzulegen, was durch die eidesstattliche Versicherung geschieht. Das ist das, was von Laien gerne als "zwei Finger heben" bezeichnet wird. In der Praxis versichert man dabei Eides statt, dass man kein Vermögen besitzt, gibt Auskünfte über seine Besitztümer, Versicherungen, Kautionen, usw. und damit laufen Pfändungen ins Leere. Wer falsche Angaben macht in der eidesstattlichen Versicherung, macht sich strafbar, was unter Umständen auch hinter Gittern enden kann. Doch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung führt auch nicht zur Entbindung der Zahlungspflicht.

Wer seine Schulden nicht zahlt und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verweigert, kann in Erzwingungshaft genommen werden. Doch sobald man dann die EV abgibt, ist man frei zu lassen. Und auch wer das nicht macht, darf nur eine gewisse Zeit in Erzwingungshaft genommen werden. Schulden werden dabei keineswegs erlassen, sondern häufen sich vielmehr weiter an, da der Schuldner die Kosten für alle rechtlichen Maßnahmen zur Eintreibung der Schulden zu tragen hat!

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» Trisa » Beiträge: 3269 » Talkpoints: 20,14 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Was bedeutet Erzwingungshaft eigentlich? Leider weiß es nicht einmal richtig die Threadschreiberin, denn mit den Schulden hat es nur indirekt zu tun. Es geht nämlich hier speziell um die eidesstattliche Versicherung. Wenn man die nun aus welchen Gründen auch immer nicht abgeben will, bekommt man die sogenannte Erzwingungshaft durch das Gericht aufgebrummt. Dann hat der Gerichtsvollzieher den Haftbefehl dafür. Wenn man sie dann beispielsweise nach 10 Tagen abgeben will ist man wieder frei.

Die Schulden sind davon allerdings unberührt. Man kann auch die Schuldensumme komplett begleichen, macht aber nur Sinn wenn man nur einen Gläubiger hat. Ansonsten wird man sie bei mehreren Gläubigern mit Sicherheit doch abgeben müssen.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich wäre auch der Meinung, dass es nicht gerecht ist, wenn der Mann einfach nur 10 Tage in das Gefängnis muss und dann die Schulden, die er angehäuft hat, getilgt sind. Ich denke, dass es insgesamt mehr als 450 Euro Schulden waren. Klar sind es dann für jeden einzelnen Steuerzahler nur wenige Cent, sogar nicht mal das. Jedoch summiert sich das, weil es sicherlich noch mehr Menschen gibt, die das einfach ausnutzen.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Hufeisen hat geschrieben:Ich wäre auch der Meinung, dass es nicht gerecht ist, wenn der Mann einfach nur 10 Tage in das Gefängnis muss und dann die Schulden, die er angehäuft hat, getilgt sind. Ich denke, dass es insgesamt mehr als 450 Euro Schulden waren. Klar sind es dann für jeden einzelnen Steuerzahler nur wenige Cent, sogar nicht mal das. Jedoch summiert sich das, weil es sicherlich noch mehr Menschen gibt, die das einfach ausnutzen.

Wie kommst du denn darauf, dass dann die Schulden getilgt sind? Wenn das so wäre würde doch jeder ins Gefängnis gehen. Bei hohen Schulden natürlich etwas länger, aber ohne einen Cent selbst gezahlt. Hallo denkt noch jemand mit? Das ist nämlich so nicht richtig, denn der Gefängnisaufenthalt ist für den Schuldner nicht kostenlos. Durch ein Gericht wird er dazu verurteilt und muss auch die Kosten dafür selbst tragen.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Hufeisen hat geschrieben:Ich denke, dass es insgesamt mehr als 450 Euro Schulden waren. Klar sind es dann für jeden einzelnen Steuerzahler nur wenige Cent, sogar nicht mal das. Jedoch summiert sich das, weil es sicherlich noch mehr Menschen gibt, die das einfach ausnutzen.


In Erzwingungshaft kann man auch genommen werden, wenn man sich weigert 4,50€ zu zahlen, bzw. wegen dieser Summe die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Die Höhe der Schulden ist für die eidesstattliche Versicherung irrelevant! Und die Dauer der Erzwingungshaft ebenso. Sobald man seine Vermögensverhältnisse offen legt, darf man wieder gehen. Sofern diese dann nachweislich falsch waren, kann man dafür später natürlich rechtlich belangt werden und theoretisch auch im Gefängnis landen. Die Schulden sind danach jedoch wesentlich höher!

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» Trisa » Beiträge: 3269 » Talkpoints: 20,14 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



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