Adoptiert- Na und?

vom 05.08.2010, 18:41 Uhr

Ihr habt doch bestimmt auch schon eine der unzähligen Sendungen gesehen, in denen Menschen ihre richtigen, also ihre leiblichen Eltern, suchen wollen. Jedes mal bekommt man dabei ein Gefühl vermittelt, als wäre das "adoptiert sein" etwas Negatives oder Schlechtes. Diese Menschen suchen immer nach Ihrer wahren Identität und wollen wissen, wo sie wirklich hingehören. Aber ist dieses Bild, was einem dabei so zahlreich vermittelt wird, wirklich das richtige?

Ich bin selbst adoptiert. Das habe ich zwar schon recht zeitig erfahren- im Alter von 4 Jahren, aber dennoch hatte ich nie das Bedürfnis mich auf die Suche nach meinen leiblichen Eltern zu machen. Viele in meinem Bekanntenkreis, die davon wissen können das überhaupt nicht verstehen. Sie fragen mich immer, ob ich nicht einmal meine richtigen Eltern kennenlernen möchte usw. Wenn ich ihnen jedoch sage, dass mich das nicht interessiert, weil ich zwei Eltern habe, die mich über alles lieben und die für mich eben meine richtigen Eltern sind, dann verstehen die anderen das immer nicht so recht. Kennt ihr vielleicht andere, denen es ähnlich geht wie mir?

Ich finde es daher sehr ungerecht, die einem immer suggeriert wir, dass Adoption etwas Negatives sei, und dass man unbedingt nach seinen wahren Eltern suchen müsse. Dafür habe ich einfach kein Verständnis. Diese Menschen haben beschlossen mich wegzugeben. Das respektiere ich und demnach möchte ich auch nichts mit diesen Menschen zu tun haben. Das hat nichts mit Wut oder Verachtung zu tun, nein, ich habe einfach schlicht und ergreifend keine Beziehung zu den Menschen, die mich gezeugt haben. Ich empfinde nichts und möchte nicht damit konfrontiert werden. In den Medien wird einem auch immer das typische "Friede, Freude, Eierkuchen" vorgespielt. Nach Jahren erfolgt das Wiedersehen und alle sind glücklich und lieben sich wie am ersten Tag- das kann doch nicht normal sein? Warum haben die Eltern nie selbst nach ihren Kindern gesucht, wenn sie doch "immer an sie gedacht" und sie die ganze Zeit über "geliebt haben"? Da fehlt mir jegliches Verständnis. Was meint ihr zu diesem Thema?

» Katjaactress » Beiträge: 246 » Talkpoints: 1,17 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich selber bin nicht adoptiert, kann also "aus erster Hand" nichts dazu sagen. Ich denke, jeder Mensch sollte mit diesem Thema so umgehen, wie er es für richtig hält. Ob man nun seine biologischen Eltern sucht oder nicht, sollte jeder selbst entscheiden, ich kann an beidem nichts Schlechtes finden. Allerdings muss ich sagen, dass ich deinen Standpunkt verstehe und eher nachvollziehen kann, als wenn Menschen krampfhaft nach ihrer biologischen Abstammung forschen. Sicherlich würde für mich da Neugierde mitspielen, aber es wäre nicht zwingend notwendig, diese Menschen, mit denen ich verwandt bin, kennen zu lernen.

Jeder Mensch, der ein Kind zur Adoption freigibt, hat seine eignen, persönlichen Gründe dafür. Und jeder hält diese für sehr schwerwiegend. Ich respektiere eine solche Entscheidung. Stattdessen wird das Kind im Bestfall in eine Familie übergeben, die dem Kind eine bessere Zukunft bieten kann. Auch wenn es keine verwandtschaftlichen Bande in dem Sinne gibt, so würde ich diese adoptierte Familie als "richtige Familie" bezeichnen, schließlich übernehmen sie Verantwortung für ein Leben, ziehen das Kind groß, machen gute sowie schlechte Phasen durch und sind da, wenn sie gebraucht werden. Eine solche emotionale Bindung zählt mehr als bloß eine Übereinstimmung im Genmaterial.

Ich kann also deine Einstellung vollkommen nachvollziehen. Aber ob so oder so, jede Entscheidung in einem solchen Fall ist für mich kein Gegenstand von Diskussionen. Niemand, den es nicht betrifft, sollte sich anmaßen, eine Wertung über eine Entscheidung zu treffen, die er nicht "nachfühlen" kann.

» TheDutchess » Beiträge: 537 » Talkpoints: 0,67 » Auszeichnung für 500 Beiträge


@Katjaactress: Ich finde es klasse wie du damit umgehst. Denn ich bin auch genau deiner Meinung. Ich selber bin zwar nicht adoptiert, aber ich kann auch die Eltern, die ihr Kind nicht wollen (egal aus welchem Grund) verstehen, wenn sie ein Kind lieber abtreiben, als zur Adoption freizugeben, weil sie immer damit rechnen müssen, dass die Vergangenheit sie einholt. Sie müssen ja einen Grund gehabt haben, warum sie kein Kind haben wollten oder warum es einfach nicht möglich war, das Kind aufzuziehen.

Deine Art damit umzugehen, dass du die Handlung deiner Erzeuger akzeptierst ist meines Erachtens richtig. Sie haben sich mal zu diesem Schritt entschlossen und du hast neue liebevolle Eltern bekommen. Deine Erzeuger haben das Beste für dich gewollt und haben dir das ermöglicht, was sie dir selber nicht geben konnten.

Dadurch, dass die Kinder immer mehr die Möglichkeit und auch das Recht bekommen die leiblichen Eltern zu finden, bekommt eine Adoption wirklich einen negativen Beigeschmack. Und zwar für das Kind als auch für die leiblichen Eltern. Für viele leibliche Eltern ist die Wahl gewesen Abtreibung oder Adoption und wenn sie sich für Adoption entschieden haben, dann sollte das für die leiblichen Eltern und auch für das Kind Vergangenheit sein, die man nicht wiederbekommen kann und auch nicht aufholen kann.

Die Kinder können froh sein, dass die leiblichen Eltern eine Adoption gewählt haben. Für die meisten Kinder konnte es doch nach einer Adoption nicht besser laufen. Sicher gibt es auch Adoptionseltern, wo ein Kind sich nicht wohl fühlt. Aber hätte es sich dann bei den leiblichen Eltern wohl gefühlt, die es nicht haben wollten? Bestimmt nicht und deswegen finde ich deine Wahl, es so zu belassen, wie es ist schon richtig.

Was aber würdest du machen, wenn plötzlich deine leibliche Mutter vor der Tür steht und dich kennenlernen will? So viel ich weiß, kann die leibliche Mutter auch nach dem Kind suchen und bekommt vom Jugendamt auch Auskunft, wenn das Kind 18 ist, sofern es keine offene Adoption war und die Mutter auch den Kontakt immer hätte haben können. Würdest du auf deine Mutter dann zugehen und dir erklären lassen, warum sie diesen Schritt gewählt hat?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Was aber würdest du machen, wenn plötzlich deine leibliche Mutter vor der Tür steht und dich kennenlernen will?

Das habe ich mich natürlich auch schon oft gefragt und das ist auch gar nicht so leicht zu beantworten. Ich würde ihr auf keinen Fall, so wie es im Fernsehen sooft gezeigt wird, um den Hals fallen und vor Freude weinen, da bin ich mir sicher! Ich würde ihr viel mehr ganz höflich die Hand geben und sie begrüßen, wie jeden Fremden auch. Aber ich denke nicht, dass ich sie von mir aus Fragen würde, warum sie mich zur Adoption freigegeben hat. Wenn sie schon zu mir kommt, dann wird sie bestimmt die Absicht haben mir das von allein zu erzählen. Und egal wie ihre Gründe auch sein mögen, sie wird deswegen nicht zu meiner Mama. Klar, biologisch gesehen ist sie das, ohne Zweifel. Aber ich habe dennoch keinerlei Beziehung zu dieser Frau und keine Gefühle, keine Bindung. Drum bin ich mir nicht sicher, ob ein Treffen so gut wäre, da sie vielleicht enttäuscht wäre, wenn sie merken würde, wie ich erst einmal auf Abstand bleibe. Denn meine jetzigen Eltern sind und bleiben die Einzigen für mich.

So viel ich weiß, kann die leibliche Mutter auch nach dem Kind suchen und bekommt vom Jugendamt auch Auskunft, wenn das Kind 18 ist, sofern es keine offene Adoption war und die Mutter auch den Kontakt immer hätte haben können.

Wenn ich richtig informiert bin, war es bei mir eine geschlossene Adoption. Aber bist du dir mit dieser Information sicher? Denn mir erscheint es etwas merkwürdig, dass die leiblichen Eltern so eine Art "Erinnerung" brauchen für den Geburtstag des Kindes. Ich meine, selbst wenn es weggegeben hat, weiß man doch den Geburtstag noch, oder? Ich selbst bin vor ein paar Monaten 18 geworden (eigentlich werde ich schon bald wieder 19) und hatte mir natürlich auch Gedanken gemacht, ob denn da etwas in der Richtung auf mich zukommt. Aber ich war froh, dass es nicht so war. Und werde, wie gesagt, an dem Zustand auch nichts ändern. Ich denke mir so- wenn bis zu diesem Zeitpunkt nichts von ihr kam, dann wird es bestimmt auch so bleiben!?

» Katjaactress » Beiträge: 246 » Talkpoints: 1,17 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Denn mir erscheint es etwas merkwürdig, dass die leiblichen Eltern so eine Art "Erinnerung" brauchen für den Geburtstag des Kindes. Ich meine, selbst wenn es weggegeben hat, weiß man doch den Geburtstag noch, oder?


Die leiblichen Eltern müssen, um Auskunft zu bekommen auch den Geburtstag kennen, sonst können sie ja nicht nach dem 18. Geburtstag zum Jugendamt gehen. Natürlich bekommen die leiblichen Eltern keine Erinnerung. Aber sie brauchen vor dem 18. Geburtstag beim Jugendamt nicht nachzufragen. Wenn sie vorher nachfragen bekommen sie keine Auskunft. Wenn sie aber nach dem 18. Geburtstag nachfragen, werden sie Auskunft erhalten. Zumindest wird sich dann das Jugendamt mit dem leiblichen Kind in Verbindung setzen und nachfragen, ob es erwünscht ist, dass die Mutter sich meldet. Wenn die Mutter allerdings keine Anstalten macht nach dem Kind zu suchen, wird es auch keinen Kontakt geben, wenn das Kind es nicht macht.

Das Recht, das Kind wiederzusehen haben die leiblichen Eltern genauso, wie es für das Kind auch das Recht ist, die leiblichen Eltern zu suchen. Aber wie gesagt, ich finde es so, wie du es machst wirklich gut. Und du hast es wirklich gut getroffen, wenn du Eltern bekommen hast, die alles für dich tun und die dich lieben und die du liebst. Was willst du mehr?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Also die beste Freundin meiner Mutter hat mit 29 Jahren erfahren, dass sie adoptiert wurde. Sie brauchte erstmal eine ganze Weile, bis sie das akzeptieren konnte, dass ihre "Eltern" sie so lange angelogen haben. Jetzt, nach 6 Jahren, hat sie Kontakt zu ihrer richtigen Mutter über das Jugendamt aufgenommen und hat erfahren, dass sie eine ältere Schwester hat, die sie sich schon immer gewünscht hat, weil sie in ihrer Adoptivfamilie nur einen Bruder hatte. Wieso sie weggegeben wurde von ihrer Mutter weiß ich nicht.

Ich wüsste nicht so ganz, was ich davon halten würde, wenn ich erführe, dass ich adoptiert wäre. Ich denke, wenn man im jugendlichen Alter ist, wo man sich eh immer andere Eltern wünscht, weil die Eltern der Freunde einen länger rausgehen lassen oder mehr Geld haben, wird es eher zu Problemen führen, als wenn man es im erwachsenen Alter erfährt. Wobei es da wiederum so ist, dass man dann wahrscheinlich das Gefühl hat, sehr lange angelogen worden zu sein, so wie es eben bei der Freundin meiner Mutter ist.

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» Teelicht55 » Beiträge: 688 » Talkpoints: 17,91 » Auszeichnung für 500 Beiträge


@Teelicht55: Ich muss auch sagen, dass ich ziemlich Glück hatte, dass meine Eltern mir so zeitig die Wahrheit gesagt haben. Ich bin quasi damit aufgewachsen und habe kein Problem damit. Aber ich kann schon nachvollziehen, dass es schwieriger ist, wenn man das erst viele Jahre später erfährt. Es ist wohl so, als wird einem der Boden unter den Füßen weggezogen, weil das natürlichste auf der Welt- die eigenen Eltern, plötzlich gar nicht mehr die richtigen sein sollen.

Mir wurde einfach erklärt, dass ich aus dem Bauch einer anderen Frau gekommen bin, aber meine Mama eben meine Mama ist und das auch bleibt! Genau, wie es hasiteddy auch schon beschrieben hatte. Ich konnte super damit umgehen und in dem Alter hat es mich auch nicht weiter gestört, ebenso wenig wie heute. Aber man muss auch bedenken, dass die Adoptiveltern auch große Angst davor haben es ihrem Kind zu sagen. Sie liebes es und wollen es nicht verlieren. Denn wenn die Wahrheit erst einmal raus ist, dann kann es eben schon passieren, dass man die leiblichen Eltern suchen wird. Und das ist dann aber ziemlich unangenehm für die Zieheltern. Sie haben eben Angst ihr Kind zu verlieren, darum brauchen manche so lange bis sie mit der Sprache herausrücken. Aber ich denke auf jeden Fall, dass es besser ist, wenn man das seinem Kind so zeitig wie möglich erklärt.

» Katjaactress » Beiträge: 246 » Talkpoints: 1,17 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Im Grunde genommen finde ich es nicht schlimm, wenn jemand adoptiert wurde. Ganz im Gegenteil, so etwas finde ich sehr gut. Somit werden anderen Kindern immer noch die Möglichkeiten aufgezeigt ein schönes Leben zu erleben, auch wenn dies leider nicht bei den leiblichen Eltern stattfindet. Die Gründe dafür können das Ableben der leiblichen Eltern sein oder auch einfach wie oftmals in Afrika nicht die Mittel, das eigene Kind zu versorgen.

Traurig finde ich jedoch, dass den Kindern so etwas oftmals nicht gesagt wird oder zu spät. Sehr oft, entsteht daher die Reaktion aus Wut, Trauer und vor allem auch Enttäuschung. Diese Reaktion der adoptierten Kinder ist aber für mich sehr verständlich und sollte mit Vorsicht behandelt werden. Seltenerweise werden die Kinder sich von den Familien abwenden, sie benötigen einfach nur Zeit das zu verarbeiten.

Ein weiterer Aspekt ist für mich, dass die adoptierten Eltern ehrlich zu den Kindern sind. Dies erspart schlimme Reaktionen eines Kindes, welches herausfindet, dass es adoptiert wurde und vieles mehr. Man sollte dem Kind auch erlauben Nachforschungen anzustreben, denn ein Kind darf schon wissen, wo es eigentlich herkommt. Oftmals möchte das Kind auch einfach nur Antworten haben, die einem beschäftigen. Wenn diese Dinge beachtet werden finde ich eine Adoption alles andere wie schlimm.

» paddelfisch » Beiträge: 655 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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