Beiwohnen öffentlicher Gerichtsverhandlungen - Hobby?

Die meisten Gerichtsverhandlungen werden öffentlich gehalten und es gibt Menschen, die ihre gesamte Freizeit damit verbringen im Gericht abzuhängen und im Gerichtssaal bei den Zuschauern zu sitzen. Oft wird in der Verhandlung gar kein Urteil genannt. So war es jedenfalls, als mein Mann mal Zeuge beim Verkehrsgericht war und ich als Begleiter im Zuschauerraum saß. Trotzdem sitzen da oftmals die gleichen Leute, die mit den Beteiligten nichts zu tun haben und verfolgen die Verhandlung.

Was veranlasst die Leute zu Verhandlungen zu gehen, die sie eigentlich nichts angehen? Kann man das bei einigen Leuten als Hobby ansehen? Spannend ist es ja nun nicht, wenn nicht mal das Urteil sofort gesprochen wird und man dafür wiederkommen muss. Denn irgendwann weiß man ja nicht mehr, was das Thema dieser Verhandlung warr oder das Urteil wird nur schriftlich mitgeteilt und da bekommt der Zuschauer ja nichts von mit.

Als ich hier vor einigen Jahren zum Familiengericht musste, war diese Unterhaltsverhandlung auch öffentlich. Es hat mich gestört, dass da 3 wildfremde Personen beiwohnten und ich habe das auch gesagt. Der Richter meinte, dass die Verhandlung öffentlich ist und er es nicht verbieten kann.

Wann werden Verhandlungen nicht öffentlich? Verhandlungen, die vor dem Familiengericht ausgefochten werden sind doch wirklich sehr persönlich. Warum werden diese Verhandlungen nicht "in geschlossener Gesellschaft" geführt? Mir war es peinlich vor fremden Leuten meine Unterhaltsforderung an den Vater meiner Kinder durchzusetzen. Welchen Grund gibt es, warum Gerichtsverhandlungen überhaupt öffentlich sind? Warum wird ein Unterschied gemacht in "öffentlich" und "nicht öffentlich"?

Was veranlasst die Leute zu Verhandlungen zu gehen, die sie eigentlich nichts angehen?

Möglicherweise Interesse, der Wunsch mich mal live zu sehen oder einfach nur Langweile: Gericht statt Butterfahrt.

Der Richter meinte, dass die Verhandlung öffentlich ist und er es nicht verbieten kann.

Was auch richtig war - grundsätzlich nicht öffentlich sind im Grunde nur Verfahren, bei denen Minderjährige beteiligt sind. Auf Wunsch der Beteiligten kann diese auch nicht öffentlich erfolgen, aber nur wenn ausreichend starke Gründe angeführt werden. "Ich fühle mich gestört!" ist kein solcher Grund, starker persönlicher Schaden usw. eher, aber auch nur dann, wenn das persönliche Interesse das öffentliche überwiegt.

Wann werden Verhandlungen nicht öffentlich?

Siehe oben, wenn Minderjährige verhandelt werden. Hier wird zum Schutz der Minderjährigen (um Schaden abzuwenden) die Öffentlichkeit prinzipiell nicht zugelassen.

Welchen Grund gibt es, warum Gerichtsverhandlungen überhaupt öffentlich sind?

Steht im Gerichtsverfassungsgesez (§ 169 GVG). Der Sinn ist die prinzipiell mögliche öffentliche und demokratische Kontrolle eines Richters zum Schutz vor Willkürentscheidungen und Geheimverfahren, denen keine Zeugen beiwohnen.

In meinem Fall ging es um den Unterhalt der Kinder und auch um das Besuchsrecht und trotzdem war es eine öffentliche Verhandlung. War es deswegen eine öffentliche Verhandlung, weil die Kinder nicht mit beigewohnt haben und nicht anwesend waren? Ich muss sagen, dass mein Ex damals sehr viel "schmutzige Wäsche" gewaschen hat bzw. waschen wollte, was der Richter unterbunden hat und mir es sehr unangenehm war und wenn jemand dabei gewesen wäre, der mich und die Kinder kennt, ist sowas doch auch nicht gerade zum Schutz der Kinder.

Ja, aber solang deine Kinder nicht anwesend waren überwiegt das öffentliche Interesse an dem Fall, egal wie ausfallend oder nicht sich andere Verfahrensteilnehmer benehmen. Ein guter Richter unterbindet "schmutziges Wäsche waschen" vor Gericht meist eh im Ansatz.

Ich denke, es ist Langeweile vieler nicht mehr ganz junger Leute, die sie dorthin zieht. Aus dem gleichen Grunde machen viele diese Kaffee-Fahrten, und das obwohl sie genau wissen, dass alles dort zu wesentlich überhöhten Preisen verkauft wird und es recht ungesetzlich zugeht und die Veranstalter recht anonym bleiben!

Ausserdem gibt es für jede gut besuchte Gerichtsverhandlung mindestens 2, bei denen niemand anwesend ist, der dort nichts zu suchen hat, so meine Beobachtung aus dem AG Frankfurt am Main.

Wenn man es sich jetzt genau überlegt, dann zählt doch eigentlich nur ein wesentliches Argument dafür, dass Gerichtsprozesse eben nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Und diese hat Subbotnik ja schon genannt: es ist die Möglichkeit der öffentlichen Kontrolle. Letztlich sind ja nicht nur Prozesse gegen die kleinen Leute öffentlich, sondern auch Prozesse gegen die Prominenz. Gerne auch gegen die Politprominenz. Und hier ist ja schon mal schön zu wissen, dass es vor Gericht schon schwer ist, manche Gleicher als andere zu behandeln.

Aber auch auf der anderen Seite bietet die (empörte) Öffentlichkeit einen gewissen Schutz: so können keine Urteile im geheimen gefällt werden, die klar unverhältnismäßig sind, weil sie z.B. Politisch entsprechend gewollt wurden oder aber mit einem Urteil ein ganz anderer Sachverhalt abgestraft wird. Bevor man also die Öffentlichkeit aus dem Gericht haben will, sollte man sich an geheime Gerichtsverhandlungen erinnern, welche eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ja u.U. sogar unter Verweigerung eines Rechtsbeistands für den Angeklagten stattfinden. Solche Zustände wären die, welche zu kritisieren sind.

Das jetzt im Gerichtssaal auch Leute anwesend sind, die lediglich aus voyoristischen Gründen kommen, ist ein Umstand, der eben hingenommen werden muss. Das ist eben so, wenn man von einem öffentlichen Interesse sprechen mag. Geht es um den Schutz der Privatsphäre oder um den Schutz von Kindern und Jugendlichen, hat das Gericht immer die Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschließen.

Unabhängig davon, dass Leute alle möglichen Gründe haben, um an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen, sollte es letztlich egal sein, weshalb sie es tun, solange das Interesse einzelner dazu führt, dass öffentliche Gerichtsverhandlungen tatsächlich von einer irgendwie gearteten Öffentlichkeit wahrgenommen wären. Es wäre doch fatal, wenn man einerseits Öffentlichkeit zuließe und anderer denen, die die Öffentlichkeit durch ihre Anwesenheit repräsentieren, fragwürdige Motive unterstellt.

Ich habe während meines Studiums auch öfter Gerichtsverhandlungen besucht, natürlich auch gerade solche, über die ich in den Zeitungen vorher gelesen hatte. Ich fand es spannend, reale Prozesse zu verfolgen, reale Zeugenvernehmungen zu sehen und reale Gutachten zu hören, nicht zuletzt auch, weil ich wissen wollte, wie sich die Wirklichkeit von der Fernsehdarstellung unterscheidet. Da habe ich allerdings auch gemerkt, dass es Leute gab, die den Verfahrensbeteiligten offenbar als ständige Gäste bekannt waren und zum Beispiel vom Staatsanwalt dann scheinbar interessiert gefragt wurden, wie sie den Fall beurteilen würden.

Manchmal hört sich aber vielleicht auch jemand einen Prozess an oder sitzt im Zuschauerraum, weil er demnächst ein eigenes ähnliches Verfahren haben wird und vorab schon mal wissen möchte, wie so etwas in der Realität abläuft.

Was veranlasst wohl die Leute? Ich denke mal es ist die Gier nach privaten Informationen aus erster Hand und die Hoffnung mal einen Bekannten unter den Vorgeladenen zu finden. Sicherlich können solche Themen auch beim heimischen Kaffeekränzchen prima als Gesprächsthema herhalten was den Erzählenden ein bischen über die Anderen erhebt, das erklärt auch die hohe Anzahl von Rentnern im Saal. Davon abgesehen sind solche Veranstaltungen in der Regel schnarchenslangweilig.

Ich finde nichts schlimmes daran wenn Leute bei Gerichtsverhandlungen im Zuschauerraum sitzen. Ich musste dieses Jahr auch eine Zeugenaussage machen und hatte jemanden mitgenommen, der sich dann als Zuschauer in den Saal gesetzt hat. Ich fand das sogar ziemlich gut, da dieser mir dann alles genau erzählen konnte. Er hat auch noch eine andere Verhandlung mitbekommen und diese muss wohl recht "lustig" gewesen sein.

Ich kann es schon verstehen, dass manche Leute sich dort rein setzen, wenn sie die Zeit haben. Warum auch nicht? Immerhin läuft so etwas doch auch im Nachmittagsprogramm im Fernsehen und das schauen auch Leute. Live ist das dann doch nochmal interessanter.

Bei einigen Verhandlungen finde ich es sogar sehr gut, dass es dort Zuschauer gibt. Dies suggeriert doch noch einmal, dass man Straftaten nicht unter den Tisch kehren kann und es irgendwann raus kommt. Meiner Meinung nach ist es eher positiv, dass die Straftäter dann merken, dass ihre Taten die Menschen interessieren und nun jeder weiß, was er gemacht hat.

Ein Kollege von mir erzählt öfters auf der Arbeit von seiner Mutter, die ständig Langeweile hat und nicht weiß, wie sie die Zeit totschlagen könnte. Heute erzählte mein Kollege mir, dass seine Mutter jetzt immer ins Gericht, um sich die Langeweile zu vertreiben. Sie sieht das also wirklich als Hobby. Ich finde schon, dass das leicht in den Bereich "Stalker" reingeht, aber was soll man machen.

Ich denke, ich fände es auch störend, wenn da wildfremde Leute zusehen, wie ich mich vorm Gericht verantworten muss. Aber auf der anderen Seite glaube ich kaum, dass die Menschen dich dann immer wieder sehen oder dich verfolgen oder sonst was. Die Leute sind ja nur aus Langeweile da und sehen jeden Tag mehrere Fälle und es kommen ja immer neue dazu.