ADHS: Alternative zu Ritalin
Die Tochter meiner Freundin hat eine Tochter (knapp 4 Jahre), die ADHS diagnostiziert bekommen hat. Seit 3 Wochen soll sie ihrem Kind Ritalin geben. Aber seitdem ist ihre Tochter nicht mehr ihre Tochter. Sie erkennt sie nicht mehr wieder. Sie verhält sich in allem anders und man hat den Eindruck, dass das Kind wirklich unter Drogen steht.
Der Kinderarzt, der das Medikament verschrieben hat ist zur Zeit in Urlaub und bei einem anderen Kinderarzt hat sie erst in einer Woche einen Termin bekommen. Sie will das Ritalin absetzen und eine Alternative zu diesem Medikament bekommen. Kann man durch Ergotherapie und andere Therapien, die zwar aufwendig, aber chemiefrei sind einén "Zappelphillip" behandeln?
Können die 3 Wochen Ritalingabe dem Kind geschadet haben? Das Kind ist zwar ruhiger geworden, aber eben mit einem total anderen Wesen. Als wenn man das Kind ausgetauscht hätte. Welche Möglichkeiten gibt es noch ein ADHS-Kind zu behandeln ohne auf so harte Medikamente zurückzugreifen?
Je nach Härtegrad muss man sehen, ob man ohne Medikation auskommen kann. Aber da die Tochter deiner Freundin ja noch recht klein ist und somit speziell nicht die Schulleistungen darunter leiden, wenn nicht unmittelbar Besserung eintritt, würde ich es schon ohne Ritalin oder ähnliches Präparate versuchen. Sie hat ja noch zwei Jahre ihre Unruhe und Konzentrationsprobleme in den Griff zu bekommen.
AD(H)S ist vielleicht eine neue Diagnose, aber keine neue Erscheinung. Ich kenne viele Erwachsene, die über sich selbst sagen, dass sie vermutlich daran leiden, die es aber in den Griff bekommen haben, ohne Medis. Wenn man aus der Pubertät heraus kommt, wird es von alleine etwas besser, so die Theorie, aber man muss dennoch Strategien entwickeln, im Alltag klar zu kommen. Mancher schafft das auch alleine, wie diese Leute zeigen, andere brauchen professionelle Unterstützung. Aber nicht jeder Fall wird ohne Verschreibung von Ritalin ein drogenabhängiger, obdachloser Versager ohne Schulabschluss oder Perspektiven, um mal den Teufel an die Wand zu malen.
Geht es nicht komplett ohne, gibt es auch noch andere Produkte mit anderen Nebenwirkungen, die auch je nach Kind wieder anders wirken. Da muss man sich dann mal detailliert informieren, aber nur weil Ritalin das bekannteste ist, bedeutet das nicht, dass es das einzige Medikament ist. Was die Persönlichkeitsveränderungen betrifft: Dauerhafte Änderungen wären mir nicht bekannt, das sollte abklingen, sobald der Körper das Medikament abgebaut hat, was aber geraume Zeit dauern kann, bei einem kleinen Stoffwechsel.
Zu den Alternativen: Ergotherapie wird oft empfholen, ebenso eine Therapie im allgemeinem: Dort lernen die Kinder mit sich und ihrem Körper anders umzugehen, ihre Gefühle(wie etwa die innere Unruhe) zu kanalisieren und so weiter. Dieser Weg ist sehr viel umständlicher, als das Mädchen einfach mithilfe einer Droge ruhig zu stellen, es dauert länger und zerrt an den Nerven der Eltern und des Kindes. Aber meines Erachtens ist das die deutlich sinnvollere Methode damit umzugehen, weil sie dem Kind eben nicht schadet.
Nur haben die meisten Eltern nach der Erfahrung der Kinderärzte und Lehrer keine Lust auf dieses Prozedere, weshalb es vielfach schon gar nicht mehr angeboten wird. Und auch wenn AD(H)S nicht anerzogen werden kann, so gibt es natürlich Erziehungsmethoden, die eine Verschlimmerung begünstigen oder das Syndrom auffangen. Gerade diese Kinder brauchen feste Regeln und einen klaren Alltag, viel Gelegenheit sich zu bewegen, anstatt Fernseh- oder Konsolenkonsum. Das wollen aber viele nicht einsehen und meinen, mit der Pille ist es doch soviel einfacher, warum also auch mal Fehler bei sich suchen?
Manche Kinderärzte sind sicher auch nicht genau informiert, denn das Syndrom ist schon vielschichtig und schwierig und man kann ja nicht in allem Spezialist sein. Allerdings sollte man dann auch den Großmut besitzen, dies einzuräumen und an einen Kollegen verweisen, der sich besser auskennt. Ich würde anstelle deiner Freundin zunächst das Medikament absetzen und mir einen Kinderpsychologen suchen. Es gibt inzwischen zahlreiche Beratungsstellen, in eurer Stadt sollte es auch eine geben. Dort sollte sie anrufen und sich einen Arzt und einen Therapeuten empfehlen lassen, mit denen sie dann das weitere Vorgehen genau klärt.
Während meiner Studienzeit habe ich einmal auf einem Ferienlager für Kinder mit ADHS gearbeitet. Dieses Camp war zwar sehr anstrengend, aber sehr interessant. Ein Teil der Kinder hat ebenfalls Ritalin bekommen. Diese Kinder kannte ich von ihrem Wesen her zwar nicht ohne Ritalin aber auch mir kamen sie teilweise wie unter Drogen vor. Welches Kind mit Ritalin behandelt wurde und welches nicht, war von den Eltern beziehungsweise von den vorherigen Therapien abhängig.
In dem Camp ging es auch darum, dass die Kinder lernten, mit ADHS umzugehen. Natürlich mag es auf den ersten Blick schneller und einfacher zu sein, ein Kind schnell einmal mit Ritalin ruhig zu stellen, als eine langwierige Verhaltenstherapie zu machen. Aber ich habe auf dem Camp gesehen, dass es auch ohne Ritalin geht. Die Kinder werden zwar wohl nie zu ruhig sitzenden Engelchen und man muss wirklich jederzeit mit Unfug und mehr rechnen, aber viele haben sich mit entsprechender Verhaltenstherapie unter Kontrolle.
Da ich kein Psychotherapeut bin, war ich bei den Therapien direkt nicht dabei. Ich war damals lediglich Campbetreuer. Die Kinder haben aber mehrere Verhaltenstipps gelernt, wie zum Beispiel, dass sie eben nicht wenn sie irgendwo bei einem Tisch zum Beispiel gesessen sind, nicht auf den Tisch einhauen sollen, sondern mit den Händen wischen oder dergleichen. Die Kinder wissen oft nur nicht wohin mit ihrer Energie und wie gesagt, die Kinder werden ohne Ritalin zwar nicht ruhig bei Tisch sitzen, aber wenn sie davor eben eher auf den Tisch eingeschlagen haben, sitzen sie dann eben da und wischen mit den Händen. Ist zwar vielleicht ein blödes Beispiel, aber so in etwa kann man sich die Veränderungen vorstellen.
Leider weiß ich auch nicht, ob solche Camps von der Krankenkasse bezahlt werden oder zumindest ein Teil übernommen wird, das hat mich damals noch nicht so konkret interessiert. Ich muss dazu auch sagen, dass man sich nicht erwarten darf, dass man ein Kind für ein paar Wochen auf ein Camp schickt und gut war es, diese Kinder waren auch während dem Schuljahr in regelmäßiger verhaltenstherapeutischer Behandlung.
Möglichkeiten, mit ADHS umzugehen, gibt es also mehrere. Inwiefern Ritalin unbedingt notwendig sein sollte oder nicht, wird sicher von Fall zu Fall verschieden sein. Ohne, dass ich diesbezüglich nun ein konkretes therapeutisches Wissen hätte, würde ich jetzt eher einmal vermuten, dass in dem von dir beschriebenen Fall das Ritalin eher vorschnell verabreicht wurde, weil es dürfte doch von einem Kinderarzt verschrieben worden sein und nicht von einem Psychotherapeut. Kinderärzte dürfen zwar natürlich auch Ritalin verschreiben und sind als erste Anlaufstelle diesbezüglich sicher gut, bevor ich meinem Kind jedoch Ritalin geben würde, würde ich vorher jedoch auf jeden Fall eine Meinung eines Psychotherapeuten holen.
@ tournesol
Ein knapp 4jähriges Mädchen in ein Camp zu schicken ist in meinen Augen sehr übertrieben und in dem Alter sicherlich auch nicht unbedingt sinnvoll.
@ Topic
Ich meine letztens gelesen zu haben, das ADHS nicht vor dem Schuleintritt diagnostiziert werden sollte. Da bin ich mir aber nicht wirklich sicher.
Wer hat die Erkrankung denn diagnostiziert? Nur ein Kinderarzt oder ein Facharzt? Beziehungsweise hat der Kinderarzt speziellere Fachkenntnisse in dem Bereich? Und wie macht sich die Erkrankung bei dem Mädchen bemerkbar? Und wie Lange gibt es die Diagnose schon? Ich bin an sich verwundert das sofort mit Ritalin begonnen wird. So wie du das schreibst, hat sie die Diagnose ja noch nicht so lange.
Ich würde mit dem Verdacht auf eine solche Diagnose eher in ein Sozialpsychiatrisches Zentrum oder eventuell auch einem Kinderpsychiater gehen. Die kennen sich damit mit Sicherheit besser aus, als ein Kinderarzt. Dort kann die Therapie auch ganz anders geplant werden.
Ich halte Ritalin nicht generell für schlecht. Auch wenn so viele gegen das Medikament wettern. Allerdings sollte die Einnahme kontrolliert werden durch einen Arzt. Sprich ich finde es an sich nicht so gut, das man mit einem solchen Medikament beginnt und die Einstellungsphase in den Urlaub des Arztes fällt.
Generell kann man auch erstmal ohne Medikamente einiges versuchen. Tournesol wies ja schon auf andere Strategien hin. Auch Ergotherapie soll durchaus Erfolg bringen. Nur würde ich die Behandlung halt generell eher in die Hände eines Facharztes legen. Wobei solche Zentren da noch mal andere und oftmals bessere Möglichkeiten haben. Unter Anderem weil die meistens auch Ergotherapie und ähnliches vor Ort anbieten können und das zum Komplettpaket der Behandlung gehört. Während ein niedergelassener Arzt dazu Überweisungen schreiben muss und der ja an sich nur ein bestimmtes Budget hat.
@little sister: Da hast du natürlich vollkommen Recht, dass man ein knapp 4 jähriges Kind noch nicht auf ein Camp schickt. Dieses Camp, wo ich war, wurde auch erst für Kinder ab 6 angeboten, das habe ich leider vergessen zu erwähnen, obwohl es natürlich wichtig ist!
Wie ich jedoch auch geschrieben habe, sind die Kinder ganzjährig in therapeutischer Behandlung und da sind dann auch schon Kleinkinder, die Hilfe bekommen. Es soll zeigen, dass es sehrwohl auch nicht medikamentöse Therapien gibt, auch wenn eine medikamentöse Therapie in manchen Fällen sicher trotzdem gut sein kann oder sogar nötig sein kann.
Das würde ich jedoch eben eher nicht einen Kinderarzt sondern einen Therapeuten entscheiden lassen, da er diesbezüglich doch eher vom Fach ist. Ich würde auch eher zu einem Psychotherapeuten als zu einem Psychologen gehen, da Psychologen generell eher auf medikamentöse Therapien zurückgreifen und Psychotherapeuten versuchen möglichst ohne medikamentöse Therapie auszukommen und eben verschiedene Therapien wie Verhaltenstherapie und vieles mehr anbieten.
LittleSister hat geschrieben:Ich meine letztens gelesen zu haben, das ADHS nicht vor dem Schuleintritt diagnostiziert werden sollte. Da bin ich mir aber nicht wirklich sicher.
Das habe ich auch schon gehört, da Kinder ja sowieso sehr quirlig sind in diesem Alter und man nicht immer mit Sicherheit AD(H)S diagnostizieren kann.
Wenn man auf das Ritalin verzichten möchte und wen man nicht zu einer Ergotherapie gehen möchte, wie es hier schon vorgestellt worden ist, dann könnte man auch andere Mittel probieren, die weitaus weniger bzw. sogar überhaupt keine Nebenwirkungen haben. So liegt bei AD(H)S häufig auch ein Magnesiummangel zugrunde. Man könnte somit zunächst einmal versuchen, Magnesium zu substituieren und zu schauen, ob das Kind dadurch dann ruhiger wird. Ebenso gibt es noch das homöopathische Mittel Zappelin, das speziell für AD(H)S-Kinder entwickelt wurde. Damit haben schon viele Eltern AD(H)S bei ihren Kindern in den Griff bekommen.
Auf jeden Fall würde ich aber zunächst noch zu einem Psychologen gehen und die Diagnose des Kinderarztes absichern lassen. Die kennen sich besser aus, was AD(H)S anbelangt.
Diesen Punkt habe ich glatt übersehen: Nämlich, dass man mit der Diagnose auch erstmal vorsichtig sein sollte. Leider zeigt die Erfahrung, dass manche Ärzte oder Erzieher bei einem etwas bewegungsfreudigeren Kind sofort AD(HS schreien und verlangen, den Zappelphillip ruhig zu stellen. Der krasseste Fall, der mit persönlich begegnet ist, war ein Zahnarzt, der ein ängstliches Kind, dass nicht auf seinem Stuhl sitzen und den Mund öffnen wollte, als hyperaktiv eingestuft hatte und der erschrockenen Mutter empfahl sich vom Kinderarzt etwas verschreiben zu lassen, damit ihr Energiebündel endlich mal ruhiger sei!
Und vielen Eltern dient es auch schlicht als Ausrede für ihre mangelnde oder gar nicht vorhandene Erziehung. "Das Kind ist ja krank, das kann nicht anders, das ist nicht mein Fehler!" Aber eine Überprüfung der Diagnose, sowie eine Beratung für das weitere Vorgehen kann eben bei einer Familienberatungsstelle erfolgen, weshalb ich deiner Freundin den Gang dorthin, wie schon gesagt, auf jeden Fall ans Herz legen würde.
Bei einem Kind in so einem Alter würde ich wahrscheinlich auch dazu tendieren, lieber keine Medikamente zu geben wenn es nicht unbedingt notwendig wird. Auf jeden Fall sollte ein Arzt gesucht werden, der sich auch garantiert mit Ad(H)s auskennt und eine kompetente und glaubwürdige Diagnose stellen kann, die nicht mal eben mit einem Fragebogen auswerten getan ist.
Übrigens kann man mit einer darauf ausgelegten Ernährung auch schon eine Verbesserung erzielen, zum Beispiel sollte fetter Fisch auf dem Speiseplan stehen. Ich glaube dazu gibt es sogar ein ganzes Buch, Google kann da sicher genaueres verraten.
Ein Medikament wie Ritalin würde bei einem normalen, gesunden Kind gar nicht die Wirkung zeigen wie bei einem Ad(H)s-Betroffenen, sondern es würde eher unruhiger, nervöser und kribbeliger werden als normal. Wenn das Kind sich also so sehr verändert, dann ist das vielleicht sogar seine tatsächliche Persönlichkeit die zutage tritt, wenn der Dopaminmangel durch eine Blockade der Dopamintransporter ausgeglichen wird.
Natürlich bin ich da keine Person mit Fachkenntnis, genauso wie wahrscheinlich alle anderen hier auch, daher sollte unbedingt Kontakt mit einem in diesem Bereich bewanderten Arzt aufgenommen werden, im Internet kann man dazu manchmal etwas finden oder vielleicht gibt es bei euch eine Ad(H)s-Selbsthilfegruppe oder sogar einen Verein, die euch helfen können einen Facharzt in der Nähe zu finden und auch bei der Erziehung und Ernährung Tips geben können.
Wie hier bereits geschrieben wurde: Einem vierjährigen Kind sollte kein Ritalin verschrieben werden, dieses Medikament ist erst ab einem Alter von sechs Jahren indiziert. Es ist gut, dass deine Freundin das selbst auch so kritisch sieht und einen anderen Arzt aufsuchen will. ADHS ohne Medikamente ist möglich, ob Ritalin in diesem jungen Alter schadet, kann ich leider nicht sagen. Allerdings weiß ich, dass man vorab ein Blutbild abnehmen sowie ein EKG schreiben muss, weißt du, ob das gemacht wurde?
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